In Tschechien ist soeben ein dicker Essayband mit journalistischen Texten aus drei Jahrzehnten des
Schriftstellers Jáchym Topol erschienen. Aus diesem Anlass
unterhält sich Radim Kopáč mit ihm über den Wandel der publizistischen Inhalte - oder eben deren Wiederkehr: "Mit einer gewissen Sorge ist mir klar geworden", so Topol, "dass Leute meiner Generation mit der aktuellen Agressivität von Putins Regime, mit der Eskalation des Kriegs in der Ukraine in eine Art
Zeitschleife geraten sind. Ich komme aus einer Generation, die immer noch sowjetisiert war, wir mussten Russisch lernen, waren verpflichtet, Brieffreundschaften mit russischen Schülern zu führen,
Russland rief Angst hervor - und dann ist das alles zerplatzt und wir glaubten, dass Russland nach der Wende demokratisch, kameradschaftlich und gut sein würde. Es zeigt sich, dass das ein Irrtum war: Schon zum zweiten Mal im meinen Leben spielt Russland die Rolle des Aggressors. Es sind immer noch
die gleichen Kulissen, in denen man sich bewegt und die Verzweiflung schüren; andererseits ist da auch ein wenig Erleicherung - es ist eine wohlbekannte Welt." Nach der Wende war Topol neben seiner Tätigkeit als Romanschriftsteller unter anderem Redakteur bei der Wochenzeitschrift
Respekt und der Tageszeitung
Lidové noviny, bevor er an die Václav-Havel-Bibliothek wechselte. "Ich bin stolz darauf, dass
Respekt als
Vertreter des osteuropäischen antikommunistischen Widerstands, der aus dem Samisdat hervorgegangen ist, sich erhalten hat - im Unterschied zu ähnlichen Medien in Polen, Ungarn oder Russland. Dass die Zeitung Lebensfähigkeit bewiesen hat und die Leute sie lesen. Bei der
Lidové noviny finde ich es schrecklich desolat, dass sie dem Premierminister dieses Landes gehört. Und selbst wenn's der heilige Franz von Assisi wäre, wäre es schlecht."