Die ungarischen Politiker interessieren sich nur um sich selbst, das Schicksal des Landes ist ihnen egal,
klagt Julianna R. Szekely, Kolumnistin der liberalen ungarischen Tageszeitung
Magyar Hirlap. Sie blickt neidisch auf Westeuropa, wo "ein gut recherchierter Zeitungsartikel über einen
begründeten Korruptionsverdacht meistens das Ende einer politischen Laufbahn bedeutet ... Aber auch in Westeuropa dauerte es zwei-, dreihundert Jahre lang, um viele Schafweiden wurden willkürlich Zäune gezogen, viele Pistolenkugeln flogen, viel Blut wurde vergossen, bis sich endlich die Einstellung durchsetzte, dass nur moralisches Verhalten langfristig lohnt.
Unsere fünfzehn Jahre sind sehr kurz. Fünfzehn Jahre sind mit historischen Maßstäben so lang, wie eine
Schiffsreise in einer Jack-London-Novelle, in der ein hungernder Landstreicher an Bord geholt wurde. Er nahm plötzlich beträchtlich zu, aber nicht weil er so viel ass, sondern weil er, von seinen Erinnerungen an die schweren Zeiten gequält, immer mehr Lebensmittel unter seinen Mantel verstopfte. Bis der Schiff den nächsten Hafen anlief, hat er sich das jedoch abgewöhnt."
Der Publizist
Tibor Varkonyi wundert sich über die
übertriebene Nettigkeit, mit der Wladimir
Putin in Paris von Jaques Chirac, Gerhard Schröder und Jose Luis Rodriguez Zapatero empfangen wurde, obwohl Putin in der internationalen Presse heftig kritisiert wird und seine Popularität sogar im eigenen Land wackelt: "Die Hymnen über
seinen Ruhm und seine Ehre erklingen immer seltener, die Maler porträtieren ihn auch nicht mehr so oft freiwillig wie früher. Es wird gemunkelt, dass auch er höchstpersönlich ein
anderer Mensch geworden ist. Wenn die Gerüchte nicht übertreiben, ist Putin inzwischen sogar von seiner Lieblingsbeschäftigung gelangweilt, Staatsminister und Gouverneure nach Lust und Laune zu feuern ... Und doch schrieb
Le Figaro, noch bevor Putins Flieger in Paris landete, dass Jaques Chirac einen Freund erwarte,
Liberation sprach von einem bevorstehenden 'wolkenfreien Gipfeltreffen'. Und die Prophezeiungen bewahrheiteten sich Wort für Wort."