Magazinrundschau - Archiv

MicroMega

67 Presseschau-Absätze - Seite 1 von 7

Magazinrundschau vom 15.06.2021 - MicroMega

Einige Parlamentsabgeordnete eher linker Parteien in Italien möchten das berühmte antifaschistische Widerstandslied "Bella Ciao" zu einer offiziellen Hymne machen, die am Tag der Befreiung Italiens, dem 25. April, bei der offiziellen Zeremonie gesungen werden soll. Francesco Filippi, Autor des Buchs "Ma perché siamo ancora fascisti? (Warum sind wir eigentlich immer noch Faschisten) findet im Gespräch mit Cinzia Sciuto, dass diese Idee eher ein Krisensymptom ist. Der Vorschlag hat auch seine komischen Seiten, wenn man sich vorstellt, dass etwa ein durchaus möglicher Premierminister Matteo Salvini von der Lega Nord einst gezwungen sein könnte, das Lied bei laufenden Kameras mitzusingen. Aber es geht noch schlimmer: "Sprechen wir von einer Partei, den Fratelli d'Italia, die in ihrem Parteisymbol immer noch die dreifarbige Flamme trägt, das Symbol des Movimento Sociale Italiano, der neofaschistischen Partei, die 1946 von Giorgio Almirante gegründet wurde, um sich in die Kontinuität des Faschismus zu stellen… Es wäre der x-te Beweis für die Schwierigkeit dieses Landes, mit einer Vergangenheit fertig zu werden, die nicht vergangen ist."

Und Milva können sie auch nicht mehr engagieren:

Magazinrundschau vom 12.01.2021 - MicroMega

Einaudi bringt eine neue Ausgabe der berühmten Gefängnisbriefe von Antonio Gramsci heraus, die Angelo d'Orsi in Micromega bespricht. Große Frage: Gibt es auch bisher unbekannte Briefe? "Ja, es gibt sie, wenn auch nur ein Dutzend, alle interessant, aber mindestens drei davon sind kostbar, alle von Antonio an seine Mutter adressiert, aus denen Details über Gramscis Familienbiografie hervorgehen, die selbst ausgewiesenen Gramsciologinnen und Gramsciologen unbekannt waren (vor allem über seinen älteren Bruder Gennaro, an den der vierte und letzte unveröffentlichte Brief gerichtet ist - die anderen unbekannten Texte sind Postkarten und Telegramme), aber auch was Antonios konkreten Alltag betrifft." D'Orsi lobt auch den Apparat der Ausgabe und den Einführungstext des Herausgebers Francesco Giasi.
Stichwörter: Gramsci, Antonio

Magazinrundschau vom 01.12.2020 - MicroMega

Marco Cesario interviewt Gérard Biard, Chefredakteur von Charlie Hebdo, zum Charlie-Hebdo-Prozess, dem Mord an Samuel Paty und der Notwendigkeit des Kampfes gegen religiösen Fanatismus - der in Wahrheit kein religiöser sei: "Wir haben es mit einem strikt politischen Problem zu tun, mit einer politischen Ideologie, die in ihrem Kern totalitär ist. Das französische Gesetz über die Trennung von Staat und Kirche von 1905 ist der Endpunkt eines langen Kampfes, der in der Aufklärung begonnen wurde, um der Macht der katholischen Kirche ein Ende zu setzen. Und ich muss Italienern nicht erklären, wieviel Unheil diese Macht anrichten kann… In gewisser Hinsicht befinden wir uns heute in der selben Situation: Wie sind vom Islamismus, der in bestimmten Bevölkerungsteilen 'Martkanteile gewinnen' will, einem politischen Angriff ausgesetzt. Es ist Zeit und lebenswichtig daran zu erinnern, dass Religionen - alle Religionen - politische Ambitionen haben. Der Vatikan ist, nebenbei bemerkt, ein Staat. Und der Islam übt sein politisches Regime über einen großen Teil der Welt aus. Wir sollten präsent halten, dass eine Theokratie keine Demokratie ist."

Magazinrundschau vom 09.07.2019 - MicroMega

Edoardo Laudisi führt mit Seyran Ates ein theologisches Gespräch über ihre Idee eines refomierten Islam. Auf den Einwand, dass sie anders als Luther keine Institution als Gegenüber habe, die sie reformieren könne, antwortet sie: "Doch, gewiss. Diese Institutionen sind nicht religiös fundiert, denn im Islam haben wir keine Institutionalisierung in dem Sinne, dass jemand zwischen uns und Gott steht. Wir können also keine Autorität akzeptieren. Aber es gibt Strukturen wie das Diyanet in der Türkei, die Mullahs im Iran und die Muslimbrüder oder die Al-Azhar-Universität, die behauptet, alle sunnitischen Muslime zu vertreten. Gerade gegen diese Behörden führe ich den politischen Kampf sowohl für mich als auch für andere. Und alle liberalen Muslime, für die wir diese kleine Moschee gegründet haben, führen diesen Kampf."

Magazinrundschau vom 19.03.2019 - MicroMega

Frédéric Martels Buch "Sodoma, Enquête au coeur du Vatican" untersucht das massive und massiv beschwiegene Phänomen der Homosexualität in der Katholischen Kirche, das, wie Martel im Gespräch mit Matteo Gemolo in Micromega betont, keineswegs deckungsgleich ist mit dem des sexuellen Missbrauchs - auch wenn das eine mit dem anderen zu tun hat. Das Buch steht in vielen Ländern auf der Bestsellerliste. In Deutschland erscheint es erst im Sommer (die Zeit hat vor kurzem einige Passagen vorabgedruckt). "Was in den Augen vieler als Widerspruch erscheint, lässt sich soziologisch leicht erklären", sagt Martel, der selbst aus der französischen Schwulenbewegung kommt. "Obwohl dieses Buch kein rein akademisches Buch ist, versucht es zu zeigen, dass das, was im Vatikan passiert, kein Zufall ist. Die Realität ist viel simpler und banaler als die extreme Rechte denkt, die überall Verschwörungen und schwule Lobbys sieht: Auf der einen Seite ist da die Kirche, die seit langem in einer Spirale aus Protektion und persönlichen Interessen Menschen mit homosexuellen Tendenzen anzieht, auswählt, rekrutiert und befördert; auf der anderen Seite wurde eine große Zahl frustrierter, sozial marginalisierter Homosexueller für die Kirche gewonnen, weil sie dort einen Ort gefunden haben, wo sie ihre Homosexualität paradoxerweise frei leben können, ohne ihre Fassade der Homophobie aufgeben zu müssen." Gerade das starke Bedürfnis, das Thema zu kaschieren, habe aber, so Martel, die homophoben Tendenzen in der Kirche noch verschärft: Als Millionen Menschen an Aids starben, haben die Vorgänger von Papst Franziskus "entschieden, einen Krieg gegen das Präservativ zu führen. Dieser historische Fehler der katholischen Kirche kann so leicht nicht vergessen oder vergeben werden."

Magazinrundschau vom 18.09.2018 - MicroMega

Die Journalistin Cinzia Sciuto setzt sich in einem Buch, aus dem MicroMega ein Kapitel vorabdruckt mit der "Logik des Multikulturalismus" auseinander: "Die kommunitaristisch-multikulturalistische Logik imaginiert klar identifizierbare und definierbare 'Objekte' - die 'Kulturen' - als gegeben und behauptet, es seien politische Maßnahmen vonnöten, um sie einzuhegen. Dummerweise aber sind 'Kulturen' keine natürlichen Objekte, die sich in der Gesellschaft beobachten lassen, sondern selbst soziale Konstruktionen, die sich ständig weiterentwickeln. Statt die Realität abzubilden, formt der multikulturalistische Ansatz jene 'Gemeinschaften' erst und schreibt ihnen - und letztlich den Individuen, den angeblichen Trägern dieser Kultur - eine Reihe von Eigenschaften zu, die sich zumeist als zu eng oder zu weit erweisen und der komplexen Identität einer Person nicht gerecht werden."

Magazinrundschau vom 15.05.2018 - MicroMega

Der Politologe Paolo Gerbaudo ist ein Experte für Soziale Medien und ihre Auswirkung auf die Politik. Hier legt er einen resümierenden kleinen Essay über die Organisationsform der Fünf-Sterne-Bewegung vor, bei der er sich im Grunde ganz und gar nicht daran stört, dass diese Bewegung nun mit der sehr rechtspopulistischen Lega Nord zu paktieren scheint. Ihn interessiert die digitale Organisationsform der Partei, die alles über ihr Partei-Wiki namens 'Rousseau' steuern will und nebenbei schon gezeigt hat, wie stark solche Modelle manipuliert werden können. So wie Jeremy Corbyns Momentum-Bewegung oder Podemos in Spanien, verändern sich die Parteien dabei nach dem "Plattform"-Modell der der sozialen Medien, so Gerbaudo.  Trotz der Probleme der Fünf Sterne mit ihrem Wiki sieht Gerbaudo, der aus der Perspektive eines begeisterten und auf Innovation hoffenden Linken schreibt, in diesem Modell die Zukunft: "Weiter über den Niedergang der Massenpartei zu jammern, hat keinen Sinn und verlängert nur die 'Melancholie der Linken', die Wendy Brown schon vor zwanzig Jahren diagnostizierte. Überlegen wir uns eher, worüber wir besonders in einem Land wie Italien sprechen müssen. Wir müssen darüber nachdenken, wie das Modell der Plattform-Partei angepasst und verändert werden kann, um den radikalen Wandel unserer gesellschaftlichen Erfahrung widerzuspiegeln."

Magazinrundschau vom 23.01.2018 - MicroMega

Giacomo Russo Spena unterhält sich mit dem Vatikan-Kenner Gianluigi Nuzzi, der mit "Peccato originale" ein weiteres Enthüllungsbuch über die Finanzen des Vatikans herausbringt und sich wenig schmeichelhaft über die Transparenzbemühungen von Papst Franziskus äußert: "Die katholische Welt hatte große Erwartungen an Bergoglio, aber von Anfang an wählte er problematische Mitarbeiter. Denken wir an Kardinal Pell: Er hatte die heikle Aufgabe, die Finanzen des Vatikans zu reformieren, aber er musste seine Arbeit einstellen, weil er nach Australien musste, um sich gegen Pädophilie-Anschuldigungen zu verteidigen. Gleichzeitig sind einige Machtblöcke des vorherigen Pontifikats unverändert geblieben: Es reicht nicht aus, einige Männer in der ersten Reihe auszutauschen, um die Mentalität zu ändern."

Magazinrundschau vom 21.11.2017 - MicroMega

Kein deutsches Medium (mit Ausnahme des Humanistischen Pressedienstes, hier) hat über dieses Jubiläum berichtet: Der Zentralrat der Ex-Muslime, der von der Deutschen Mina Ahadi gegründet wurde, feierte letzte Woche sein zehnjähriges Jubiläum - inzwischen hat die Organisation mit Maryam Namazie auch in Großbritannien eine prominente Sprecherin, berichtet Cinzia Sciuto in Micromega: "Eines der Ziele der Bewegung, die in zehn Jahren enorm gewachsen ist und heute Dutzende Vereine in verschiedenen Ländern hat,  besteht darin, der westlichen Öffentlichkeit und insbesondere der Linken zu zeigen, dass die Trennung zwischen Religion und Staat, Säkularismus - mit allen sich daraus ergebenden Rechten, vor allem der Meinungsfreiheit - kein westliches Vorrecht ist, sondern ein universeller Wert, für den in vielen Ländern mit muslimischer Mehrheit heute Hunderte Aktivisten ihr Leben riskieren: Niemand kennt den Wert des Säkularismus besser als jene, die in theokratischen Regimes leben', erklärt Namazie."

Magazinrundschau vom 12.09.2017 - MicroMega

Oft ist schon gesagt worden, dass sich die Mafia fundamental verändert hat. Im Gespräch der Staatsanwälte Nino Di Matteo und Roberto Scarpinato in Micromega wird erklärt, wie dieser Wandel abgelaufen ist. Die italienische Mafia verzichtet heute auf Gewalt - alles läuft über Korruption. Dabei sieht Scarpinato, Staatsanwalt in Palermo, einen "fundamentalen Unterschied" zwischen der Ersten Republik bis zur Krise von 1994 und der Zweiten Republik. "In der Ersten Republik, als der italienische Staat noch Geld drucken und Anleihen ausgeben konnte, finanzierte er die öffentlichen Ausgaben unbegrenzt und damit auch die Korruption. Nach dem Ende der Ersten Republik und mit den Verträgen von Maastricht und und den rigorosen Bilanzregeln der EU ist es nicht mehr möglich, die Korruption mit öffentlichen Ausgaben zu finanzieren. Aber die Korruption ist geblieben, sie finanziert sich jetzt über die Beschneidung von Sozialleistungen. Einer der berühmtesten Korruptionsfälle ist das Mose-Projekt von Venedig, das die Stadt vor Fluten schützen soll. Es wurde auf zwei Milliarden Euro geschätzt und ist bei sechs Milliarden gelandet - vier Milliarden Euro sind der Korruption geschuldet. In der Ersten Republik hatten diese vier Milliarden Euro Staatsausgaben entsprochen, in der Zweiten bedeuten sie Einschnitte bei Krankenhäusern, Schulen und Renten."