Magazinrundschau - Archiv

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Magazinrundschau vom 10.05.2016 - Nepszabadsag

Im Interview mit Sándor Zsigmond Papp spricht der Autor Krisztián Grecsó über sein neues Buches "Jelmezbál" (Kostümball, Magvető, Budapest, 2016. 296 Seiten) und seine Interpretation des Familienromans angesichts der veränderten Familienstrukturen im 21. Jahrhundert: "Ich ging davon aus, dass die Familie ein Theater ist, in dem jede und jeder ein Hauptdarsteller ist. Eine Geschichte hat so viele Perspektiven, wie Menschen, die diese erlebten. Jeder Charakter hat seine eigene Welt, das eigene Märchen, das eigene Drama. Dafür suchte ich eine Struktur, oder die Jacke zu den Knöpfen. (...) Ich versuche in meinem Buch die Präsenz einer neuen Wirklichkeit zu greifen. Die Witwenstraßen ohne Männer, die Kaffeefahrten, die vor der Wirklichkeit in Sekten flüchtenden Jugendliche. Der Familienroman ist so zerbrochen wie die Wirklichkeit."

Magazinrundschau vom 03.05.2016 - Nepszabadsag

Der Historiker Balázs Ablonczy war vier Jahre Direktor des ungarischen Kulturinstituts Collegium Hungaricum in Paris und kehrt nun nach Ablauf seines Mandats etwas desillusioniert von der (Kultur-)Politik in die Wissenschaft zurück. Er wird in den kommenden fünf Jahren zum Thema "Trianon" eine zwanzigköpfige Forschungsgruppe an der Ungarischen Akademie der Wissenschaften (MTA) leiten. Die Ergebnisse sollen zum hundertsten Jahrestag der Pariser Friedensverhandlungen nach dem Ersten Weltkrieg publiziert werden. Im Interview mit Dániel Bita und Péter Pető sagt Ablonczy: "Die Sprache der ungarischen Öffentlichkeit ist zu lyrikbestimmt und fokussiert überwiegend auf die Vergangenheit. In Mittel-Europa ist dies an vielen Orten so, aber in Frankreich beispielsweise nicht. Dort drehen sich Debatten um ethische und philosophische Fragen, es geht nicht darum, was in der Dreyfus-Affäre geschah. (...) Um Entscheidungen zu legitimieren neigen wir hierzulande zum Rückgriff auf die Vergangenheit. Das ist teilweise verständlich, denn in Mittel-Europa ist die Geschichte jene Sprache, die alle verstehen. Selbst die Sportjournalisten, wenn sie bei einer Niederlage historische Beispiele und Lyrikzitate verwenden."

Magazinrundschau vom 26.04.2016 - Nepszabadsag

Im Rahmen des Budapester Literaturfestivals (21.-24. April 2016) wurde der neue Roman "Az élet sója" (Das Salz des Lebens, Jelenkor) des Schriftstellers und Fotografen Péter Nádas vorgestellt. Die Ausführungen von Nádas zu seinem Buch hat Zsolt Kácsor festgehalten. "Dieses Buch ist ein bürgerlicher Entwicklungsroman, in dem sich jedoch die Städte entwickeln. Es ist ein Urbanisierungsroman. (...) In Deutschland wurden die großen Städte im Zweiten Weltkrieg fast völlig zerstört, doch beim Gang durch eine Kleinstadt ergriff mich jene dramatische Erfahrung, dass dort die Phasen der Urbanisierungsprozesse bis zurück ins Mittelalter klar erkennbar waren. Ich musste weinen, obwohl diese Kleinstädte zwar wahrlich wunderbare, doch langweilige Nester mit Lebkuchenhäuschen sind."
Stichwörter: Nadas, Peter, Mittelalter

Magazinrundschau vom 19.04.2016 - Nepszabadsag

Für die im rumänischen Siebenbürgen lebende ungarische Publizistin und Literaturkritikerin Boróka Parászka sind Menschen- und Minderheitenrechte voneinander untrennbar, wodurch aus ihrer Sicht die gegenwärtige ungarische Regierung beim Schutz der in den Nachbarländern lebenden Ungarn unglaubwürdig ist. Im Interview mit Levente Szőcs meint Parászka: "Seit einem Jahr habe ich die rumänisch-ungarische Grenze nicht übertreten und solange Ungarns flüchtlingsfeindliche Politik sowie die Mauer an der rumänisch-ungarischen Grenze bleiben, werde ich es auch nicht. (...) Menschen sind - Menschen. Als Angehörige einer Minderheit kenne ich es so und werde mich auch daran halten, dass niemand aufgrund von Rasse, sexueller Orientierung, ethnischer Zugehörigkeit oder religiöser Überzeugung unterschieden und diskriminiert werden darf. Wo Menschenrechte aber nicht gelten, dort wird es früher oder später auch überflüssig sein über Minderheitenrechte zu sprechen - die zwei können nicht voneinander getrennt werden."

Magazinrundschau vom 05.04.2016 - Nepszabadsag

Péter Nádas nimmt Abschied von Imre Kertész, der in der vergangenen Woche im Alter von 86 Jahren verstarb. "Es muss über ihn erneut und immer wieder geschrieben werden, ich muss über ihn schreiben. Nicht über den Tod, weil sein Tod Erlösung vom Leid bringen konnte, das seine Krankheit ihm als letzten Schlag verpasste, sondern über sein Leben, das trotz allem verschwenderisch reich und beispiellos gnädig zu ihm war. Doch am meisten muss über seine Werke erneut und immer wieder geschrieben werden, mit denen er über sein Leben hinaus weist. Er wuchs mit seinen persönlichen Eigenschaften, mit seiner Abstammung und seiner Nationalität, die ihm geraubt und immer weiter abgesprochen wurde, über uns hinaus. Er wuchs sogar über sein Geschlecht und seinen Namen hinaus. Über all jene Bestimmungen, die wir so sehr schätzen. Einzig über seine Muttersprache wuchs er vielleicht nicht hinaus. Mit ihr schuf er eine unverwechselbare, strenge Ordnung. Über diese Sprache, über diese Ordnung müssen wir erneut und immer wieder sprechen und bis dahin in Stille die Nachtwache halten."

Magazinrundschau vom 15.03.2016 - Nepszabadsag

Der Komponist Péter Eötvös und der Schriftsteller Péter Esterházy schreiben gemeinsam an einem Oratorium für die Wiener Philharmoniker, mit dem Titel "Hallelujah - Oratorium balbulum" und es soll beim diesjährigen Salzburger Festspiele Premiere feiern. Hauptakteure sind ein Engel und der Benediktiner Mönch aus St. Gallen, Notker Balbulus, "der Stammler". Adrienn Csepelyi sprach mit Eötvös und Esterházy in einem Doppelinterview. Péter Eötvös: "Ich sammelte aus den bestehenden Hallelujahs, diese Fragmente werden durch den Chor ertönen. Eines der ältesten ist das Halleluja von Monteverdi, doch es gibt auch eins von Mussorgski, Mozart, Bruckner, Händel und auch Bach. Das sind nicht nur Zitate, sie haben eine Bedeutung. Esterházy springt immer wieder in der Zeit und so erscheinen die Hallelujah-Fragmente auch nicht in chronologischer Reihenfolge."
Péter Esterházy: "Als Péter Eötvös mir einige Rhythmen zeigte, was das eine schockierende Erfahrung, denn ich bin nicht musikalisch. Etwas kokett sage ich, dass ich verstehen kann, warum meine Vorfahren Haydn beschäftigten: wenigstens ein musikalischer Mensch musste ins Haus. (...) Was bedeutet Fragment? Wird ein Stück zum Fragment weil es etwas enthält oder weil etwas fehlt? (...) Musik kann Zitate organischer verwenden als die Prosa. Aber wenn wir darauf bauen, dass wir sie erkennen sollen, enden wir leicht in einem Quiz. Die Frage kann immer schärfer gestellt werden, was dann mit den neuen Strukturen der Bildung zusammenhängt und dass es heutzutage keinen Kanon mehr gibt: Was passiert wenn der Leser nichts wiedererkennt? Wie funktioniert jener Text, der gerade darauf baut?"

Magazinrundschau vom 01.03.2016 - Nepszabadsag

Für den ungarischen Sozialpsychologen und Schriftsteller Péter Hunčík aus Bratislava steht die scheinbar erstarkte Kooperationsbereitschaft der Visegrád-Länder (Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn) auf tönernen Füßen, denn das Pochen auf nationalstaatliche Lösungen gegen Brüssel werde die alten Konfliktlinien zwischen den vier Staaten erneut zu Tage fördern. "Wie gelangen wir von Versailles zu den Visegrád-Ländern? Ziel der Pariser Verhandlungen war die Schaffung von Nationalstaaten. Doch die Rivalität von Nationalstaaten führte zu Hass, Hass führte erneut zum Krieg. Danach kam die lange sowjetische Dominanz, die das Problem mit dem Homo Sovieticus lösen wollte. Schließlich kam 1989. Seitens der EU hieß es: Erstens: Die Grenzen sind unantastbar! Zweitens: Ihr könnt einander sowieso nicht besiegen! Drittens: Versucht miteinander zu kooperieren! Miteinander kooperieren, aber gegen wen? 1991 gab es keinen gemeinsamen Gegner, es ging etwas befremdlich um ein gemeinsames Ziel. Von Empathie und Solidarität konnte jedoch keine Rede sein, denn die Visegrád-Länder verachteten sich gegenseitig. Lediglich die Ankunft der Flüchtlinge in der Region brachte ihr wahres Ich hervor. (...) Und so führt ein gerader Weg erneut nach Versailles. Da wird wieder alles gut werden. Nur die verfluchten Slowaken (und Tschechen und Polen) sollen endlich begreifen, dass zuerst die ungarische Wahrheit zählt!"

Magazinrundschau vom 16.02.2016 - Nepszabadsag

Der in Novi Sad lebende ungarische Schriftsteller László Végel liefert immer wieder detaillierte Zustandsbeschreibungen der ungarischen Minderheit in Serbien. Heute warnt er vor der anhaltenden Abwanderung qualifizierter junger Ungarn nach Westeuropa, was zur kulturellen Verarmung in Serbien führen könne: "Seit der Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft (für Auslandsungarn in Ungarn - d. Red.) ... verlassen immer mehr Jüngere und Fachkräfte, nun mit einem Schengen-Pass ausgestattet, massenweise Serbien - jedoch nicht mehr Richtung Ungarn, sondern Richtung Westeuropa. Der entscheidende Grund für die Ausreise sind nicht mehr Verfolgung oder die fehlenden Minderheitenrechte, sondern Perspektivlosigkeit. Dies ist irritierend für die Eliten der ungarischen Minderheit. Sie müssten sich ändern, doch sie wissen nicht in welche Richtung."

Magazinrundschau vom 05.01.2016 - Nepszabadsag

Der im serbischen Novi Sad lebende ungarische Schriftsteller László Végel verbrachte die Zeit um den Jahreswechsel in Budapest. Er beschreibt die spürbar schwindende Offenheit gegenüber Fremden, so auch gegenüber Minderheitenungarn auf und sucht nach möglichen Erklärungen jenseits der Flüchtlingskrise: "Ein Ungar, der in einem der umliegenden Staaten lebt, muss gleichzeitig an mindestens zwei Welten teilnehmen, zweierlei Erfahrungen vereinen. Dadurch entsteht etwas Neues, was als ungarisches Anderssein bezeichnet werden kann. Doch genau die emphatisch verfochtene Idee eines homogenen Magyarentums kann dieses Anderssein nicht verkraften! (…) Wie kann jemand die europäischen Verschiedenheiten, jedoch nicht die Verschiedenheiten der Minderheiten anerkennen? Die erste Stufe der Erkennung und Anerkennung des Andersseins liegt nicht in Berlin oder in Paris, sondern in Novi Sad, Klausenburg und Bratislava. Diese Punkte zu umgehen, ist ein mindestens so großer Fehler, wie darin stecken zu bleiben."

Magazinrundschau vom 08.12.2015 - Nepszabadsag

Zeitgenössische Literatur spielt im Schulunterricht in Ungarn keine besondere Rolle. Das verhindert jede fruchtbare Korrespondenz zwischen zeitgenössischer Literatur, Populärkultur und kanonisierten Werken, was gerade letzteren alles Leben raubt, fürchtet Népszabadság: "Will man die Liebe zur Literatur fördern, muss man sich mit zeitgenössischer Literatur ebenso beschäftigen wie mit Populärkultur. Nur so eröffnen sich Wege der Selbst- und Welterkenntnis, nur so können spannende Dialoge mit der klassischen, kanonisierten Literatur entstehen. (…) Weil jedoch die meisten zeitgenössischen Autoren komplizierte Gedankenkonstrukte und eine außerordentlich verfeinerte Sprache verwenden und die Andeutungen und ständige Reflexionen auf eigene und andere Werke eine permanente Anstrengung vom Leser verlangen, ist ihr Unterrichten schwierig. (…) Umgekehrt kann die junge Slampoetry als herausforderndes Beispiel für Zeitgenossenschaft stehen. Sie ist organischer Bestandteil des Lebens und der Kunstauffassung der Schüler. Einen Esterházy verstehen die heutigen (jungen Generationen) weniger als noch vor einem Jahrzehnt, denn die Entfernung zwischen Populärkunst und Hochkultur nimmt rasant zu."

Péter Esterházy nahm das erste Mal nach der Bekanntgabe seiner schweren Krankheit an einer Lesung teil. Der sichtlich mitgenommene Schriftsteller reagierte auf die Zeile bezüglich der Verständlichkeit seiner Texte im Bericht von Károly Kelen in derselben Wochenendausgabe: "Ja, ich verstehe, dass für das Verstehen der in meinen Büchern auftauchenden Verweise eine ältere Bildung nötig ist. Gleichzeitig hat das Verstehen ja Ebenen und es gibt auch immer wieder Geschichten in meinen Schriften, nur erscheinen sie halt anders. Es ist komliziert dies zu greifen, doch es ist tatsächlich möglich, dass ich früher leichter verstanden wurde."