In aller Ausführlichkeit
spricht Jesse Baron mit dem
Schriftsteller Karl Ove Knausgaard über dessen sehr akribische, Proust'sche Art und Weise, sein persönliches Umfeld und seine Erinnerungen zu literarisieren. Sehr schön sind seine Überlegungen über den Zusammenhang von
Welt und Sprache, die er bei einer konzentrierten Lektüre des Alten Testaments entdeckte: "Alles darin ist gegenständlich, nichts abstrakt. Gott ist gegenständlich, auch die Engel und alles andere hat mit Körpern in Bewegung zu tun, was sie sagen und tun, nie, was sie denken. ... Im sechsten Band von 'Min Kamp' schreibe ich auf vierhundert Seiten über
Hitlers 'Mein Kampf'. Hitler verbrachte ein Jahr ohne einen anderen Menschen zu sehen, er saß nur in seinem Zimmer und las. Wenn er das Zimmer verließ, ließ er keinen an sich heran und so blieb er, ungebrochen, für den Rest seines Lebens. Bezeichnenderweise gibt es in seinem Buch ein 'Ich', ein 'Wir', aber kein 'Du'. Und während ich über Hitler schrieb, massakrierte ein junger Norweger, der zwei Jahre ganz für sich alleine war und ein Manifest mit einem starken 'Ich', aber ebenso ohne ein 'Du, geschrieben hat, auf einer Insel
69 Kinder. ... Die Lücke zwischen der Sprache und der Welt, die Betonung der materiellen Aspekte der Welt und wie Hitler 'Mein Kampf' schrieb, brachten mich zu
Paul Celan, weil die Sprache, in der er schrieb, von den Nazis zerstört wurde. ... Mit einem Mal repräsentierte keines dieser Wörter mehr etwas Allgemeines, das ein 'Wir' implizieren würde, da das 'Wir' in dieser Sprache nicht mehr sein 'Wir' war. Deshalb ist sein letztes Poem über die Shoah ein Gedicht, in dem jedes Wort zum ersten Mal geschaffen zu sein scheint, komplett einzigartig, da das 'Wir' verloren ist, aus einem Abgrund geschöpft, einer Nichtsheit. Und darin wird etwas anderes als die Geschichte sichtbar, namentlich das
Äußere der Sprache, das sich tatsächlich nicht denken lässt, denn Gedanken sind Sprache, und doch ist es gegenwärtig, noch immer da. Es handelt sich um die Welt, jenseits unseres Zugriffs, und um den Tod." Außerdem weist Baron auf
diesen Essay über Knausgaards Werk hin.
Pedro Almodóvar bietet in einem Text über
Komik Einblick in die Inszenierung seiner eigenen Komödien und stellt außerdem die von ihm bewunderte "
Mediterrane Schule" des Schauspiels vor: "Was in der Mediterranen Schule dominiert ist die
Leidenschaft der Figuren, ihre Sinnlichkeit und Offenheit, als ob die Figuren sich selbst oder die anderen nicht respektieren. Diese Qualität passt sehr gut zu Komödien. Die Frauen und Männer sind aus Fleich und Blut, sie haben sich nicht die Haare extra richten lassen, sie rufen viel und laut und verlieren die Kontrolle. Es wirkt so, als würden sie einander verschlingen, auch wenn im Nachhinein alles so aufgelöst wird, wie es sich gehört -
im Bett. Sie sind weniger elegant als die Engländer, aber dafür
sexier. Diese Bodenständigkeit und Realitätsverhaftung ermöglicht es der Mediterranen Schule die sozialen Probleme mit viel Humor anzusprechen und sich über die Begrenztheiten des Lebens - oder dessen Tragödien, je nachdem, in welcher Zeit wir sind - zu amüsieren, um damit Licht und Gelächter durch die Schwärze scheinen zu lassen. Ein Meister, nicht festlegbar und einzigartig, der mit den größten lokalen Exponenten dieser Art des Schauspiels gearbeitet hat, war
Luis García Berlanga."