Magazinrundschau - Archiv

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54 Presseschau-Absätze - Seite 2 von 6

Magazinrundschau vom 05.06.2007 - Plus - Minus

Cannes-Gewinner Cristian Mungiu sagt im Interview über seinen Film "4 Monate, 3 Wochen und 2 Tage": "Er berührt die Osteuropäer sehr. Das heißt, dass unsere rumänischen Probleme so anders nicht waren, als die der Polen, Bulgaren oder Ostdeutschen. Der Kommunismus birgt viele menschliche Tragödien, über die man bis heute nicht laut spricht." Er stehe aber auch für die Wiedergeburt des rumänischen Kinos: "Wir finden langsam einen eigenen Weg. Nach dem Fall des Kommunismus waren wir zu sehr im alten Denken verfangen. Und wir wollten gleich mit allem und allen abrechnen. Es entstanden oberflächliche und schwer verdauliche Filme. Jetzt werden wir diesen Makel los."

"Israel muss das Problem der palästinensischen Flüchtlinge lösen", schreibt in einem Beitrag Amos Oz. Nur: nicht durch ein Rückkehrrecht. "Dann hätten wir nämlich zwei palästinensische Staaten und keinen jüdischen. Die Lösung des Problems liegt in unserem Interesse, denn so lange Hunderttausende in Lagern vegetieren, werden wir keinen Frieden haben. Es ist an der Zeit, unsere Mitverantwortung für diese Tragödie anzuerkennen und an der Wiederansiedlung der Flüchtlinge außerhalb der in einem Friedensvertrag festgelegten Grenzen Israels mitzuarbeiten."
Stichwörter: Oz, Amos, Rumänisches Kino

Magazinrundschau vom 13.03.2007 - Plus - Minus

Letzte Woche starb im Alter von 64 Jahren die Blues-Rock-Legende Tadeusz Nalepa. Seine Band Breakout gilt als Ausnahmeerscheinung in der Musik Nachkriegspolens und wurde auch in den übrigen Ostblockländern stark rezipiert. Für Krzysztof Maslon war Breakout wie Cream und The Doors zusammen, und Nalepa wie Eric Clapton und John Mayall. Er erinnert sich, wie er im Juli 1969 nachts von einem Konzert der Band in Zoppot zurückkam und sein Vater ihn in der Tür erwartete. "Wundersamerweise schimpfte er nicht. Er sagte nur: 'Fantastisch, nicht wahr, fantastisch'. 'Genial', bestätigte ich, 'ein geniales Konzert'. Er guckte mich an wie einen Verrückten, 'Wovon redest du? Ein Mensch ist auf dem Mond gelandet!'. Naja, für mich als 16-Jährigen war in diesem Sommer Tadeusz Nalepa wirklich wichtiger als Neil Armstrong."

Magazinrundschau vom 27.02.2007 - Plus - Minus

Zum Symbol des Kalten Krieges wurde die Berliner Mauer, aber dem kommunistischen Grenzregime zwischen der Tschechoslowakei und ihren westlichen Nachbarn fielen ebenfalls hunderte Menschen zum Opfer. Im Magazin der polnischen Rzeczpospolita lobt Maciej Ruczaj das Buch "Zelezna opona. Ceskoslovenska statni hranice od Jachymova po Bratislavu 1948-1989" ("Der Eiserne Vorhang. Die tschechoslowakische Staatgrenze von Jachymov bis Bratislava 1948-1989"). Darin wird u.a. rekonstruiert, wie das entvölkerte und streng bewachte Grenzland zu einer Art "Wilder Westen" konstruiert wurde. "Die filmische Darstellung der heroischen Grenzwächter wurde zu einem sozialistischen Western und ersetzte somit die 'bürgerlichen' Romane von Karl May, erklärt in dem Buch Jiri Stanek. Inmitten der sozialistisch-realistischen Kulturproduktion über Kraftwerke und Industriebauten war das Grenzland ein authentischer, faszinierender Stoff mit einem realen Konflikt: einerseits die Schmuggler und Agenten des Westens, andererseits die Helden - die Grenzsoldaten."

Grzegorz Dobiecki erinnert in seinem Beitrag daran, wie Frankreich seine Kollaboration im Zweiten Weltkrieg (nicht) aufgearbeitet hat, und dass der kürzlich verstorbene Maurice Papon der einzige Vertreter des Vichy-Staates war, der jemals verurteilt wurde. "Ein halbes Jahrhundert mussten die Franzosen auf diese Abrechnung warten. Als sie schließlich stattfand, hatte sie nichts von nationaler Sühne, sondern erinnerte eher an Exorzismen." Für Dobiecki kommt Frankreich mit der unbequemen Wahrheit der Kollaboration nicht zurecht. Seiner Ansicht nach war es 1995 ein mutiger Schritt Chiracs, die Mitverantwortung für die Ermordung der französischen Juden benannt zu haben.

Magazinrundschau vom 23.05.2006 - Plus - Minus

Im Magazin der konservativen Rzeczpospolita überlegt Dariusz Rosiak, warum Polen in der europäischen Politik so wenige Akzente setzen kann. Den Grund sieht er einerseits im West-Komplex: "Die polnische Öffentlichkeit ist paralysiert von dem ängstlichen Gedanken, was man im Westen über das Land denkt. Man vergleicht manisch die eigenen mit westlichen Standards und versucht diese zu erfüllen, auch wenn das niemand erwartet. Andererseits wird das Polen-Bild der westlichen Medien immer noch von Stereotypen bestimmt. Generell ist es ein wenig interessantes Land, in dem wenig passiert, also gibt es nichts zu kommentieren. Unser Image entsteht also durch komplexbeladene polnische Kommentatoren und Stereotypen, die in den westlichen, liberalen Eliten funktionieren." Keine gute Ausgangsbasis für eine selbstbewusste Außenpolitik. Was Polen brauche, sei "politische Determination, Kompetenz und ein Zugehörigkeitsgefühl, das nicht auf Opfermythen basiert, sondern auf der Überzeugung, dass es gut ist, Teil der EU zu sein."

Zum Kinostart von "The da Vinci Code" erinnert Szymon Holownia daran, dass sich schon verschiedene Menschen an pseudo-wissenschaftlichen Theorien berauscht haben - von der Theophysischen Gesellschaft im 19. Jahrhundert bis zu Erich von Däniken. "Der gelangweilte Mensch in der westlichen Welt wirft sich wie ein nach neuen Eindrücken lechzender Teenager auf alles Neue, besonders, wenn ihm versprochen wird, sich innerlich zu reinigen, Tabus zu brechen. Und zu den geheimnisvollsten Institutionen gehört bekanntlich die katholische Kirche, die wohl noch lange Material liefern wird für Autoren wie Dan Brown."

Magazinrundschau vom 16.05.2006 - Plus - Minus

In der Wochenendbeilage der Rzeczpospolita wird über Russland diskutiert. Der Historiker Richard Pipes erklärt im Interview, warum Polen gut daran tut, seine Meinung zum Beispiel zur Ostsee-Pipeline laut zu sagen, aber Russland nicht unnötig provozieren sollte - wie Verteidigungsminister Sikorski, der das Pipeline-Projekt mit dem Hitler-Stalin-Pakt verglich. Außerdem werden der russische Hang zum Autoritarismus und sein imperialer Komplex angesprochen. "Wenn ich den Russen erzähle, sie sollten einen starken Staat von innen aufbauen, statt im Ausland die Muskeln zu zeigen, halten sie mich für russophob. Das bin ich nicht - ich glaube einfach, dass Staaten sich ändern können, siehe Japan. Nur muss man es wollen, und Russland will es nicht..."

Die russische Mentalität ist auch Thema eines Gesprächs mit dem in München lebenden russischen Schriftsteller Wladimir Woinowitsch: "Im Grunde sehnen wir uns nach einem Leben im Zookäfig: die Raubtiere sind eingesperrt und wir werden regelmäßig gefüttert. Ob Putin ein guter Zoodirektor ist, werde ich nach Ablauf seiner Amtszeit sagen können."

Magazinrundschau vom 15.11.2005 - Plus - Minus

Dariusz Rosiak analysiert in der Wochenendausgabe der polnischen Rzeczpospolita den spektakulären Zusammenbruch der französischen Integrationspolitik. "Nach 15 Jahren schwelenden Konflikts wissen die Franzosen immer noch nicht - oder wollen es nicht wissen - was die Ursachen des Hasses der Immigranten gegenüber Frankreich sind. Die Gründe sind in der republikanischen Tradition und ihrer Verwirklichung in den Vororten zu suchen. Das edle Prinzip der Gleichheit aller, das unter anderem dazu führt, dass keine Statistiken über ethnische oder religiöse Minderheiten geführt werden, ist leider eine Fiktion." Für Rosiak hat noch kein europäisches Land eine effiziente Lösung für dieses Problem gefunden. Ein Problem, das bald auch Polen haben könnte: "Egal, was wir von uns selbst denken - für einen Vietnamesen, Kenianer oder Tschetschenen gehören wir zu den reichsten Ländern der Welt. Ihre Arbeit, ihre Kultur könnten eine Bereicherung sein, aber können wir sie von den Vorteilen der Integration überzeugen?"

Magazinrundschau vom 01.11.2005 - Plus - Minus

In der Wochenendausgabe der polnischen Rzeczpospolita liefern sich Klaus Bachmann und Tomasz P. Terlikowski eine Debatte über die Zukunft der Familie. Bachmann sieht das alte Modell schwinden : "In der Debatte um Homo-Ehen und Adoptionsrechte geht es nicht um das Wohl der Familie oder der Kinder, sondern um archaische Moralvorstellungen die um jeden Preis beibehalten bleiben sollen, und die somit auf eine auf Blutsverwandschaft basierende Familie setzen. Dieses traditionelle Bild ist heute teilweise Fiktion, die durch das Recht sanktioniert wird." Terlikowski entgegnet: "Die gegenwärtige Krise bedeutet nicht, und darf auch nicht bedeuten, dass die Definition von Familie und Ehe verändert werden soll. Das wirkliche Problem ist unsere Kultur, die nur das Prinzip des Strebens nach Glück anerkennt und dabei solch elementare Werte wie Pflicht und Verantwortung in Frage stellt."

Weitere Artikel: In einem Essay beklagt der Schriftsteller Pawel Huelle "die Allgegenwart der Musik, die agressive Expansion der Laute auf alle Bereiche des Lebens. Um Thomas Bernhard zu zitieren: Die Musikindustrie wird mehr Menschen auf dem Gewissen haben als Chemie und Müll." Und Zbigniew Mentzel stellt fest: Sowohl Lech Kaczynski als auch Donald Tusk haben in der Kindheit seine Lieblingsbücher geliebt - der eine "Die Abenteuer des Huck Finn" und der andere "Robinson Crusoe". "Eine ideale, symbolische Lektüre für den Präsidenten eines Transformationsstaates."

Magazinrundschau vom 25.10.2005 - Plus - Minus

Ein sehr lesenwertes Interview mit dem polnischen Dichter Adam Zagajewski bringt das Magazin der Tageszeitung Rzeczpospolita. Zagajewski erzählt, wie er 1982 nach Frankreich emigrierte, weil er nicht der "Barde der Opposition" gegen die Kommunisten werden wollte - auch wenn er ihre Ziele unterstützte. In Frankreich angekommen, stellte er dann fest, dass ihn niemand ernst nahm. "Einmal sollte ich im Radio ein Interview geben. Ich stellte mich vor: Ich bin Dichter, woraufhin die Sprecherin erwiderte: Na gut, aber was machen Sie wirklich im Leben? Ich begriff, dass man in Frankreich nicht einfach nur Poet sein kann, das reicht nicht." Sein Leben in Paris, so Zagajewski, glich "der Tragikomödie vieler Exilanten aus Osteuropa. Sie kamen nach Paris mit dem Gefühl einer großen Mission, oft als Helden, und wurden mit der Trivialität des westlichen Alltags konfrontiert: Arbeitslosigkeit, Inflation, Korruption, Modeschauen, Filmpremieren und der Ölpreis."

Magazinrundschau vom 18.10.2005 - Plus - Minus

Der Philosoph Wojciech Sadurski ist Lech Walesa dankbar, dass dieser letztens die Vereinigten Staaten von Europa als Idee wieder ins Gespräch brachte. "Es gehört Mut dazu, vor allem weil es in unserem politischen Kontext eher als Schreckensvision zitiert wird. Für die Euroskeptiker wurde die Verfassungsdebatte zum Anlass, um die ganze Integrationsidee in Frage zu stellen. Ihrer Meinung nach, sollte die EU auf einen gemeinsamen Wirtschaftsraum zurückgefahren werden - nichts mehr. Das würde aber die Grundidee - die der Solidarität, an die nicht zufällig Walesa erinnerte - negieren". Sadurski zitiert auch einen amerikanischen Publizisten: "Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die Welt eine zweite Supermacht heranwachsen sieht, deren Einfluss noch steigen wird. Der historischen Dimension des europäischen Integrationsprozesses sind wir uns oft nicht bewusst."

Tomasz Jagodzinski freut sich über den Nobelpreis für Harold Pinter, und stellt fest: endlich eine weniger kontroverse und weniger politische Entscheidung, auch wenn Pinter seine pazifistischen Überzeugungen immer offen bekannte. "Er versichert jedoch stets, dass er auch bei seinen als antiamerikanisch geltenden Äußerungen stets die US-Regierung meinte. Pinter erinnerte vor einiger Zeit daran, wie er in den Achtzigern aus Nicaragua nach Amerika kam und sich schon auf Unannehmlichkeiten bei der Einreise vorbereitete. Er hatte sich schon 'Was geht Sie das an?' als Antwort zurecht gelegt, doch die Beamtin der Einwanderungsbehöre sagte: 'Sie sind Harold Pinter? Willkommen in den Vereinigten Staaten?'."

Magazinrundschau vom 20.09.2005 - Plus - Minus

Das Magazin der Tageszeitung Rzeczpospolita erinnert an den Jahrestag des sowjetischen Überfalls auf Polen am 17. September 1939. Der Historiker Pawel Wieczorkiewicz schreibt dazu: "Hätte man in Warschau vom deutsch-sowjetischen Abkommen gewusst, hätte man gleich kapituliert. Ein Krieg hätte dann keinen Sinn gemacht". Er erinnert auch daran, dass bis März 1939 Polen vom Dritten Reich als potenzieller Verbündeter angesehen wurde, und erst die Allianz mit Großbritannien diese untergraben hat. "Die Briten und Franzosen wussten vom Hitler-Stalin-Pakt und haben Polen mutwillig ins offene Messer laufen lassen, um mehr Zeit für die eigenen Kriegsvorbereitungen zu gewinnen."

Was macht einen durchschnittlichen Literaten zu solch einem Star, fragt Grzegorz Dobiecki und meint damit den französischen Schriftsteller Michel Houellebecq, der mit seinem letzten Buch "Die Möglichkeit einer Insel" für Schlagzeilen sorgte. "Das Buch erinnert an die vorherigen Romane Houellebecqs und bringt eigentlich nichts Neues ein. Wieder geht es um die Kritik der modernen Konsumgesellschaft und wieder bedient sich der Autor einer provokativen Sprache. Er will kein Denker sein, sondern ein Romancier, ein Narrator, eine Art Candide, nur sehr pessimistisch."