Magazinrundschau - Archiv

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Magazinrundschau vom 17.07.2012 - Slate

Wie ein Krimi liest sich ein spektakulärer Fall aus den sechziger Jahren, den William McGowan schildert: Fast zehn Jahre lang wurden tausende Persönlichkeiten, darunter ranghohe Politiker, Militärs, Richter, Wissenschaftler sowie Film- und TV-Stars wegen ihrer Homosexualität erpresst. Von Strichern, die als Lockvögel fungierten, wurden sie in verfängliche Situationen verwickelt, bei denen sie dann von Gangstern, die sich als Polizisten ausgaben, ertappt wurden. Um ihre homosexuellen Neigungen geheim zu halten und ihre Ehen und Familien nicht zu belasten, zahlten sie erhebliche Schweigegelder. Das Ausmaß des Betrugs und die Dreistigkeit der angeblichen Polizisten sind verblüffend, aber geschichtlich bedeutend ist der Fall aus einem anderen Grund: "Das Bemerkenswerteste ist, wie sich Polizei und Staatsanwaltschaft über ihre eigenen Vorurteile hinwegsetzten. Es ist das erste Mal, dass die Strafverfolgung tatsächlich im Dienste drangsalierter Homosexueller gehandelt hat, anstatt sie einzusperren oder die Angelegenheit zu ignorieren."

Magazinrundschau vom 17.04.2012 - Slate

Barry C. Lynn findet es absurd, dass das amerikanische Justizministerium Apple und fünf Verlage wegen Preisabsprachen verklagt und damit indirekt Amazon stärkt: "Seit der Boston Tea Party zielten Antimonopolgesetze vor allem auf die Händler und den Schutz der Freiheit der Bürger. Eine der härtesten Lektionen, die wir in diesen zwei Jahrhunderten gelernt haben, war es, dem Sirenengesang von niedrigen Preisen zu widerstehen - eben weil sie so oft zur Machtkonzentration benutzt werden. Niedrige Preise ermöglichen horizontalen Raub. Wenn ein fett kapitalisierter Händler (wie Amazon) seine weniger reichen Konkurrenten in den Bankrott treiben will, dann unterbietet er sie einfach Tag für Tag. Mehr noch, niedrige Preise ermöglichen auch vertikalen Raub, an den Produzenten; wenn ein mächtiger Händler (wie Amazon) mehr Geld aus seinen jetzt gefesselten Zulieferern herauspressen will, kann er die Preise so setzen, dass die Firmen, die seine Bedingungen akzeptieren, belohnt werden, und die, die ablehnen, bestraft werden."
Stichwörter: Amazon, Boston, Die Räuber, Geld

Magazinrundschau vom 27.03.2012 - Slate

Noam Chomsky winkt im Interview mit Graham Lawton vom New Scientist ab: Auch die Pirahas haben eine Universalgrammatik. Das liege einfach in ihrer menschlichen Natur. Etwas Spielraum gibt es natürlich immer: "Die menschliche Natur ist nicht vollkommen festgelegt, aber evolutionäre Prozesse vollziehen sich nach vernünftigen Maßstäben schlicht zu langsam, um sie zu beeinflussen. Was beispielsweise Sprache angeht, haben wir sehr gute Belege dafür, dass es in den letzten 50.000 Jahren keine Evolution gegeben hat. Das spiegelt wider, dass unsere grundlegenden Kapazitäten sich nicht weiterentwickelt haben. Es wird also auch innerhalb eines realistischen Zeitraumes keine Veränderung der menschlichen Natur geben. Aber diese menschliche Natur beinhaltet zahlreiche Optionen und die Wahl zwischen ihnen kann sich ändern, das hat sie auch. Es gab beeindruckende Veränderungen, was wir zu tolerieren bereit sind, sogar in unserer eigenen Lebensspanne. Nehmen Sie etwas wie die Frauenrechte: Vor gar nicht so langer Zeit wurden Frauen im Grunde als Eigentum betrachtet. Das ist ein Zeichen für die Erweiterung unseres Moralverständnisses. Sicher, die menschliche Natur bleibt die gleiche, aber vieles kann sich ändern."

Magazinrundschau vom 29.11.2011 - Slate

Sam Kean hat mit großem Vergnügen Richard Rhodes' Buch "Hedy's Folly" gelesen, das eine der schönsten - und schlechtesten - Schauspielerinnen Hollywoods als Erfinderin würdigt. Hedy Lamarr erfand zusammen mit dem Komponisten George Antheil das Frequenzsprungverfahren. Das Ziel war, Torpedos per Funkfernsteuerung zu lenken. "Am Ende war Lamarrs und Antheils System zu kompliziert für die plumpen Torpedos, die die USA während des Krieges benutzten. Lamarr beförderte die Niederlage der Deutschen weit effektiver, als sie für 25 Millionen Dollar Kriegsanleihen verkaufte." Das Frequenzsprungverfahren war lange vergessen, doch heute wird es für GPS, Wi-Fi, Mobiltelefone und Bluetooth benutzt.

Magazinrundschau vom 01.03.2011 - Slate

Sonntag abend wurde David Seidler mit dem Oscar für das beste Drehbuch - "The King's Speech" - ausgezeichnet. Hat er nicht verdient, meinte Christopher Hitchens schon vor der Oscar-Verleihung. Viel zu schönfärberisch seien die britische Monarchie und Churchill gezeichnet. Nachdem Seidler sich in in der "Puffington Host, or whatever the hell it's called" (Hitchens) über die Kritik beschwert hatte, legt Hitchens jetzt noch einmal nach: Seidler verschweige, dass Churchill bis zuletzt den nazifreundlichen Edward VIII. unterstützt hatte. Und Georg VI. war ein dezidierter Freund der Appeasement-Politik Chamberlains. Nachdem er in München die Tschechoslowakei an Hitler ausgeliefert hatte, wurde er bei seiner Rückkehr nach England noch am Flughafen "von einem königlichen Gesandten abgeholt, direkt in den Buckingham Palast gebracht und auf dem Balkon ausgestellt - mit dem königlichen Segen für ein Abkommen, das noch nicht vom Parlament gebilligt worden war."

Ein betörter Simon Schama hat sich mit Helen Mirren über ihre Rolle als Prospero in Julia Teymors Verfilmung von Shakespeares "Sturm" und über ihre Arbeit mit Peter Brook unterhalten. Über letzteres sagt sie: "'Als esoterische Schauspielerin habe ich versagt. Ich war nicht von dieser Art. Letztlich gehöre ich zu keiner Gruppe - nicht zur Stanislawski-Gruppe, der Grotowski-Gruppe, der Brook-Gruppe. Ich habe kein Talent für Zurückhaltung. Brook dachte, Startum sei gefährlich, narzisstisch, geschmacklos. Oh f*** it, sagte ich. Ich will meinen Namen da oben sehen.' Shakespeare, der Schauspieler, hat zweifellos genauso gedacht, sage ich. 'Ja, aber wissen Sie, ich glaube immer noch, dass Brook das große Genie des zeitgenössischen Theaters ist. Er ist allen so weit voraus. Er tut, was undenkbar war. ... Er glaubt wirklich an gewöhnliche Menschlichkeit."

Magazinrundschau vom 18.01.2011 - Slate

Der britischen Filmindustrie geht's nicht gut, berichtet Esther Bintliff, obwohl sie eine lange und geachtete Filmtradition hat. Der Grund: Es ist nie gelungen, eine sich selbst finanzierende heimische Filmproduktion aufzubauen. Klingt vertraut für deutsche Ohren, nicht? Kann Frankreich ein Vorbild sein, dass seine heimischen Filme als Kultur hochhält und fördert? "Wenn das Ziel einfach finanzielle Unabhängigkeit ist, werden einige sagen, dann sollte die Regierung lieber aufhören, Filmproduktionen zu fördern und statt dessen versuchen, das voranzutreiben, was Großbritannien jetzt schon ziemlich erfolgreich tut: Als Service-Industrie für internationale Filmemacher bereitzustehen. Beispielhaft dafür sind Studios wie Pinewood und der starke Postproduktions-Sektor in Londons Bezirk Soho. Aber der [britische Filmproduzent] Kris Thykier meint, staatliche Unterstützung sei lebenswichtig, damit die Briten ihre Fähigkeiten erhalten. 'Wenn wir neue britische Talente heranziehen sollen, dann ist es unwahrscheinlich, dass wir dies organisch und ohne staatliche Unterstützung tun können.'"

Außerdem: Simon Doonan ruft ein hipp-hipp-hurra auf "gals currently sporting sequins, satins, and lame during the day" im allgemeinen und Alber Elbaz im besonderen.

Magazinrundschau vom 26.10.2010 - Slate

In Frankreich und in Großbritannien stehen schmerzhafte Reformen an. Die Briten reagieren, wie man es von Briten erwartet: mit stiff upper lip. Die Franzosen reagieren ganz nach Art der Franzosen: mit Revolutionsfestspielen. Wie kommt es, dass sich diese beiden Nationen verhalten wie Karikaturen ihrer selbst, fragt Anne Applebaum in Slate. Die Antwort liegt in der historischen Erfahrung der beiden Völker, meint sie: "Briten haben positive Erinnerungen an die Austerität in der Kriegszeit. Margaret Thatchers Budgetkürzungen leiteten echte Reformen und eine Periode des Wachstums ein. Die französische Neigung zu Streiks basiert ebenfalls auf echter Erfahrung. Streiks und Demonstrationen führten nicht nur 1789, sondern auch 1871, 1958 und in vielen anderen Momenten zu politischem Wandel. Die berühmten Streiks von 1968 leiteten in Frankreich echte Reformen und eine Periode des Wachstums und Wohlstands ein."
Stichwörter: Applebaum, Anne

Magazinrundschau vom 10.08.2010 - Slate

Christopher Hitchens ist kein Freund der nahe Ground Zero geplanten, 'Cordobahaus' genannten Moschee. Die Initiatoren findet er sogar höchst unangenehm. Aber wie die Gegner gegen die Moschee vorgehen, hält er für ein Paradebeispiel von Intoleranz und Unvernunft: "Es scheint direkt aus dem Handbuch muslimischer Erpressung zu entstammen. Erkläre, dass etwas 'verletzend' sei, und die Behauptung selbst wird fast schon automatisch ein Argument. Man darf dabei sogar zugeben, wie es der Chef der Anti-Defamation-League Abraham Foxman tut, dass die Gründe für die verletzten Gefühle 'irrational und bigott' sind. Aber hey, warum nachdenken, wenn man einfach fühlen kann? Die behaupteten 'Gefühle' der 9/11-Angehörigen haben uns bereits der Möglichkeit beraubt, die Live-Aufnahmen der Angriffe zu sehen - ein immenses Zugeständnis, das eine allgemeine Trübung dessen zur Folge hat, was eine nüchterne und beständige Erinnerung der genuinen Wut sein sollte."

Magazinrundschau vom 27.07.2010 - Slate

Etwas großspurig kündigt Ron Rosenbaum in Slate eine neue große Kontroverse um Nabokov an. Anlass ist ihm eine Ausgabe des großen Gedichts "Pale Fire", das vom postmodernenen Kommentarapparat, der das Gedicht im Roman gleichen Namens umgibt, befreit ist. Rosenbaums Frage hinter dem Artikel und der prächtigen Ausgabe: Wie ernst oder ironisch ist Nabokovs Gedicht eigentlich gemeint? "Vielleicht sah Nabokov 'Pale Fire' und Pale Fire zugleich als trenn- und untrennbar. Vielleicht schrieb er das Gedicht zuerst, in der Absicht, dass es um seiner selbst willen gelesen wird, und hatte dann erst die Idee, einen Roman drum herum zu bauen, um damit eine seine großartigsten Romanfiguren, Kinbote, zu schaffen..." Hier der einzige Hinweis auf die Ausgabe der Gingko Press, die auf der Website des Verlags leider nicht angezeigt wird: eine Zeichnung der Buchgestalterin Joan Holabird.

Magazinrundschau vom 18.05.2010 - Slate

Michael Young, Meinungsredakteur des Daily Star in Beirut, wünschte sich, Paul Bermans Buch über Tarik Ramadan "The Flight of the Intellectuals" würde auch von arabischen Intellektuellen gelesen, denn Ramadans Heuchelei sei auch unter diesen sehr verbreitet: "Indem Berman von Ramadan Klarstellung verlangt, fordert er im Grunde von allen Arabern und Muslimen, besonders aber von denen, die vorgeben liberal zu sein, zu klären, wo sie in den wichtigen Fragen des Nahen Osten und des Islams stehen. Es reicht nicht, sich hinter Israels Brutalität zu verstecken und den amerikanischen Imperialismus zu geißeln. Man kann nicht mit gespaltener Zunge sprechen, wenn es um Gewalt, Antisemitismus oder Brutalität gegen Frauen geht, und trotzdem von sich behaupten, humanistische Werte zu vertreten. Paul Berman wurde bisher kein Platz am Tisch so genannter Nahost-Spezialisten angeboten. Für sie liegt sein Fehler darin, Worten in einer Region glauben zu schenken, in der es heißt, die Wahrheit liege in den Nuancen. Sein Fehler ist der eines Liberalen; allein Klarheit kann zu einem wirklichen Dialog führen."