Mord und Ratschlag

Der Thrill ist hoch

Die Krimikolumne. Von Ekkehard Knörer
04.08.2004. Patrick Bomans fetter Josephat Peabody ermittelt in der britischen Kronkolonie Indien - wenn er nicht gerade Nonnen belästigt. Garry Dishers krimineller Held Wyatt legt sich mit der Mafia von Melbourne an.
Josephat Peabody geht fischen. Das auch, obwohl er es nicht ausstehen kann. Er tut aber, weiß Gott, schlimmere Dinge, von denen man die wüstesten gar nicht erzählen darf, weil man Patrick Bomans Roman damit manche nicht jugendfreie Pointe verdürbe. Peabody ist Polizist, im Auftrag der britischen Krone, in Indien, ca. 1900, seit Ewigkeiten schon. Gerade hat man ihn ans Südende der Welt versetzt, in ein kleines Fischerdorf, in dem noch ein paar andere versammelt sind, die sich durch ihr Fehlverhalten die Aussichten auf eine bessere Zukunft verbaut haben - so etwa der Hilfssteuereinnehmer Reginald Batterbury-Woods, der bessere Tage gesehen hat, aber nicht mehr sehen wird. Ganz aus mit der Zukunft ist es freilich für den Rechtsanwalt Shantidas, er wird tot aufgefunden, ermordet.

Der fette Peabody, der lieber seinen Seekriegsschmöker zu Ende lesen würde, der lieber seine Siesta hielte, der lieber hübschen Frauen nachstiege, beginnt zu ermitteln. In aller südindischen Gemächlichkeit - also liest er, Kapitel für Kapitel ist das, als Bonus-Track sozusagen mit abgedruckt, seinen Seekriegsschmöker weiter, hält viel Siesta und steigt hübschen Frauen nach. Ja, er beginnt sogar eine Nonne zu belästigen. Peabody kennt da keine Skrupel, er ist vielmehr eine bei Lichte betrachtet ganz widerwärtige Person. Im historischen südindischen Halbschatten, durch den sein Autor ihn stapfen lässt, macht er allerdings durch Gewitztheit und Seelenruhe einen - man wagt es sich kaum einzugestehen - eher gewinnenden Eindruck.

Und vor allem einen sehr lebendigen. Man kann Patrick Boman zu dieser in weiteren Bänden auftretenden Figur, einem Menschen in seinem Widerspruch, nur gratulieren. Auch zu der Art, wie gänzlich unangestrengt indische Vergangenheit vors Auge des Lesers erzählt wird, ohne alles Hantieren mit mühsam herbeirecherchiertem Historienkolorit. Und auch nur gratulieren kann man dem jungen Zebu-Verlag zu diesem Fund, mit dem er sein Programm aufs Glücklichste eröffnet. Sehr schön auch das Design der Reihe in dunkelgrau und weiß: hier kündigt sich eine wirkliche Bereicherung des deutschen Krimi-Markts an.

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Immer wieder eine Bereicherung sind natürlich auch die Bände des nicht minder kleinen Maas-Verlags, der in seinem schmalen pulp master-Programm höchst zuverlässig einen Band nach dem anderen um Garry Dishers kriminellen Helden Wyatt herausbringt. Der Australier Disher ist mit konventionelleren Werken wie "Der Drachenmann" inzwischen zu Ruhm, besserem Einkommen und - fast möchte man sagen: leider - größerer Ambition gekommen, sein Meisterstück aber bleiben die Wyatt-Bände.

Wyatt ist, obwohl Berufsverbrecher, ein weit weniger schurkischer Charakter als Patrick Bomans Kolonialpolizist Peabody. Er macht diesen Job, weil er ihn kann. Er verdient damit sein Geld und fertig. Er bemüht sich, keinen unnötigen Schaden anzurichten und behält auch und gerade dann die Nerven, wenn es um Leben und Tod geht. Was er allerdings gar nicht brauchen kann, sind Leute, die ihm ins Handwerk pfuschen, wie das Syndikat von Melbourne, das ein Kopfgeld auf ihn ausgesetzt hat. Und schon gar nicht brauchen kann er das, als die Vorbereitungen eines komplizierten Rachefeldzugs gegen den Mesic-Clan anlaufen.

Es ist also Schwerstarbeit zu leisten: Das Syndikat muss umgestimmt werden - keine einfache Sache. Wyatt sucht die Hilfe eines alten Freundes in Melbourne, gründlich mischen die beiden die Geschäfte der Mafia auf. Das Vorhaben, die Gangster von ihrem Kopfgeld abzubringen, scheint zu gelingen, aber leider geraten ein paar Unwägbarkeiten ins Spiel, die dafür sorgen, dass die Rechnung nicht so leicht aufgeht, wie erhofft. Dishers Ethos als Autor ist dabei dem seiner Figur durchaus zu vergleichen: Keine Fisimatenten. Kein überflüssiges Herumpsychologisieren, Moralisieren oder Aufpolstern durch überflüssige Nebenhandlungen. Der Job wird professionell und glaubwürdig durchgezogen, die Details stimmen, die Handlungsfäden sind straff gespannt, der Thrill ist hoch. Ein auch der kongenialen Übersetzung wegen gänzlich ungetrübter Lesegenuss für den Freund härter gestimmter Kriminalliteratur. Zwei weitere Bände sind bereits angekündigt: Her damit!


Patrick Boman: "Josephat Peabody geht fischen". Roman. Aus dem Französischen von Regina Keil-Sagawe. Zebu Verlag, Frankfurt 2004. Taschenbuch, 192 Seiten, 12,90 Euro. ()

Garry Disher: "Willkür". Ein Wyatt-Roman. Maas Verlag, Berlin 2004. Taschenbuch, 252 Seiten, 11 Euro ()
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