Szczepan Twardoch

Morphin

Roman
Cover: Morphin
Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2014
ISBN 9783871347795
Gebunden, 592 Seiten, 22,95 EUR

Klappentext

Aus dem Polnischen von Olaf Kühl. Warschau 1939: Leutnant Konstanty Willemann, vor dem Krieg ein Bonvivant und Dandy, streift durch die zerbombte, soeben noch blühende Stadt, in der die deutsche Besatzung alle Freiheit erstickt. Konstanty, väterlicherseits selbst Deutscher, betäubt sich mit Alkohol und Morphin. Doch dann schließt er sich dem Widerstand an. Getarnt mit der väterlichen Uniform und tadellos Deutsch sprechend, wagt er immer riskantere Aktionen und lernt sich bald besser kennen - als einen erschreckend anderen. Eine konspirative Reise mit der undurchschaubaren Adeligen Dzidzia führt ihn durch eine Vorhölle verwüsteter Landschaften in das noch heile Budapest. Die Fahrt wird für Konstanty zur Prüfung, ob er sich dem Untergang, der Warschau ergriffen hat und ihn selbst mitzureißen droht, noch entziehen kann.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 21.06.2014

Rezensent Jens Bisky würdigt Szczepan Twardochs nun auch auf Deutsch erschienenen Roman "Morphin" mit einer hymnischen Besprechung. Selten hat der Kritiker einen derart gewaltigen und eindringlichen zeithistorischen Roman gelesen wie diese Geschichte um den jungen Konstanty Willemann, dessen Leben mit Frau und Kind, Huren, Wein und Wodka ein schlagartiges Ende nimmt, als Warschau von den Nazis besetzt wird, er sich vom polnischen Widerstand rekrutieren lässt und nach Budapest reist. Der Rezensent taucht hier in eine Welt zwischen "Kneipe und Kopulation" ein, bewundert an Tarantino geschulte erotisch flimmernde Episoden, ist ganz hingerissen von Twardochs ebenso derb-sarkastischer wie zärtlich-eleganter Kunst der "Knalleffekte" und lobt nicht zuletzt das Talent des Autors, die expressionistische Ästhetik der Zeit einzufangen. Und dass dieses wunderbare Buch dann auch noch derart brillant von Olaf Kühn ins Deutsche übertragen wurde, stimmt den Rezensenten vollends glücklich.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 10.04.2014

Szczepan Twardoch gilt als der neue Stern am polnischen Literaturhimmel, weiß Ina Hartwig, und tatsächlich findet die Rezensentin den Roman "Morphin", mit dem er in Polen seinen Durchbruch feierte, sehr gelungen. Twardochs Protagonist Konstanty Willemann ist ein verwöhnter Mittdreißiger, der kurz nach dem Einmarsch der Deutschen durch Warschau zieht und sich gemeinsam mit der Prostituierten Salomé nach einem Morphinschuss unter die Laken verzieht, berichtet Hartwig: "Alles dreht sich ums Fressen und Saufen, um den Überfluss in der Gefahr." Unbeirrt überschreitet der Autor die "Grenze zum Drogen- und Erotikkitsch", was man ihm aber nicht übel nimmt, weil diese ekstatischen Momente nur einen kleinen Teil von Konstantys Geschichte einnehmen, erklärt die Rezensentin. Es gibt auch noch ein ödipales Verhältnis zu Mutter, einen totgeglaubten Vater aus dem alten schlesischen Adel und - besonders merkwürdig, wie Hartwig findet - eine körperlose Erzählinstanz, die Konstanty folgt und ihm kontinuierlich ihre Liebe bekundet, fasst die Rezensentin zusammen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.02.2014

Deutsch-polnische Geschichtsschreibung mal anders erlebt Friedmar Apel mit diesem dem ästhetischen Historismus frönenden Roman von Szczepan Twardoch. Für Apel faszinierend, weil es mal nicht um bewundernswerte Widerständler, Opfermitlied und Täterverurteilung geht. Stattdessen zeigt der Autor den Krieg 1939 als kontingenten Spielverderber, der dem Helden das süße Leben in Warschau und Budapest gründlich vermasselt. Twardochs expressionistische Mittel und Bilder, wie erwähnt, sind dem Rezensenten bekannt, von Döblin und Schiele, Joyce und Pitigrilli. Das Morphin gebiert laut Apel allerdings auch Weitschweifigkeit, Obskures, Pornokitsch und eine kommentierende Stimme, die ihm mitunter den Nerv raubt.
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