9punkt - Die Debattenrundschau
Gerechte Scheidung
Rundblick durch die Feuilletondebatten. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
Ideen
Politik
"Es gibt keine Alternative zum Frieden", sagt Schriftsteller Amos Oz im SZ-Interview zu Thorsten Schmitz. Es geht um die verfahrene Lage im Nahen Osten: "Wir werden nie von hier verschwinden, und die Palästinenser werden auch hier bleiben. Eine große Familie, das werden wir nicht, also müssen wir das Haus aufteilen in zwei Wohnungen. Wir werden nicht mit den Palästinensern in ein Honeymoon-Bett springen. Nach Jahrzehnten des Hasses brauchen wir erst einmal eine Scheidung, eine gerechte Scheidung."
Gesellschaft
Viel diskutiert wird im Netz über den Essay "Die potente Frau" von Svenja Flaßpöhler, der Chefedakteurin der Zeitschrift Philosophie Magazin, die Kritik an der #MeToo-Bewegung übt (mehr hier). Heide Oestreich mag ihr in der taz nicht folgen: "Sicher ist Verführung tatsächlich ein Spiel mit Macht und Manipulation, und doch hat es eine Regel: Beide müssen damit einverstanden sein. Diese Grenze zu sehen, das ist ja gerade der Lernprozess, den einige in dieser Gesellschaft offenbar noch machen müssen. Warum in aller Welt sollte man sie wieder verwischen?" Auch Margarete Stokowski kritisiert den Essay in ihrer Spiegel-online-Kolumne.
In Berlin hat das Arbeitsgericht die Klage einer Lehrerin, die mit Kopftuch unterrichten will, abgewiesen, aber der Richter Arne Boyer scheint selbst nicht an die Haltbarkeit des Urteils zu glauben, berichtet Susanne Memarnia in der taz: "'Wenn wir sagen, das Neutralitätsgesetz gilt, hatte die Senatsverwaltung keine andere Wahl, als so zu handeln', erklärte Boyer, der im anschließenden Gespräch mit der taz aber auch zu verstehen gab, dass die Rechtsauffassung seiner Kammer zum Neutralitätsgesetz mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nur schwer in Einklang zu bringen sei. Er rechne durchaus mit einer Aufhebung der Entscheidung in nächster Instanz und halte eine grundsätzliche Klärung für wünschenswert."
Medien
Die Einnahmen der öffentlich-rechtlichen Sender sind durch die neue Art der Eintreibung der Gebühren zwar gestiegen, aber die Sender sagen, sie können nicht sparen. Eigentlich müssten nun die Länder agieren, schreibt Michael Hanfeld in der FAZ: "Sie stehen sogar unter Zugzwang, ihnen läuft die Zeit davon, wollten sie die Erhöhung des Rundfunkbeitrags 2021 verhindern, müssten sie schon in den nächsten Wochen Pläne fassen. Dabei liegen die Vorstellungen der Landesregierungen über das Wie und Was des öffentlich-rechtlichen Rundfunks weit auseinander."
Die Sender waren von den Bundesländern aufgefordert worden, weitere Sparvorschläge vozulegen. Im Interview mit Joachim Huber vom Tagesspiegel äußert sich Rainer Robra, Chef der Staatskanzlei und Medienpolitiker in Sachsen-Anhalt, "konsterniert" über die schnippische Auskunft der Sender, "die kaum Spielraum erkennen lässt, doch noch in einen konstruktiven Dialog zurückzufinden".
Internet
Außerdem: In China gibt es keine Probleme mit dem Datenschutz, man hat einfach keinen. Felix Lee erzählt auf Zeit online, wie der chinesische Riesenkonzern Alibaba, der seinen Onlinedienst mit realen Geschäften kurzschließt, seine Kunden digital ausleuchtet und dabei Vorbild für den chinesischen Staat ist. Und Ming Shi erzählt, wie gut sich der bargeldlose Zahlungsverkehr in China zur Überwachung nutzen lässt und nebenbei noch ganz neue kriminelle Spielfelder eröffnet.