Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
23.06.2003. In dieser Woche lesen Sie: Wer von der "Männerkrise" profitiert. Wie Elke Heidenreich zum zweiten Mal die Bestsellerlisten aufmischt. Und wie Random House sich einen Kompromiss vorstellt. Von Hubertus Volmer

buchreport.express

Schwerpunkte des Heftes sind der Erstverkaufstag des neuen "Harry Potter" und der kontinuierliche Anstieg des Buchimports vor allem englischsprachiger Titel. Diese Entwicklung mache deutschen Verlagen zu schaffen. "Insbesondere die internationalen Bestseller werden schon vor Erscheinen der deutschen Übersetzungen im Original gekauft und schmälern damit die Umsätze der deutschen Rechteinhaber", schreibt der buchreport. Die Originalfassung des vierten "Harry Potter" wurde in Deutschland 450.000 Mal verkauft, mehr als 300.000 Exemplare des fünften Bandes "dürften nach Deutschland exportiert worden sein". - Weltweit werden in den nächsten Wochen vermutlich zehn Millionen Exemplare von "Harry Potter and the Order of the Phoenix" über die Ladentische gehen, schätzt der buchreport. Die Startauflage lag bei 13 Millionen.

Auch als Hörbuch bricht der neue "Harry Potter" alle Rekorde. Random House Audio ist mit 575.000 Exemplaren an den Start gegangen. "Zum Vergleich: Hörbücher der Bestseller von John Grisham oder Danielle Steel erreichen Spitzenauflagen von 250.000 Exemplaren." 26 Stunden und 30 Minuten dauere das Hörvergnügen; die 23 CDs kosten 75 US-Dollar.

Auch mit ihrer zweiten Sendung hat Elke Heidenreich wieder die Bestsellerlisten aufgemischt. "So hat das öffentliche Lob der TV-erfahrenen Literatin die Märchensammlung 'Idioten' von Jakob Arjouni (Diogenes) auf Platz 2 der aktuellen Spiegel-Bestsellerliste Hardcover Belletristik katapultiert. Vor der Sendung hatte das im März erschienene Buch nur Rang 34 der Bestsellerliste erreicht. Eine weitere Empfehlung in "Lesen!" hat dem Erzählband 'Sommergäste in Trouville' von Undine Gruenter (Hanser) zum Neueinstieg auf Platz 3 der Bestsellerliste verholfen. Der Lesetipp ihres Gastes Marcel Reich-Ranicki, 'Ich und Kaminski' von Daniel Kehlmann (Suhrkamp), belegt nunmehr Platz 15 im aktuellen Ranking." In einem Fall habe sich das Publikum einer Empfehlung allerdings verweigert: Die von Heidenreich gelobte Werkausgabe von Max Aub findet sich nicht auf der Bestsellerliste. "Das dürfte auch am Preis liegen: Die sechsbändige Sammlung kostet 149,90 Euro." Aubs Roman "Bittere Mandeln", den Elke Heidenreich (für den Eichborn-Verlag überraschend) als Einstieg für Aub-Anfänger empfohlen hatte, "schlägt mit 34,90 Euro zu Buch - und war allerdings schon vor der Sendung nicht lieferbar". Derweil sind Heidenreichs Empfehlungen der ersten Sendung von den Bestsellerlisten noch nicht verschwunden: "Ein alter Traum von Liebe" von Nuala O'Faolain steht auf Platz vier, "Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran" von Eric-Emmanuel Schmitt auf Platz fünf. "Doppelleben" von Tim Parks ist etwas abgefallen; das Buch steht derzeit auf Platz 20.

Die Entscheidung des Kartellamts zur Übernahme von Ullstein Heyne List durch Random House ist erneut vertagt worden. "Hintergrund des neuen Aufschubs: Die Suche nach einem Kompromiss hat begonnen. 'Wir sind in Gesprächen mit den Verfahrensbeteiligten über Möglichkeiten, die Fusion zu genehmigen', erklärt der zuständige Referent von der 6. Beschlussabteilung der Kartellbehörde." Random House hat vorgeschlagen, Ullstein Heyne List in Etappen zu übernehmen. "Die Verlage Heyne, Propyläen und Südwest sollen demnach sofort unter das Random-House-Dach kommen. Die Übernahme von Econ, Ullstein, List und Claassen soll zunächst zurückgestellt werden Die Verlage sollen vorübergehend beim Verkäufer Axel Springer AG verbleiben oder an einen Interims-Eigentümer gehen. Gleichzeitig wird Random House aber ein Gerichtsverfahren einleiten, um die Erlaubnis zur Übernahme der gesamten Ullstein-Heyne-List-Gruppe zu erstreiten." In einem Kommentar schreibt der buchreport, dieses Modell könne die Gefahr einer Marktbeherrschung "schon deswegen nicht zerstreuen, weil Heyne nach wie vor auf der Wunschliste der Bertelsmänner steht. Denn gerade dieser Taschenbuchverlag ist Stein des Anstoßes für die Gegner der Fusion gewesen."

In den USA kontrollieren zwei Buchketten 45 Prozent des Marktes: Barnes & Noble und Borders. Denselben Anteil erreichen die fünf größten US-Verlagsgruppen: Random House, HarperCollins, die Penguin Group, Simon & Schuster sowie die AOL Time Warner Book Group kommen zusammen auf einen kumulilerten Gesamtumsatz von 4,102 Milliarden Dollar oder einen Marktanteil von 45 Prozent. Dies ergab ein Ranking von Publishers Weekly, aus dem der buchreport zitiert. Ein Blick in die Bestsellerliste des US-Branchenmagazins bestätige die Dominanz der großen Gruppen: "Bei den 'Großen Fünf' sind neun der zehn erfolgreichsten Romane erschienen. Chancen haben die kleineren Mitbewerber höchstens beim Sachbuch. Sechs der zehn Top-Titel stammen nicht vom Führungsquintett."

Weitere Meldungen: Der Verwaltungsrat der Schweizer Valora AG hat Geschäftsführer Reto Hartmann entlassen; der Geschäftsführer der deutschen Valora-Tochter K-Group, Detlef Horndasch, hat das Unternehmen ebenfalls verlassen. Die K-Group betreibt in Deutschland 124 Bahnhofsbuchhandlungen. Der Eichborn-Verlag reduziert seine Titelproduktion; "Wir werden auch um betriebsbedingte Kündigungen nicht herumkommen", sagt Eichborn-Chef Matthias Kierzek. Die Klett-Gruppe prüft die ÖBV-Verlage Residenz, Deuticke und Brandstätter auf ihre Rentabilität, ein Weiterverkauf der Verlage ist nicht ausgeschlossen. Und zum "Bücherbummel auf der Kö" in Düsseldorf kamen fast 500.000 Besucher.

Hier noch einmal der Link auf die Bestsellerlisten.

Börsenblatt

Susan Sontag erhält den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Aus diesem Anlass druckt das Börsenblatt ein sehr schönes Sontag-Porträt von Andrea Köhler, das bereits im März vergangenen Jahres in der NZZ erschien. "Sontag, Susan, geborene Rosenblatt, Essayistin, Schriftstellerin, Filmemacherin, Regisseurin, Verfasserin etlicher Kritiken und einiger Theaterstücke, ist ein Superstar. Was hat man ihr nicht für Namen gegeben: 'The dark lady of American letters', 'the Paganini of criticism', 'a literary pin-up', ja, 'our Erasmus' (Carlos Fuentes). Ein Mythos sucht seine Täufer. Dass andere eine Ikone aus ihr gemacht haben (sagt sie), könne nicht ihr Problem sein (sagt sie), und eigentlich hat sie die Nase voll davon, sich ihres Rufes wegen dauernd zu rechtfertigen. Zu diesem Ruf gehört, dass sie selbst daran kräftig mitgewirkt hat; eine Meisterin der Selbstinszenierung ist sie immer gewesen - auch wenn sie jetzt gern ein wenig kokett die strenge Geistesarbeiterin spielt, die sich um ihren Leumund nicht sonderlich schert. (...) Daraus zu folgern, ihre Karriere beruhe auf ihrem Instinkt für Publicity, ihrem Riecher für die richtigen Themen und wichtigen Leute zur richtigen Zeit, gehorcht derselben (sehr amerikanischen) Logik, mit der sie jetzt jede Verantwortung für ihre Reputation von sich weist. Dabei ist Susan Sontag nur dem großen Versprechen dieser Nation gefolgt: Sie hat sich selber erfunden."

Südkorea wird Buchmesse-Gastland 2005. In diesem Jahr steht Russland im Mittelpunkt der Frankfurter Buchmesse, 2004 werden die arabischen Staaten präsentiert. "Südkoreanische Verlage zählen zu den wichtigsten Lizenznehmern für deutsche Häuser: 2001 gingen 442 Lizenzen in das ostasiatische Land - nur nach Spanien wurden mehr verkauft."

Der Eichborn-Verlag baut Stellen ab. "Wie viele der 95 Mitarbeiter gehen müssten und welche Bereiche dies besonders betreffe, sei derzeit noch unklar, sagte Finanzen-Vorstand Matthias Kierzek dieser Zeitschrift. Nur soviel: Kündigungen werde es 'in aller Kürze' geben." Auf dem Weg zurück in die Gewinnzone will der Verlag außerdem weniger Novitäten produzieren. "207 Titel sollen in diesem Jahr erscheinen, 80 weniger als 2002. Für 2004 und die folgenden Jahre sind 172 Titel angepeilt."

Der Erfolg der Bücher von Dieter Bohlen und Stefan Effenberg "lässt sich nur vor dem kulturpsychologischen Hintergrund der aktuellen Männerkrise verstehen", schreibt Stephan Grünewald vom Rheingold-Institut. Nach einer qualitativen Erhebung unter 60 Männern diagnostiziert das Institut "eine Krise der männlichen Selbstinszenierung". "Begünstigt wird die Bohlensche Gegenreformation dadurch, dass das postmoderne Schrödersche Kompromiss-Modell des "ich versuche es allen (und besonders der Doris) recht zu machen" als Erfolgsrezept abgewirtschaftet hat: Es ist zum Sinnbild für Krise und Stillstand geworden."

Benoît Pivert spricht mit Petra Kringel von der deutschsprachigen Buchhandlung Marissal in Paris. Kringel erzählt, dass sie sehr viel mehr Literatur aus Österreich verkaufe als in einer ganz normalen Buchhandlung. in Deutschland. "Jelinek ist gefragt, natürlich auch Handke. Besonders beliebt sind die österreichischen Klassiker wie Roth und Schnitzler, aber vor allen Dingen Zweig. Er ist einer der Autoren, die wir über die Jahre hinweg am meisten bestellen."

In der Reihe "Der Autor und sein Lektor" schreibt Gregor Hens über Tim Jung vom marebuchverlag. "Der Lektor ist eine Drohung. Die nötige Autorität erarbeitet er sich über ein ganzes Leben hinweg. (...) Jung ist noch nicht so lange im Geschäft. Die Kritik ist im Einzelnen noch nicht antizipierbar. Aber, lieber T.J., Adressat des Textes?, du bist, und das ist jetzt wirklich ein Kompliment, auf dem besten Weg, genau dies zu erreichen. Wirst dich irgendwann weglektorieren. Bist halt noch Jung. HaHa!"

Weitere Meldungen: Weltbild und Bertelsmann-Club bieten neuerdings günstige Telefontarife an. Die Dienstleistungstochter der Bertelsmann AG, Arvato, will im Ausland wachsen. Der Berliner Diaphanes Verlag übernimmt das Programm des Münchener Sequenzia Verlags. Die Stadt Otterndorf an der Nordsee sucht einen Stadtschreiber für 2004 und 2005. Bis Ende des Jahres bekommt Nürnberg ein Literaturhaus. 13 Prozent aller in den USA verkauften Bücher kommen aus zweiter Hand. Die University of Massachusetts hat ihrem Universitätsverlag UMass Press den Zuschuss gestrichen; die Existenz des 1963 gegründeten Verlags ist nun gefährdet. Und die Leistungsgemeinschaft Buch hat das Geschäftsjahr 2002 trotz sinkender Kosten und steigender Mitgliedszahlen mit einem Verlust von 32.046 Euro abgeschlossen.

Außerdem wirbt Karin Schmidt-Friderichs vom Hermann Schmidt Verlag dafür, Azubis in Buchhandlungen und Verlagen zu beschäftigen: "Wir bilden aus, weil wir als Unternehmen jung bleiben, indem junge Menschen mit ihren Themen und Ansichten das Team anregen, Trends mitbringen, die wir vielleicht nicht mitbekommen hätten, und weil sie wissen, wie man ihresgleichen anspricht." Arne Schäffler widmet sich den Medizinverlagen; zuletzt war diese Sparte durch die Übernahme von BertelsmannSpringer durch britische Investorengruppen aufgefallen, im Januar hatte die Elsevier-Gruppe den Verlag Urban & Fischer gekauft. Volkhard Bode erläutert, dass ein Verlag zur zweiten Heimat eines Autors werden muss, wenn Erfolge planbar werden sollen. Thomas Blume gibt einen Überblick über den großen Markt erotischer Literatur und weist auf die Berliner Spezialbuchhandlung Lustwandel hin. Nils Kahlefendt bespricht den Band "literatur.com" den Erhard Schütz und Thomas Wegmann herausgegeben haben, Klaus G. Saur lobt das Buch "Unternehmer im Nationalsozialismus. Machtkampf um den Konzern Koehler & Volckmar AG & Co." von Thomas Keiderling. Und schließlich porträtiert Henning Klüver die beiden Lexikografinnen Luisa Giacoma und Susanne Kolb, die in zehn Jahren für die Verlage Zanichelli und Klett "Pons Großwörterbuch Italienisch-Deutsch / Deutsch-Italienisch" erarbeitet haben. Das 2.434 Seiten starke Buch liegt seit wenigen Monate vor und sei "bereits zu einem Geheimtipp unter Sprachforschern, Studenten und Übersetzern" geworden.
Archiv: Börsenblatt