Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
24.03.2003. Was beim geplanten Gesetz zum Urheberrecht auf dem Spiel steht. Wie Schriftsteller in Köln behandelt werden. Warum es für die Leipziger Messe nicht einfacher wird. Und warum Buchmesse-Direktor Volker Neumann als Preistreiber am Pranger steht. Von Hubertus Volmer

Börsenblatt

Die frohe Botschaft, dass die Frankfurter Buchmesse in Frankfurt bleibt, habe vorläufigen Charakter, denn vertraglich neu geregelt sei noch gar nichts, schreibt Börsenblatt-Chefredakteur Hendrik Markgraf im Editorial. "Aber es gibt eine Vereinbarung, auf die sich Börsenverein und Messegesellschafter, die Stadt Frankfurt und das Land Hessen verständigt haben." In einem kurzen Artikel wird erläutert, dass die Buchmesse sich längerfristig an Frankfurt binden will. In weiteren Verhandlungen, so der Börsenverein, soll es vor allem um die Höhe der künftigen Mietzahlungen an die Messe GmbH gehen. Auf die Erhöhung der Standgebühren, "die die Kleinen überproportional trifft", geht das Börsenblatt nur in einem Absatz ein. (Mehr gibt es allerdings in der Online-Ausgabe.)

Im Kulturausschuss des Bundestags haben SPD und Grüne den Antrag von Union und FDP, den Paragrafen 52a aus dem geplanten Gesetz zum Urheberrecht zu streichen, abgelehnt. "Statt dessen habe der Kulturausschuss dem federführenden Rechtsausschuss empfohlen, lediglich Einschränkungen - keine Kopien ganzer Bücher, Bereichsausnahme für Schulbücher - in der Vorschrift vorzusehen", so der Börsenverein. Der Rechtsausschuss will am 2. April über das Gesetz abstimmen.

Mohr-Verleger Georg Siebeck meint, beim neuen Urheberrecht stehe "viel mehr auf dem Spiel als das Schicksal einiger deutscher Verlage". Es gehe darum, "ob wir es fertig bringen, für die entscheidende Ressource des 21. Jahrhunderts eine Rechtsordnung zu schaffen, die eine nachhaltige und qualitätsvolle Nutzung ermöglicht. (...) Die Gesellschaft des 19. Jahrhunderts brauchte ein faires Arbeitsrecht, um die Arbeitskräfte in die Industriezentren zu holen und mit der dortigen Welt zu versöhnen. Das 20. Jahrhundert brauchte ein faires Gesellschaftsrecht, um das nun breiter verteilte Vermögen produktiv einsetzen zu können. Das 21. Jahrhundert braucht ein faires Urheberrecht, um Ideen und Wissen möglichst produktiv - und von seinem Nutzen bestimmt! - zu verbreiten." Hm. Die Industrialisierung hat doch auch ohne faires Arbeitsrecht funktioniert.

Nils Kahlefendt widmet sich der "Literatur als Event". Unter anderem schreibt er über das Kölner Literaturfestival lit.Cologne: "Groß denken, sich nicht kleiner machen als nötig: Das beginnt mit den Autoren, ohne die es weder Bücher noch den wie geschmiert laufenden 'Betrieb' gäbe. In Köln nimmt man sie als Stars ernst: Sie werden rundum betreut, mit Automobilen der Oberklasse chauffiert und alle zusammen in einem Fünf-Sterne-Hotel untergebracht". Am Rande des Artikels findet sich eine Link-Liste diverser Literaturevents, darunter Leipzig liest, die Hamburger Lesetage, Klagenfurt, das Internationale Literaturfestival Leukerbad, das Erlanger Poetenfest, das Internationale Literaturfestival Berlin, der Göttinger Literaturherbst und der Leipziger literarische Herbst.

In zehn Thesen stellt Helmut von Berg, Bereichsleiter Produktion, Disposition und Einkauf bei der Verlagsgruppe Droemer Weltbild, den Buchhandel im Jahr 2007 vor. These sieben: "Industriegeschäfte werden unverzichtbarer Baustein des wirtschaftlichen Erfolgs großer Verlage. Die Verlage werden versuchen müssen, zu Autoren beziehungsweise Themen passende Partner zu finden. Geschäfte, die sich ergänzen, sind jedoch für viele traditionsbewusste Verleger 'schmutziges' Geld."

Die Verlagsgruppe Cornelsen fusioniert ihre Töchter Cornelsen und Volk und Wissen. 15 von bislang 115 Mitarbeitern von Volk und Wissen werden voraussichtlich ihren Job verlieren. Cornelsen-Geschäftsführer Fritz von Bernuth erklärt im Interview mit Volkhard Bode, der Markt in den neuen Bundesländern sei geschrumpft, "die Zahl der Schüler auf 40 Prozent des Niveaus von 1990 zurückgegangen. Wir mussten also reagieren." Cornelsen wolle die Marke Volk und Wissen "präsent halten und gezielt einsetzen". "Konkret heißt das, es wird auch in Zukunft Titel geben, die unter Volk und Wissen laufen. In den neuen Bundesländern hält der Verlag noch immer eine Sonderstellung."

Ulrich Rüdenauer erinnert an die goldene Zeit des Feuilletons - an die Zeit vor der Anzeigenflaute. "Nicht nur die Konkurrenz stachelte den Ehrgeiz an. Man hatte auch die anderen Ressorts in Sachen Deutungshoheit längst ausgestochen und träumte von einem Feuilleton, wie es in den 1920er Jahren blühte." Unter den Kürzungen seit 2001 hätten alle Ressorts zu leiden, doch "gerade im 'Luxusressort' Kultur geht die Sorge um, als schwächstes Glied in der Kette die größten Einbußen hinnehmen zu müssen". Trotz aller Hiobsbotschaften herrsche in den Redaktionen "keineswegs Untergangsstimmung, eher ein gewisser Pragmatismus. (...) Anja Seeliger vom Internet-Kulturmagazin Perlentaucher, das täglich eine kommentierte Presse- und Bücherschau liefert, hat zwar eine Reduzierung der Umfänge beobachtet, aber bisher keine inhaltliche Neuorientierung der großen Feuilletons: 'Vorher herrschte Luxus - aber dies bedeutet nicht, dass man ohne diesen Luxus keine gute Zeitung mehr machen kann.'"

Die Buchhändlerin Annelore Schellberg hat sich vor drei Jahren als "Mobile Buchhändlerin" selbstständig gemacht; mittlerweile arbeiten auch Anna Rahm und Anita Ludwig unter dieser Marke. "Vom Krankheitsfall bis zum Mutterschutz: Unverantwortliche Arbeitsüberlastung oder gar vorübergehende Geschäftsschließungen dürfte es ab sofort nicht mehr geben." Für ein Pauschalhonorar springen die "Mobilen Buchhändlerinnen" ein, wenn der Einsatz mindestens eine Woche dauert und eine Unterkunft gestellt wird.

Anja zum Hingst erläutert, wie Leseköpfe zum diesjährigen Welttag des Buches bei der Werbung für das Buch helfen sollen. "Zehn prominente Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Kultur, Medien und Politik - leidenschaftliche Bücher-Leser allesamt - lesen und diskutieren vor Publikum zur gleichen Zeit in fünf Städten. Das Thema: 'Klassik trifft Pop. Gibt es gutes und schlechtes Lesen?' (...) Obwohl die Entscheidung für diese Idee erst im Januar 2003 fiel, haben zahlreiche Lesebotschafter und Medien spontan zugesagt: Heiner Geißler, Jette Joop, Gerhard Delling, Gertrud Höhler, Friedrich Nowottny, Götz Alsmann, Nina Ruge, Hellmuth Karasek und Marcel Reif sind nach jetzigem Stand dabei." Die Veranstaltungen finden in den Universitäten in Berlin (HU), Hamburg, Frankfurt am Main, Köln und München statt.

Weitere Meldungen: Der Axel Springer Verlag schreibt schwarze Zahlen. Ernst Leonhard ist nun wieder alleiniger Eigentümer von Buch Habel; die FAZ-Gruppe hat ihren 50-prozentigen Anteil an der Buchhandlung an ihn verkauft. Auf die Expansionspläne von Habel habe der Ausstieg der FAZ keinen Einfluss, sagt Habel-Geschäftsführer Johannes Schmitt. Die Wolters Kluwer Germany Holding hat im vergangenen Jahr einen Umsatz von 150 Millionen Euro erzielt, damit leicht zugelegt und schwarze Zahlen geschrieben. Bis zu zehn Bieter haben ihr Interesse an den Buchverlagen von AOL Time Warner angemeldet. Die Mediensparte der Groupe Lagardere hat 2002 als einzige im Konzern zugelegt: Zum Gesamtumsatz von 13,2 Milliarden Euro trug Lagardere Media 8,2 Milliarden bei. Damit ist Lagardere der achtgrößte Medienkonzern der Welt. Und der Umsatz im deutschen Bahnhofsbuchhandel ist um durchschnittlich 6,6 Prozent zurückgegangen.

Außerdem zeigt Christoph Kochhan anhand der Ergebnisse der Konjunkturumfrage des Börsenvereins, dass die Buchhändler offenbar ihr Stimmungstief überwunden haben. Regine Meyer-Arlt berichtet von der CeBIT. Ute Evers schreibt über die Vorbereitungen der Internationalen Buchmesse in Havanna (die vom 30. Januar bis zum 9. Februar 2004 stattfindet), wo Deutschland Ehrengast sein wird. Doris Keller-Riehm, Lizenzchefin bei Thienemann, meint, das Lizenzgeschäft dürfe nicht mit dem Abschluss eines Vertrags beendet sein. Damit die Übersetzung ein Erfolg wird, sollte der Heimatverlag PR-Arbeit im Ausland zu einem festen Bestandteil des Lizenzmarketings machen. Christina Busse widmet sich den besonderen Hürden, die ein Biografienschreiber nehmen muss. Dabei stellt sie drei Biografien vor, die für den Deutschen Bücherpreis nominiert waren: "Frau Merian" von Dieter Kühn, "Willy Brandt" von Peter Merseburger und "Riefenstahl" von Jürgen Trimborn. Claudia Kramatschek hat mit Wilhelm Genazino gesprochen.

In einem Sonderteil geht es um E-Publishing: Jobprofile, elektronische Newsletter, Vermarktung von E-Content, Potentiale im Online-Buchhandel und den Nutzwert von Websites. Mehr zum Thema beim Arbeitskreis Elektronisches Publizieren.
Archiv: Börsenblatt

buchreport.express

Ein Resümee der Leipziger Buchmesse und der lit.Cologne gibt es erst im nächsten buchreport. In dieser Ausgabe bangt das Kölner Literaturfestival noch um die Besucherzahlen. Die Buchmesse ist optimistischer. Ihr Chef Oliver Zille erinnert an den Kosovo-Krieg: "Damals fielen Krieg und Buchmesse mit ihrem Lesemarathon 'Leipzig liest' zeitlich ebenfalls zusammen, wir haben jedoch keine Auswirkungen gespürt. Im Gegenteil: Die Messe ist 1999 zu einem Forum geworden, bei dem Aussteller, Autoren und Besucher über die Ereignisse auf dem Balkan diskutiert haben." Sorgen macht sich allerdings der Einzelhandel: Die Verbände rechnen damit, dass der Krieg im Irak zu einer noch verstärkten Kaufzurückhaltung führen wird, schreibt der buchreport. "Das müsste zwangsläufig auch den Buchhandel treffen, obwohl in den letzten Wochen das Titelangebot zu den Themen Naher Osten und USA katapultuarisch gestiegen ist." Mehr zur Kaufzurückhaltung hier und hier.

lit.Cologne und Leipziger Buchmesse fanden in diesem Jahr erstmals zeitgleich statt. "lit.Cologne-Geschäftsführer Werner Köhler kann sich durchaus vorstellen, sein Festival von einer regionalen Veranstaltung zu einem überregionalen Ereignis auszuweiten und damit der Leipziger Messe [und vor allem der Veranstaltungsreihe 'Leipzig liest'] auf die Pelle zu rücken. Es wird also nicht einfacher für die Leipziger Messe, ein klares Profil zu entwickeln und ihre Existenzberechtigung zu sichern."

Die Frankfurter Buchmesse bleibt in Frankfurt. Darauf hätten sich die Kontrahenten geeinigt, meldet der buchreport. "Wenn nichts mehr dazwischen kommt, wird also die Buchmesse auch über das Jahr 2003 hinweg bleiben, wo sie seit 1948 angesiedelt ist und zu einem Stück deutscher Nachkriegsgeschichte geworden ist. München, Köln, Berlin, Hannover und Sonstnochwer haben sich zu früh gefreut." Der neue Vertrag zwischen Messegesellschaft und der Ausstellungs- und Messegesellschaft (AuM) des Börsenvereins sei fertig, wenn auch noch nicht unterschrieben. Er soll statt bis 2007 bis 2010 laufen. Die Vermarktung soll künftig von der Messegesellschaft statt von der AuM durchgeführt werden.

Die Debatte um Frankfurt hatte Buchmesse-Direktor Volker Neumann begonnen, um gegen die hohen Preise der Frankfurter Hotels zu kämpfen. Nur steht er selbst als Preistreiber am Pranger, schreibt der buchreport: Im Vergleich zum Vorjahr seien die Standmieten für die kommende Messe um mindestens 16 Prozent, im Extremfall sogar um 270 Prozent gestiegen. "Den meisten Verlagen haben die neuen Preise zunächst die Sprache verschlagen." Das Blatt zitiert aus einem Brief von Karl-Klaus Raabe, Geschäftsführer des Lamuv Verlags und der GVA Gemeinsame Verlagsauslieferung Göttingen, an Börsenverein und AuM: "Wir werden breit mobilisieren. Wir werden nicht nur die Aussteller der Vorjahre ansprechen, sondern auch Autoren, die Presse, Politiker und natürlich die Buchhandlungen. Wir werden uns zu wehren wissen und sich uns schon jetzt sehr großer Unterstützung gewiss. (...) Die Messe will sich nun, offensichtlich ganz bewusst, ein anderes Gesicht geben, ohne die vielen kleinen, die bisher das Salz in der Suppe waren. (...) Wir können verstehen, dass Preiserhöhungen notwendig sind, wir akzeptieren aber nicht, dass gerade die Schwächsten sie tragen sollen". Kulturpolitisch sei dies ein Skandal.

Mit einem 16-seitigen Fragebogen an die Mitbewerber will das Kartellamt herausfinden, ob die Übernahme von Ullstein Heyne List durch Random House wettbewerbsrechtlich problematisch ist. "Insbesondere die Stellung der heiratswilligen Riesen auf dem Taschenbuchmarkt dürfte den Wettbewerbshütern Kopfzerbrechen bereiten. Nach Berechnung von buchreport haben sie zusammen einen Anteil von rund 38 Prozent der 44 regelmäßig Taschenbücher produzierenden Publikumsverlage".

Bei den Kinderbuchverlagen Egmont Franz Schneider und Egmont Pestalozzi werden insgesamt 50 Mitarbeiter entlassen. Der Umsatz der Egmont Holding war im vergangenen Jahr um 5,3 Prozent zurückgegangen. "In Folge der Einbrüche kamen auch die defizitären Münchener Jugendbuchverlage auf den Prüfstand. Mit dem Ergebnis: Der verlagseigene Außendienst wird zum 31. Dezember 2003 eingestellt und der Vertrieb ab 1. Januar 2004 von der zur Holding zählenden vgs verlagsgesellschaft (Köln) miterledigt."

Schneller als erwartet trennt sich die FAZ-Gruppe von Buch Habel. Nämlich rückwirkend zum 1. Januar dieses Jahres. Anfang Februar hatte der buchreport gemeldet, dass die FAZ sich erst zum Ende 2004 von ihrer Habel-Beteiligung trennen könne, da sie die Frist habe verstreichen lassen, die einen Ausstieg bis Ende 2003 ermöglicht hätte. Der 50-prozentige Anteil der FAZ geht an den Besitzer der anderen 50 Prozent, Ernst Leonhard. "Inwieweit sich das Entgegenkommen von Leonhard (...) auf den Rückkaufpreis ausgewirkt hat, will keiner der Beteiligten kommentieren. (...) Den Ausschlag für den Trennungswunsch der FAZ hatten Verluste im Kerngeschäft der überregionalen Zeitung gegeben."

Ähnlich wie etwa Weltbild bietet Amazon.de Sonderausgaben an, die entweder "exklusiv" oder billiger angeboten werden. Über den Erfolg der Aktion will Amazon nichts verraten. So hat der buchreport selbst verglichen: Das Buch "Die Glasbläserin" stand in der vergangenen Woche auf Rang 4.807 der Amazon-Verkaufsliste, die Sonderausgabe dagegen auf Rang sechs. Amazon will das Angebot "in Zukunft weiter ausbauen".

Weitere Meldungen: Die Holtzbrinck-Verlage S. Fischer und Rowohlt starten ein gemeinsames Vertriebsbüro in Hamburg. Über dieses Büro sollen Bestellannahme, Reklamationen und Fragen der Debitorenbuchhaltung laufen. Die Vertriebsabteilungen der beiden Verlage sollen aber nicht zusammengelegt werden. Die niederländische Übersetzung von "Harry Potter and the Order of the Phoenix" soll im November erscheinen. Warum der Verlag De Harmonie das Manuskript allerdings erst am 21. Juni (dem Erstverkaufstag der englischen Originalausgabe) bekommt, erklärt der buchreport leider nicht. Der erste "Astrid-Lindgren-Preis" geht an die Wiener Schriftstellerin Christine Nöstlinger und den amerikanischen Autor und Illustrator Maurice Sendak. Der mit insgesamt 540.000 Euro dotierte Preis war im vergangenen Jahr von der schwedischen Regierung gestiftet worden. eBay will verstärkt mit Buchhändlern zusammenarbeiten. Dann fast der buchreport zusammen, was für Buchhändler interessant an der jüngsten Regierungserklärung des Kanzlers sein könnte: Die Mini-Jobs werden attraktiver, der Kündigungsschutz soll reformiert werden und der Ladenschluss wird verlängert. Der amerikanische Buchhandel fühlt sich vom Handel mit dem neuen "Harry Potter" ausgesperrt, weil der Verlag Scholastic in Schulen Vorbestellungen sammelt. Und schließlich berichtet der buchreport, dass die London Book Fair eine positive Bilanz zieht.

Die Bestsellerlisten gibt es hier.