Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
16.10.2006. Wie buchreport "Focus" und das Börsenblatt "Bunte" sein wollen. Warum seit der Frankfurter Buchmesse ein Ruck durch den Buchhandel geht. Und weshalb die Branche durch die Digitalisierung der Bücherinhalte im Zugzwang ist.

Börsenblatt

Dass sich der neue Börsenblatt-Chefredakteur Torsten Casimir von der Messeausgabe viel verspricht, hat sich ein Tag nach Erscheinen des Hefts gezeigt: Mit einem separaten Brief weist Casimir die Abonnenten auf das neue Heft hin - als ob diese das Heft sonst automatisch ungelesen in den Mülleimer schmeißen würden - und regt die Leser dazu an, ihre Meinung dazu kundzutun. Will der buchreport in der Branche den Fakten-Fakten-Fakten-Ruf des "Focus" verteidigen, versucht Casimir offenbar, das Börsenblatt a la "Bunte"zu gestalten. Zwar enthält der 29-seitige Buchmesse-Teil auch umfangreichere Texte, ins Auge fallen jedoch in erster Linie die Bilder-Strecken, die an den Schluss-(Party-)Teil der "Bunten" erinnern. Das Konzept geht dabei durchaus auf, schließlich interessiert sich der gemeine Branchenblatt-Leser vermutlich in erster Linie dafür, wer in Frankfurt war - und wie derjenige inzwischen aussieht: "Quick and dirty" heißt eine Seite mit Handy-Schnappschüssen, die beispielsweise Udo Lindenberg beim Brockhaus- sowie das "Fettfingerfood" beim Dumont-Empfang zeigen. Auf einer Doppel-Seite hat der Börsenblatt-Knipser verschiedene Partygesellschaften fotografiert - darunter die Crême-de-la-Bertelsmann-Crême (Gunter Thielen, Ewald Walgenbach) beim Club-Empfang. In einer eigenen Friedenspreis-Beilage hat es die Redaktion sogar geschafft, eine stinklangweilige Veranstaltung vergleichsweise dynamisch erscheinen zu lassen.

Die vom Börsenblatt ausgewählten Themen der Messe ähneln denen von buchreport: darunter der Trend zum digitalen Publizieren - der Begriff Web 2.0 darf inzwischen nirgendwo fehlen -, der gelungene Gastlandauftritt Indiens, der Themenschwerpunkt Bildung, sowie der Lizenzhandel (mit der erschreckenden Zahl, dass seit 2000 in den USA gerade einmal 36 Übersetzungen aus dem deutschsprachigen Raum erschienen sind, hier der interessante Artikel). Im Editorial neigt Casimir einmal mehr zum feuilletonistischen Pathos, wenn er schreibt: "Ein Ruck geht, wenn schon nicht durch die Republik, so doch durch den Buchhandel."

Weitere Artikel: Die AG Verlagsvertretungen will ein neues Modell zur leistungsgerechten Vergütung von Verlagsvertretern entwickeln. Die Bild am Sonntag startet am 16. Oktober eine Fantasy-Buchreihe. Der neue MA-Filialist Cobu hat in Recklinghausen die erste Filiale eröffnet. Eckart Baier zeigt die Perspektive, im Buchhandel mit Zeitungen und Zeitschriften Geld zu verdienen. Die Buchhändlerin Anne von Bestenbostel erinnert sich im Schulaufsatz-Stil an ihre Messeerlebnisse ("...abends dann auch noch einen kleinen Cocktail. Sehr lecker!"). Unternehmensberater Jochen Wörner hilft Buchhändlern beim Kalkulieren von (nicht-preisgebundenen) Nonbook-Artikeln. Brigitte Preissler analysiert den Erfolg von historischen Romanen. Und Ulrich Rüdenauer stellt die sympathische Trägerin des Deutschen Buchpreises, Katharina Hacker vor.
Archiv: Börsenblatt

buchreport.express

Wie dem Leser etwas schmackhaft machen, was ihn möglicherweise spätestens am Messesonntag, beim Einstieg ins Taxi zum Frankfurter Hauptbahnhof, nicht mehr interessiert? Anders als das Börsenblatt, das unter dem neuen Chefredakteur Torsten Casimir besonders visuell einen Eindruck der Frankfurter Buchmesse verschaffen will, protzt buchreport textlich. Ähnlich wie im Vormesseheft rekapitulieren die Dortmunder auf 13 Seiten den Jahreshöhepunkt der Buchbranche - allerdings mit Artikeln unterschiedlicher Qualität: So bleibt der Aufmacherartikel, in dem buchreport den angeblichen Messe-Megatrend ("Branche im Zugzwang" - gemeint sind die Folgen der Digitalisierung der Bücherinhalte) analysiert, - wie so oft bei buchreport der Fall - im Ungefähren und Repetitiven. Dass "die digitale Revolution keinen Stein auf dem anderen lässt", hat sich wohl inzwischen auch in den abgelegenen Ecken der Branche herumgesprochen. Immerhin erfährt der Leser, dass 120 Verlage zugesagt haben, beim Börsenvereins-Projekt "Volltextsuche Online" mitzumachen.

Weitere Artikel zur Buchmesse widmen sich dem großen Auftritt der Nonbook-Anbieter, dem Hörbuch-Downloadmarkt (52% der Verlage machen schon mit), dem Comic-Zentrum, der Antiquariatsmesse, dem Deutschen Buchpreis, dem Wettbewerb der Frankfurter zur Londoner Messe sowie dem Lizenzgeschäft. Demnach sind die Literaturagenten zufrieden aus Frankfurt abgereist, obwohl vorwiegend kleine und mittlere Abschlüsse besiegelt wurden. Das "größte Buch" war, wie erwartet, Frankreichs Bestseller "Les Bienveillantes" von Jonathan Littell, das sich der Berlin Verlag für mindestens 300000 Euro gesichert haben soll.

Weitere Themen im Heft: Die Mayersche hat Bücher Krüger in Dortmund übernommen. Weltbild will den Test-Bücherverkauf im Lebensmittelhandel von einer auf fünf Filialen ausweiten (hier der Artikel). Herder (Umsatz 2005: 42,9 Millionen Euro) übernimmt die Dornier Gruppe (Umsatz 2005: 15,7 Millionen Euro) - der 79-jährige Verleger Silvius Dornier will sich zurückziehen. Unter dem hübschen Namen booklett bringt ein Joint Venture des Klett Lernen und Wissen Verlags sowie des Trios Ingke Brodersen, Rüdiger Dammann und Peter Mathews (alle früher bei Rowohlt) ab Herbst 2007 Bildungsbücher auf den Markt. Und hier die Bestseller.