Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
30.01.2006. In dieser Woche: Wo der ehemalige Bertelsmann-Manager Thomas Middelhoff noch besser verdiente als bei Karstadt. Und warum sich der Börsenverein mit Amazon zum Meinungsaustausch zusammensetzen will. Von Sandra Evertz

buchreport.express

Die marktführende Schweizer Buchhandelsgruppe Orell Füssli (11 Filialen) spricht sich in buchreport gegen jedwede Buchpreisbindung in der Schweiz aus. Mit ihrer Meinung gießt sie Öl ins Feuer der Debatte um feste Bücherpreise, denn der Schweizerische Buchhändler- und Verlegerverband, SBVV, kämpft für eine Preisbindung, die - wie in Deutschland und Österreich - möglicherweise per Gesetz festgeschrieben werden soll. Besonders laut wettert Orell Füssli-Geschäftsführer Fabio Amato gegen den zwischen SBVV und dem Schweizer Preisüberwacher vereinbarten schrittweisen Abbau der standardisierten Preisüberhöhung des Frankenpreises gegenüber dem Euro-Preis: Dieses System führe große wie kleine Buchhändler in die roten Zahlen.

Der neue Club Bertelsmann-Chef, Fernando Carro, führt den harten Sparkurs seines Vorgängers fort. Nach nicht mal drei Monaten im Amt speckte Carro die Geschäftsführung um zwei Mitglieder ab ("Die Mitarbeiter sollen erkennen, dass der Club nicht nur am unteren Ende spart, sondern auch an der Spitze"). Heilige Club-Kühe wie die Abnahmeverpflichtung will Carro nicht schlachten. "Die Mitglieder müssen das Gefühl haben, ohne Zwang aus einem breiten attraktiven Angebot auswählen zu können", erkärte der Spanier. Es müssten auch neue Geschäftsmodelle getestet werden, formulierte er schwammig. Welche, das wird nämlich vorerst nicht verraten.

Nach monatelanger Nachrichtenstille gibt's wieder Neuigkeiten von der "Bücherpleite 2005" und den Zanolli-Brüdern (siehe auch "Buchmacher"-Archiv). Wie buchreport aus dem Büro des Insolvenzverwalters Jörg Nerlich erfahren hat, will die Random House Verlagsgruppe per einstweiliger Verfügung verhindern, dass ihre an Zanolli gelieferten Bücher über den Rechte-Pool verkauft werden. Statt die Erlöse mit anderen Gläubigern zu teilen, versucht Random House das Aussonderungsrecht geltend zu machen und die Bestände selbst zu verwerten. Guido Zanolli ist übrigens ungeschoren davongekommen: Die Kölner Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen wegen Verdachts auf Insolvenzverschleppung "mangels Beweisen" eingestellt.

Orhan Pamuk mischt sich weiterhin politisch ein. Zum so genannten Muslimtest in Baden Württemberg sagte der Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels: "Diskriminierung der Muslime und Türken ist nach dem 11. September 2001 in der modernen Welt leider eine häufig begangene und tolerierte Sünde geworden."

Bertelsmann hat sich seinen ehemaligen Spitzen-Mann Thomas Middelhoff "deutlich mehr" als 1,2 Millionen Euro jährlich kosten lassen. Das plauderte Middelhoff überraschend vor einer Bochumer Schulklasse aus. Mit rund 1,2 Millionen Euro im Jahr muss sich der Manager für seinen aktuellen Job als Vorstandschef von KarstadtQuelle zufrieden geben.

Personalien: Andrea Wildgruber, bisher Programmleiterin Taschenbuch Belletristik für Ullstein und List, übernimmt diese Funktion zusätzlich für das Ullstein Hardcover.

Meldungen: Die Publizistin und Bestseller-Autorin Carola Stern ist 80-jährig einer kurzen schweren Krankheit erlegen. Hilary Spurling wurde für "Matisse the Master" mit dem mit 30.000 Pfund dotierten Whitbread-Literaturpreis geehrt. Die Aktivitäten des NZZ Buchverlags sind jetzt unter dem Signet NZZ Libro gebündelt. Der erste Novitätenschub des Jahres 2006 macht sich in den Spiegel Bestsellerlisten bemerkbar - in den "Top 50" der Sparte Belletristik riechen sechs Titel noch nach Druckerschwärze. Mehr.

Börsenblatt

Der wachsende Handel mit Gebrauchtbüchern versetzt die Branche in Alarmbereitschaft. Bei Amazon, als Beispiel, werden bereits weltweit und über alle Produktgruppen hinweg 30 Prozent aller Bestellungen über das so genannte Marketplace-Programm abgewickelt. Campus-Verleger Thomas Schwoerer ärgert sich im Börsenblatt-Interview darüber, dass beim Second-Hand-Handel die Autoren und Verlage leer ausgehen und sieht sogar die Buchpreisbindung in Gefahr. Der Verleger-Ausschuss im Börsenverein wolle Amazon zum Meinungsaustausch bitten, berichtet Schwoerer. Seine frommen Wünsche sind: die Entwicklung eines Modells, das Verlagen beim Gebrauchtbuch-Verkauf einen "angemessenen Anteil" der Vermittlungsgebühr sichert und eine Einflussnahme auf die Preisgestaltung.

"Dringenden Korrekturbedarf" meldet der Börsenverein zum Regierungsentwurf zur Urheberrechtsreform an. Auf Kritik des Branchenverbands stößt vor allem die vorgesehene Fassung für § 52b. Danach können Bibliotheken ihren Nutzern beliebig viele Kopien eines digitalisierten oder elektronischen Werks zur Verfügung stellen - egal, wie viele Exemplare sie im Bestand haben. Der für die Verlage Partei ergreifende Börsenverein sieht darin einen Verstoß gegen die im Grundgesetz verankerte Eigentumsgarantie. Auch die vorgesehene Neuregelung von Geräte- und Betreiberabgaben (§ 54 ff.) ist dem Verband ein Dorn im Auge. Sie sei von einem "fairen Kompromiss" weit entfernt, zitiert das Börsenblatt.

Indien ist im Oktober auf der Frankfurter Buchmesse zu Gast, aber es fehlt hierzulande noch an überlieferter Literatur. Meint der National Book Trust of India und verspricht Verlagen, die bis zur Buchmesse das Werk eines zeitgenössischen indischen Autors übersetzen lassen und veröffentlichen, Bares. Besonders gefördert werden Übersetzungen, die nicht aus dem Englischen herrühren. In Indien werde nur zu einem sehr kleinen Teil Englisch gesprochen und geschrieben, erläutert Nuzhat Hassan, Direktorin des National Book Trust. Die anderen Sprachen brächten Farbe ins Spiel. Wie reichhaltig die indische Kultur insgesamt sei, das zeige erst die Gesamtschau.

Das Bundesverfassungsgericht holt sich vom Börsenverein, vom deutschen PEN-Zentrum und Verband deutscher Schriftsteller Stellungnahmen zum Fall "Esra" (zur Erinnerung: Zwei Bekannte hatten sich in dem von Maxim Biller verfassten Roman wiedererkannt, ihre Persönlichkeitsrechte verletzt gesehen und sich durch die Instanzen geklagt). Börsenvereins-Anwältin Anne-Katrin Leenen beruft sich im Börsenblatt-Gespräch auf die Eigenschaft des Romans als Kunstwerk und das Grundrecht der Kunstfreiheit, das von den bisherigen Gerichtsinstanzen nicht hinreichend berücksichtigt worden sei. Mehr.

In gleicher Angelegenheit ist Literaturkritiker Uwe Wittstock (Die Welt) fest davon überzeugt, dass Leser Romane von Zeitungsartikeln, Fakten von Fiktion unterscheiden können. Er plädiert auf der Meinungsseite für die Literaturfreiheit.

Personalien: Johannes Thiele, seit 2005 Programmleiter des Europa Verlags in Hamburg, hat den stillgelegten Europa Verlag Wien gekauft, den er mit einem "kleinen, feinen Programm wiederbeleben" will.

Meldungen: Der Sammelauftrag der Deutschen Bibliothek Frankfurt / Main und Leipzig - bald "Deutsche Nationalbibliothek"? - wird künftig um digitale Publikationen erweitert.
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