Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
24.10.2005. In dieser Woche: Was Dieter Schormann über seinen Rücktritt als Vorsteher des Börsenvereins sagt. Und was die Sondereditionen der Zeitungen für den Buchhandel bedeuten. Von Sandra Evertz

Börsenblatt

Seinen Rücktritt zum Jahresende hatte Börsenvereinsvorsteher Dieter Schormann kurz vor der Buchmesse bekannt gegeben, um dort eine Personaldebatte - wie letztes Jahr um den Buchmessedirektor - zu vermeiden. Im Börsenblatt-Interview betonte der höchste Repräsentant des deutschen Buchhandels, sich der Brisanz seines Vorhabens, die eigene Buchhandlung zu schließen und sich von Branchenprimus Thalia anstellen zu lassen, bewusst gewesen zu sein. Mit einer "solchen Wucht an Kritik" habe er allerdings nicht gerechnet. "Die Reaktion zeigt, wie schwierig die Zeiten sind und wie groß die Ängste", sagte Schormann. Bis zur Wahl seines Nachfolgers im Mai 2006 führt der stellvertretende Verbandsvorsteher, Gottfried Honnefelder, die Geschäfte weiter.

Normalerweise knallen nach der Bekanntgabe des Literaturnobelpreisträgers in dessen Verlag die Sektkorken, dann wird nachgedruckt. Auch der Rowohlt Verlag, welcher den diesjährigen Nobelpreisträger, den englischen Dramatiker Harold Pinter (zu seiner Homepage), in deutscher Sprache verlegt, hat seinem Autor einen Auflagenschub von 100.000 Exemplaren verpasst. Das Sortiment ist freilich inzwischen mit den vier lieferbaren Pinter-Titeln eingedeckt, jedoch verhalten optimistisch, was eine lang anhaltende Resonanz betrifft (hier die Ergebnisse eines Börsenblatt-Rundrufs). In den Amazon-Verkaufscharts sind die Bücher des Literaturnobelpreisträgers 2005 bereits jenseits der "Top 100".

Der österreichische Autor Arno Geiger wurde vergangene Woche für seinen Familienroman "Es geht uns gut" (Hanser) mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet. Dass er den "besten deutschen Roman des Jahres" geschrieben haben soll, ruft auch ein mulmiges Gefühl in Geiger hervor: "Das ist für jeden Text zuviel." Ein guter Roman muss nicht makellos oder perfekt sein, aber eine neue Erkenntnis bieten, findet der frisch gekürte Preisträger und ist auch für "die Konkurrenz" voll des Lobes. "Die Vermessung der Welt", den ebenfalls nominierten Text von Daniel Kehlmann (bei Rowohlt), lobt er für seine "sehr eigene, selbstbewusste Sprache" und Friederike Mayröckers "Und ich schüttelte einen Liebling" (Suhrkamp) sei ohnehin wunderbar.

Welchen Stellenwert das Bücherlesen bei den Deutschen einnimmt, hat das Börsenblatt anhand der Studie Massenkommunikation 2005 von ARD und ZDF ermittelt. Zwar ist die tägliche Lesezeit - trotz Neuer Medien - innerhalb der letzten fünf Jahre gestiegen, Grund zum Jubeln gibt es für die Buchbranche jedoch nicht: Von insgesamt zehn Stunden Medienkonsum pro Tag, fallen fürs Lesen nur 25 Minuten ab. Im Internet gesurft wird 44 Minuten (zum Vergleich: 13 Minuten im Jahr 2000). Am liebsten sitzen die Deutschen nach wie vor vorm Fernseher - durchschnittlich drei Stunden und 40 Minuten. Mehr zur Analyse.

Am Eröffnungstag der Buchmesse ist der neu gegründete Beirat der Frankfurter Buchmesse zusammengetreten. Das international besetzte Gremium soll wichtige Impulse für die Weiterentwicklung der Messe geben, erklärte der ebenso neue Buchmessedirektor Juergen Boos dem Börsenblatt. Dem Beirat gehören unter anderem Egon Ammann (Schweiz), Maximilian Hugendubel (Deutschland), Peter Olson (Random House, USA) und Jesus Badenes (Planeta, Spanien) an.

Personalien: Maria Koettnitz, Leiterin der Zweigstelle des Reclam Verlags in Leipzig, wechselt im Januar als Verlagsleiterin Allgemeines Sachbuch zu Econ.

Weitere Meldungen: In 2006 soll das Kinderbuchprogramm Nilpferd des österreichischen NP Buchverlags beim zu NP gehörenden literarischen Residenz Verlag angesiedelt werden; von Programmleiterin Natalie Tornai, die das künstlerische Kinder- und Bilderbuchprogramm ab 2001 aufgebaut hat, trennt sich der Verlag wegen inhaltlicher Differenzen. Per Gerichtsbeschluss wurde Hans Magnus Enzensberger zur weiteren Herausgabe der Reihe "Andere Bibliothek" bei Eichborn verpflichtet (Enzensberger wollte lieber eine ähnliche Reihe für die FAZ etablieren); ab Frühjahr 2006 bis zum Vertragsende Enzensbergers im Dezember 2007 ist jetzt wieder ein lückenloses Erscheinen der Bände gesichert. Der Hörbuchverlag Steinbach sprechende Bücher und der Herder Verlag wollen zur Leipziger Buchmesse mit einem gemeinsamen Programm in den Handel gehen. Das Verlagsranking des Marktforschungsinstituts Innofact führen wiederholt Brockhaus und Rowohlt an: Die meisten Befragten kannten den Brockhaus Verlag zumindest dem Namen nach, die Frage nach einem deutschen Verlagsnamen wurde von der Mehrheit spontan mit Rowohlt beantwortet.
Archiv: Börsenblatt

buchreport.express

Zu Beginn der Frankfurter Buchmesse sah der Buchreport die Branche zwischen "Bangen und Hoffen". Zum einen vertiefe die Konzentration den Graben zwischen mittelständischen und kleinen Unternehmen gegenüber den Konzernen (dass das Kartellamt grünes Licht für den Verkauf der FAZ-Verlage DVA, Kösel und Manesse an die Bertelsmann-Buchtochter Random House gegeben hat, war nochmal ein deutliches Zeichen). Zum anderen erforderten die mit Niedrigpreisen auf den Markt drängenden Buchserien der Medienkonzerne, die zunehmende Bedeutung der elektronischen Medien und die sich verändernden Vertriebswege (Filialisten, Onlinebuchhandel, Direktgeschäft) neue Strategien.

Deutsche Kleinverleger könnten sich von ihren britischen Kollegen eine Scheibe abschneiden. Auf der Insel wird die Liste kleiner Verlage mit großen Ambitionen immer länger - genauso die Liste mit deren Erfolgen, die sich zum Beispiel an Literaturpreisen festmachen lassen. "Dass die kleinen Verlage zielgenau punkten, ist kein Zufall", glaubt der Buchreport. Mit ihren schlanken Strukturen, engagierten Teams und eklektischen Programmen hätten sich die kleinen Marktteilnehmer in Nischen etabliert und könnten schneller als die unbeweglichen Konglomerate auf Trends und Themen reagieren. Oft stünden auch erfahrene Verlagsprofis hinter den "Davids". Was sie im Konzernverbund nicht gedurft hätten, lebten sie nun auf eigene Kosten aus.

Von langer Hand plant Suhrkamp-Verlegerin Ulla Unseld-Berkewicz die Schließung einer Marktlücke. Um auf "wachsendes Interesse an Fragen der Religion und Naturwissenschaften" zu reagieren, will die Frankfurterin die Verlagslandschaft zum übernächsten Herbst, also zur Frankfurter Buchmesse 2007, um den Verlag der Weltreligionen bereichern. Daneben startet sie die interdisziplinäre Reihe "edition unseld", die laut Konzept neueste Erkenntnisse der Naturwissenschaften zu den Geistes- und Kulturwissenschaften in Beziehung setzen soll (mit der Option, auf gesellschaftliche Fragen einzugehen). Ein Teil der Marketingstrategie steht auch schon fest: Der Buchreport weiß von einer Kooperations-Verabredung mit Spiegel Online.

Die Zeitungskonzerne verschärfen mit ihren Sondereditionen den Wettbewerb untereinander und üben unvermindert Preisdruck auf die Buchbranche aus. Auf die im Weihnachtsgeschäft beginnende "Krimi-Bibliothek" des Sterns antwortet die Süddeutsche Zeitung schon im Januar mit der "Süddeutsche Kriminal-Bibliothek". Während der Stern 24 Bände zu je 6,95 Euro ins Rennen schickt (21 Lizenzen lieferte Bertelsmann und damit der eigene Konzern), nimmt die SZ sich die bewährten 50 Titel vor, 4,90 Euro pro Buch sind wahrscheinlich. Die Filmreihe "Cinemathek" der "Süddeutschen" scheint die Erwartungen der Marketingstrategen in München bestens zu erfüllen: Im Februar will man nahtlos 50 weitere Filme - unter anderem von Woody Allen, John Ford, Francis Ford Copolla und Wong Kar Wai - an die erste Reihe anschließen.

Meldungen: Den mit 7.500 Euro dotierten "aspekte-Literaturpreis 2005" hat der Münchener Autor Jens Petersen für seinen Debütroman "Die Haushälterin" (DVA) erhalten. Warner Brothers plant die Verfilmung der Lebensgeschichte Ian Flemings, geistiger Vater der "James Bond"-Figur. Die Publikumsveranstaltung "Buch!Berlin" (25. bis 27. November) wurde wegen Teilnehmermangel abgesagt. Und: keine Überraschungen auf den Bestsellerlisten.