Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
20.06.2005. In dieser Woche: Was die Pleite des Großantiquars Zanolli für die Branche bedeutet. Und welche Trends uns bei den Sachbüchern blühen. Von Sandra Evertz

buchreport.express

Das Magazin kommt nachmal auf die von ihm bereits in der letzten Woche angekündigte Insolvenz desGroßantiquars Zanolli zurück (siehe Archiv). Betroffen sind nicht nur die Zanolli-Brüder und Investor 3i, sondern auch viele Gläubiger: Druckereien, die Buchhändlerische Abrechnungsgesellschaft (der Buchreport vermutet einen Verlust von 3,5 Millionen Euro), Verlage ("Fast jeder Verlag hat mehr oder weniger regelmäßig Reste nach Köln verkauft") und Großabnehmer aus dem Buchhandel (darunter Karstadt und Kaufhof) trifft es besonders hart. Das Branchenmagazin rechnet nach der Zanolli-Pleite mit einer riesigen Flut von Billigbüchern: "Sie wird sich zusätzlich zu vorhandenen Niedrigpreisangeboten über den Markt ergießen und Absatzwege ebenso verstopfen wie die Frage nach der Preisbindung erneut ins Gespräch bringen."

Diesmal sagt der Buchreport Trends bei den Sachbuch-Novitäten voraus. "Der Boom der Biografien und Autobiografien hält auch im Herbst 2005 unvermindert an", so eine der Prognosen. Als Autoren versuchten sich zunehmend prominente Zeitgenossen, Politiker wie Helmut Kohl (Droemer) oder Helmut Schmidt (Rowohlt) und TV-Bekanntheiten wie Reinhold Beckmann (Rowohlt) oder Maybrit Illner (Diederichs). Mit Jubliäen a la Schiller und Einstein, die im Frühjahr und letzten Herbst die Kassen klingeln ließen, können die Sachbuch-Verlage in der nächsten Saison wohl nicht rechnen. Sie hoffen darauf, mit der Erklärung weltpolitischer Zusammenhänge aus wirtschaftlicher Sicht und der Analyse innerdeutscher Verhältnisse den Zeitgeist zu treffen, glaubt der Buchreport nach Durchsicht der Verlagsvorschauen.

Die Branche läuft sich im Hype um "Harry Potter" (Erscheinungstermin des Originals: 16. Juli, deutsche Ausgabe: 1. Oktober) warm. "Er wird umtanzt wie das goldene Kalb aus der Bibel. Und in seiner wahren Heilswirkung auf die Gesamtbilanz ähnlich grotesk überschätzt", schreibt Rainer Uebelhöde in seinem Kommentar, den vom deutschen Carlsen Verlag aufgrund der Startauflage erwarteten Umsatz mit "Buch und Buchhandel in Zahlen 2004" vergleichend. Den Verlagen würde er raten, sich nicht nur am Getrommel um vermeintliche Megaseller zu orientieren: "Erst ein breites Programm erzeugt dauerhafte Stabilität. Und mit einer Monokultur werden weder Buchhändler noch Leser glücklich."

Die Buchhändlertage in Berlin sind am heutigen Montag bereits vorbei. Vor der im Rahmen des Branchenstreffs stattfindenen Hauptversammlung des Börsenvereins vergangenen Freitag machte sich der Buchreport Gedanken zur zweiten Stufe der Verbandsreform. "Der Strukturwandel der Branche verläuft so schnell, dass heute beschlossene Reformen morgen schon nicht mehr wirksam seien können", gibt er zu Bedenken. Der Börsenverein stecke trotz eines rigiden Kostensenkungsprogramms wegen des Mitgliederschwunds in permanenter Finanznot. Die 2002 ausgegliederten Wirtschaftsbetriebe dürften kaum in der Lage sein, Gewinne abzuliefern, glaubt das Branchenmagazin. Darüber hinaus wollten sich die Landesverbände nicht unterbuttern lassen und es würde künftig schwieriger, Mitglieder zu ehrenamtlichen Tätigkeiten zu motivieren.

Vier Verlage - Fischer, Rowohlt, Random House und Kunstmann - haben die neuen Vergütungsregeln für Belletristik-Autoren unterzeichnet. Ein Akt, den die Bundesregierung mit "Häppchen und Hummersalat" gefeiert hat. "Die schwarzen Schafe wird es weiter geben. Aber nun haben die Autoren das Recht, eine angemessene Vergütung einzuklagen", zitiert der Buchreport Sabine Herholz, Bundesgeschäftsführerin des Verbands Deutscher Schriftsteller (VS). Herholz hofft auf eine Diskussion über Vergütungsregeln bei Sachbüchern noch vor der Frankfurter Buchmesse. Unsicherheitsfaktoren hier: die Beteiligung mehrerer Autoren an einem Buch und eine neue Bundesregierung.

Personalien: Der Reiseverlag Travel House Media hat mit Uwe Distelrath, früher Chef des mittlerweile von Mair aufgekauften DuMont Reiseverlags, einen neuen Geschäftsführer. Travel House strebt langfristig an, sich hinter Marktführer MairDuMont und CartoTravel als Nummer 3 im Reisemarkt zu etablieren.

Meldungen: Brigitte Kronauer (mehr im Perlentaucher-Archiv) erhält am 5. November den mit 40.000 Euro dotierten Georg Büchner-Preis (mehr), ihr aktuelles Buch, "Verlangen nach Musik und Gebirge", ist bei Klett-Cotta erschienen. Thriller-Autor Thomas Harris hat das Drehbuch für die Fortsetzung von "Das Schweigen der Lämmer" vorgelegt, ein Film über die Jugend des Kannibalen Hannibal Lecter. Nordrhein-Westfalens CDU und FDP haben beschlossen, dass ab 2006 die Läden werktags rund um die Uhr offen gehalten werden dürfen. Nur 0,003 Prozent aller Daten, die 2004 weltweit produziert worden sind, wurden auf Papier gedruckt, der Rest von 99,997 Prozent entstand laut Wissenschaftlern der University of California auf Bildschirmen und blieb in Speichern zurück. Stefan Austs, Claus Richters und Gabor Steingarts Interviews zum "Fall Deutschland" (Piper) sind diese Woche der höchste Neueinsteiger in der Spiegel-Bestsellerliste Sachbuch. Mehr.

Börsenblatt

Welche Folgen hat der Zanolli-Crash? wollte das Börsenblatt von Verlegern und Buchhändlern wissen.

Um die Kultur in deutschen Tageszeitungen ist es besser bestellt als angenommen. Zu diesem Schluss kommt die Hochschule für Musik und Theater Hannover. Das Feuilleton sei keineswegs dem quotenträchtigen Lifestyle oder einer Boulevardisierung erlegen, melden die Wissenschaftler nach Auswertung von 20 Jahren FAZ, SZ, Hannoversche Allgemeine Zeitung und Neue Presse Hannover. Die Zahl der Feuilletonbeiträge habe zwischen 1983 und 2003 zugenommen, ebenso der Artikelumfang. Schwerpunkt-Thema seien nach wie vor die Künste.

Hugendubel will der Konkurrenz zuvorkommen und lässt am Ersterscheinungstag von "Harry Potter VI" (siehe auch Kommentar im Buchreport) alle Filialen in Berlin und einen Großteil der Filialen in München bereits um sieben Uhr früh öffnen. Auch in anderen Großstädten sollen die Hugendubel-Buchhandlungen eher als gewohnt aufmachen - "um den erwarteten Andrang besser zu kanalisieren", lautet die Begründung im Börsenblatt. 150 Prozent mehr Internet-Vormerkungen melden die Münchener im Vergleich zu "Harry Potter V" in 2003. Könnte an einem größeren Interesse am aktuellen Buch liegen, kann aber auch von einem veränderten Buchkaufverhalten herrühren.

Das Börsenblatt weiß in Bezug auf die neuen Vergütungsregeln (siehe auch Buchreport) harte Zahlen. Demnach haben sich die deutschen Belletristik-Verlage und der VS in Verdi darauf geeinigt, dass die Autoren belletristischer Werke bei Hardcovern zehn Prozent des Nettoverkaufspreises erhalten, bei Taschenbüchern (bis zu 20.000 Exemplaren) fünf Prozent.

Die Koreaner setzen Maßstäbe. Ihren Gastauftritt auf der Frankfurter Buchmesse lassen sie sich 14 Millionen Euro kosten. "Das ist mehr als je zuvor ausgegeben wurde", erläutert das Börsenblatt. Rund 72 Verlage wollten sich beim weltgrößten Branchentreff im Herbst präsentieren. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren: Mehr als 200 Veranstaltungen sind in Planung, seit März finden Lesereisen koreanischer Autoren statt. Mit rund 50.0000 Neuerscheinungen steht Korea an siebter Stelle in der Welt.

Mit Nachahmen hat Japan seine Wirtschaftsmacht aufgebaut. Daran sollten sich die Buchmacher ein Beispiel nehmen, findet Verleger Vito von Eichborn.

Meldungen: Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt will den Satz zur Künstlersozialkasse für Verwerter von 5,8 auf 5,5 Prozent senken. 70 Prozent der über 60-Jährigen haben nach einer Studie der Gesellschaft für Konsumforschung eine besonders hohe Affinität zu kleineren Fachgeschäften, ein Trend, von dem kleine und mittlere Buchhandlungen profitieren können. Hörbuchverleger Harald Rieck hat die Jury des ersten, mit 3.000 Euro dotierten, AKEP-Awards von seiner Plattform Soforthoeren.de überzeugt, den 1.000-Euro-Sonderpreis für Ausbildungsinitiativen erhielt das Fraunhofer Institut. Auf Anregung der Robert Bosch Stiftung startet der Unionsverlag eine Türkische Bibliothek in 20 Bänden. Die vom Rat für deutsche Rechtschreibung beschlossenen Änderungen für die Getrennt- und Zusammenschreibung sind noch nicht verbindlich, sondern fallen zunächst unter eine so genannte Toleranzklausel.
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