Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
14.07.2006. Wo die Leser in Deutschland am meisten Geld für Bücher ausgeben. Warum die traditionellen verlegerischen Felle davonschwimmen. Wer wegen der Liberalisierung der Ladenschlusszeiten gewinnt und verliert. Und warum dem  Zwischenbuchhandel in Österreich und der Schweiz eine düstere Zukunft droht.

buchreport.express

Wie wird sich die Liberalisierung der Ladenschlusszeiten auf den Einzelhandel im allgemeinen und den Buchhandel im speziellen auswirken, analysiert der buchreport im Aufmacherartikel. Während die einzelhandelsbranchenübergreifenden Mutmaßungen kaum überraschend ausfallen ("längere Öffnungszeiten steigern das gemeinschaftliche Einkaufserlebnis und wirken umsatzfördernd"; Gewinner seien die Einkaufscenter, Verlierer die Klein- und Mittelstädte sowie Tankstellen und der Bahnhofshandel), zeigt die Passage über den Buchhandel interessante - und beunruhigende - Perspektiven. Bei Filialisten wie Thalia suchen die Strategen nach individuellen Lösungen je nach den "lokalen Erfordernissen". Stefan Könemann, Vorsitzender des Landesverbands NRW im Börsenverein, glaubt, dass sich die längeren Öffnungszeiten wegen höherer Personalkosten nicht rechnen werden. Osiander-Chef Heinrich Riethmüller warnt davor, dass längere Öffnungszeiten "zwangsläufig zu Lasten der Beraterqualität" gehen könnten. Skepsis und Besorgnis setzt Dussmann-Chefin Martina Tittel konkrete Zahlen gegenüber: Bis zu 30 Prozent des Tagesumsatzes erwirtschaffte das Kulturkaufhaus zwischen 19 und 22 Uhr. "Wir haben regelmäßig Mühe, die Kunden um 22 Uhr aus dem Laden zu bekommen."

Der Wettbewerb der Rackjobber, die die so genannten Nebenmärkte mit Büchersortimenten versorgen, wird schärfer. Die TMI Vertriebs GmbH (versorgt bislang u.a. Wal-Mart und Rewe mit DVDs, CDs und Software) steigt ins Büchergeschäft ein und konzipiert künftig das Bücher-Angebot für 54 Kaufland-Häuser sowie zwei Karstadt Kompakt-Filialen. Weitere Outlets sollen folgen. Platzhirsch unter den Rackjobbern ist laut buchreport Buchpartner aus Darmstadt (Umsatz 2005 nach Endverbraucherpreisen 110 Millionen Euro).

Das Project Gutenberg zieht zum 35-jährige Bestehen ein paar Tausend Gratis-Downloadsaus dem Hut: Mit der World eBook Library bietet das literarische Onlinearchiv unter der Adresse www.worldebookfair.com 350 000 elektronische Bücher (davon 1000 in Deutsch) kostenlos an.

Alarmsignale vernimmt buchreport von der Insel. Nachdem das britische Branchenblatt "The Bookseller" wegen des anhaltenden Buchhandelssterbens (seit Januar machten allein 52 Sortimente dicht) prognostizierte, dass der unabhängige Buchhandel in den kommenden 15 Jahren von der Bildfläche verschwinden werde, geht buchreport auf Ursachensuche. Besonders der verschärfte Wettbewerb mit Supermärkten und Buchhandelsketten nehme den Indies die Luft. Während die Independents im vergangenen Jahr 4 Prozent weniger Bücher verkauft haben, konnte Supermarktgigant Tesco beim Bücherabsatz zweistellig zulegen. Als Ausweg aus der Misere haben Verlage wie Random House, Penguin und Bloomsbury eine Koalition mit 58 Buchhändlern ("Independent Alliance") formiert, bei der den Indies u.a. mit besseren Konditionen unter die Arme gegriffen wird.

Weitere Artikel: Anders als der gesamte Einzelhandel, der laut HDE ein WM-Plus von 2 Milliarden Euro erwirtschaftet hat, hat die Weltmeisterschaft dem Buchhandel Umsätze entzogen - minus 1,3 Prozent vermeldet buchreport für die letzte WM-Woche. (Konterkariert werden die Zahlen dadurch, dass die meisten Anzeigen im buchreport zu Fußballbüchern geschaltet wurden). Weltbild nähert sich mit einem Umsatz von 928 Millionen Euro der 1-Milliarde-Grenze; Wachtsumstreiber sind besonders die Internettöchter (Weltbild Online, Jokers Online, buecher.de, bol.com), deren Umsatz um 28 Prozent gestiegen ist. Nach einer Studie des Euro Handelsinstituts (EHI) sind für 2007 mindestens 26 Einkaufscenter mit einer Verkaufsfläche von 600000 Quadratmetern geplant. Im Kommentar sagt Till Spielmann dem Zwischenbuchhandel in Österreich und der Schweiz eine düstere Zukunft voraus - weil die Deutschen die Auslieferung zunehmend mitübernehmen könnten. Und hier die Bestsellerlisten.

Börsenblatt

Werke in der Originalsprache zu lesen, sei so gefragt wie nie, forscht das Börsenblatt nach Trends im Geschäft mit fremdsprachiger Literatur. Die Petersen-Buchimporteure gehen davon aus, dass der Warengruppenanteil des Segments schon in wenigen Jahren den der Hörbücher übertreffen könnte (spricht das für fremdsprachige Literatur oder gegen die traditionell im Buchhandel entwicklungsgehemmten Hörbücher?). Neben den Importeuren, bilanziert das Börsenblatt, profitieren die Barsortimente und mutigen Buchhändler vom Geschäft. Rückenwind bekommen die Trendberichterstatter durch eine Umfrage unter Sortimentern. Sowohl bei Osiander in Villingen als auch in der Bücherstube M. Schoeller (Berlin) wächst das Segment - Schoeller erwirtschaftet sogar ein Drittel des Umsatzes mit internationaler Literatur.

Die Zahlendreher der Branche kommen mit der neuen Ausgabe von "Buch und Buchhandel in Zahlen" (hier zu kaufen) auf ihre Kosten, aus dem das Börsenblatt die wichtigsten Ergebnisse zusammenfasst. Demnach greifen immer mehr Leser beim Bücherkauf zum Hardcover (den Zeitungseditionen sei dank). Auch Hörbücher liegen weiter im Trend und haben einen Anteil am gesamten Belletristikmarkt von 5,9 Prozent erreicht. Im Lizenzgeschäft sind nicht mehr China und Korea die attraktivsten Abnehmerländer, sondern Polen und Tschechien - vermutlich als Folge der EU-Osterweiterung. Mit 89869 Neuerscheinungen hat die Buchbranche die Vorjahresmarke der Titelproduktion erneut getoppt. Die interessanteste Passage des Statistikteils widmet sich der Kaufkraft für Bücher, die in den Regionen um München, Frankfurt, Düsseldorf und Stuttgart "extrem hoch" ist. Fast im gesamten Osten liegt der Pro-Kopf-Index für Bücher demgegenüber unter dem Durchschnitt (204 Euro für Bücher und Schreibwaren pro Jahr und Bundesbürger); eine Ausnahme bildet Berlin, wo Infras Geodaten eine durchschnittliche Bücher-Kaufkraft gemessen hat.

Über das Audiotorium (hier das Programm - leider haben die Veranstalter die Vorträge nachträglich noch nicht ins Netz gestellt, zu lesen sind nur die 2005er Vorträge), der Konferenz der Hörbuchbranche in München, berichtet die scheidende Börsenblatt-Vizechefin Sibylle Fuhrmann. Nachdem der Hörbuchbetrieb bislang das Hörbuch als Massenmedium etablieren wollte, richte sich ihr Augenmerk inzwischen auf verschiedene Vertriebskonzepte - und dabei besonders auf die Downloadportale. Ein Top-Thema in München: das steigende Interesse an Podcasts. Alex Wunschel, selbst Podcaster im Marketingbereich (hier seine Homepage), schätzt die Zahl der Podcast-Hörer in Deutschland auf 500000. Bei der Vermittlung von Sachthemen biete sich das neue Medium auch in der Buchbranche an.

Auch Wochen nach der Bachmannpreis-Verleihung bleibt das Börsenblatt am Ball. Im Kommentar erkennt der Verleger Jochen Jung in der Gewinnerin Kathrin Passig einen "neuen Autorentyp", der unangestrengt und mit kurzem Anlauf (am Siegertext schrieb die Autorin angeblich weniger als einen Tag) in die oberste Etage des Literaturbetriebs springen konnte. "Wenn die mal gelernt haben, was man braucht, wenn man auf die lange Distanz geht - na, das kann ja heiter werden", sieht Jung abschließend die traditionellen verlegerischen Felle davonschwimmen. "Ein Wahnsinn, gell?"

Nachdem Weltbild gute Zahlen für 2005 vorgelegt hat (Umsatzplus von neun Prozent auf 1,4 Milliarden Euro) sind die Augsburger weiter auf Wachstumskurs. Im Interview mit dem Börsenblatt hält sich Weltbild-Chef Carel Halff auch Übernahmen sowie ein Eingagement auf dem Gebrauchtbuchmarkt offen.

Im "Menschen"-Ressort stehen der Erziehungsratgeber Jan-Uwe Rogge, der Einmann-Verleger Jürgen Schweier und der FAZ-Korrespondent in Madrid Paul Ingendaay, der mit dem BöBla-Fragebogen - nach zahlreichen Schnarchantworten in den vergangenen Heften - ein kleines Glanzlicht setzt. Kostprobe: Welches Buch Ingendaay gerne schreiben möchte? Eines, das traurig macht und dennnoch stärkt.

Weitere Artikel: Die TMI Vertriebs GmbH steuert als Rackhjobber auch Bücherabteilungen in Warenhäusern und Supermärkten an. Die Vorbereitung zur Umstellung der ISBN auf 13 Stellen (Headline: "Jetzt schlägt's 13") läuft nach Einschätzung der BuchIndustrie StandardAgentur zumindest bei den großen Verlagen plangemäß; bei kleineren Verlagen herrsche noch Unklarheit. Wolfgang Schneider stellt eine Auswahl an Büchern zum Benn-Jubiläum (50. Todestag) vor.
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