Dokumentation

Für einen werteorientierten Journalismus!

Offener Brief an den Deutschen Bundestag vom Autorenkreis der Bundesrepublik
23.09.2008. In einem Offenen Brief an den Bundestag kritisiert der "Autorenkreis der Bundesrepublik" die China-Berichterstattung der Deutschen Welle und fordert eine Überprüfung: "Einrichtungen wie die Deutsche Welle haben sich überraschenderweise in den letzten beiden Jahrzehnten dazu entwickelt, das strategische Vermögen kommunistischer Diktaturen notorisch zu unterschätzen." Wir dokumentieren den Brief.
(Aktualisierung vom 17. Oktober: Der Rheinische Merkur berichtet, dass nicht alle Unterzeichner dieses Offenen Briefs persönlich um ihre Unterschrift gebeten worden sind. Mehr hier. D.Red.)

Als Danhong Zhang, leitende Redakteurin des chinesischen Programms der Deutschen Welle, am 4. August 2008 im Deutschlandfunk äußerte: "Die Kommunistische Partei Chinas hat mehr als jede politische Kraft auf der Welt zur Verwirklichung des Artikels 3 der Erklärung der Menschenrechte beigetragen", zog ihr Sender die Reißleine und entband die Journalistin bis auf weiteres von der Arbeit am Mikrofon. Die Entscheidung löste binnen kurzem in China selbst scharfe Proteste unter Regimetreuen aus. So behauptete die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua, "der gemeinsame Angriff von Medien und Politikern" auf die Journalistin erinnere an Methoden der Nazizeit.
Doch die Causa Danhong Zhang taugt nicht zum ideologischen Kreuzzug, versteht sich aber auch nicht als Einzelfall. Zu klären ist die im Raum stehende Verletzung der Aufsichts- und Sorgfaltspflicht von Seiten der Deutschen Welle. Der Vorgang verweist eher auf ein manifestes Strukturproblem in der Sendeanstalt als auf die Störung einer politisch verwirrten Journalistin. Denn in Deutschland lebende chinesische Dissidenten machen seit langem auf die befremdliche Medienpolitik der China-Redaktion der DW aufmerksam, die zuletzt insbesondere durch ihre KP-nahe Berichterstattung während des Tibet-Konflikts im Frühjahr des Jahres aufgefallen war. Gerade die so ideologisch penetranten wie selektiven Beiträge der Online-Redaktion der DW haben immer wieder Anstoß erregt.
Aus diesem Grund fordert der Autorenkreis den Deutschen Bundestag auf, eine ausführliche Prüfung der Berichterstattung der China-Redaktion der Deutschen Welle, einschließlich Online, für den Zeitraum der letzten fünf Jahre durch eine unabhängige Kommission durchzuführen. Es sollte außerdem geprüft werden, ob Redakteure und Mitarbeiter der DW, die Mitglieder bzw. Kader der Kommunistischen Partei Chinas sind, sich tatsächlich als "Deutschlands Visitenkarte im Ausland" eignen, wie es die Eigenwerbung des in 30 Sprachen weltweit agierenden Senders verlautbart, der vom Bund getragen wird. Diktatorische Länder wie China wissen, dass ihre Medien für die eigenen Bürger nicht glaubwürdig sind. Aus diesem Grund sorgen sie intensiv dafür, dass wichtige Informationen via Ausland zu ihnen gelangen. Ein Re-Import diktatorischer Propaganda und damit der Verrat an der chinesischen Opposition ist jedoch ausdrücklich zu verhindern. Ansonsten wäre nicht nur die medienpolitische Tradition der Bundesrepublik diskreditiert. Unser Land würde sich auch zum Kombattanten von Regimes der Welt machen und deren kritischen Stimmen schwächen.
Eine solche Mitarbeiterprüfung sollte natürlich für alle Redaktionen gelten, die über und in totalitäre Länder einschließlich Russland berichten. Um die Glaubwürdigkeit des Senders wiederherzustellen, müsste zusätzlich bei seinen deutschen Mitarbeitern eine nochmalige Stasiüberprüfung anberaumt werden. Wir schlagen außerdem vor, dass jeder Mitarbeiter der Deutschen Welle auf einen Codex hin verpflichtet wird, der sich an Kriterien eines werteorientierten Journalismus bemisst. Zu klären wäre darüber hinaus, ob nicht ein unabhängiger, diktaturimmuner Beobachter eingesetzt wird, der Qualitätskontrollen durchführt, die dem gesetzlichen Sendeauftrag entsprechen. Einrichtungen wie die Deutsche Welle haben sich überraschenderweise in den letzten beiden Jahrzehnten dazu entwickelt, das strategische Vermögen kommunistischer Diktaturen notorisch zu unterschätzen.
In den Augen des Autorenkreises der Bundesrepublik ist der Sender Deutsche Welle im Kontext zunehmend weltweiter Verflechtung medialer Räume ein existentielles politisches Gestaltungsfeld für Freiheit, unzensierte Meinungsfindung und kulturelle Identität - ein Informationskanal, der Deutschlands Bild in der Welt in Sachen Menschenrechte und Demokratieprophylaxe maßgeblich bestimmt. Eingedenk der rabiaten Veränderungen in der globalen Medienlandschaft muss mit aller gebotenen Aufmerksamkeit verhindert werden, diesen verantwortungsvollen Raum zu verspielen.

Unterzeichnende des Offenen Briefes:

Ahrends, Martin,
Bach, Dr. Inka,
Baring, Prof. Arnulf,
Bernig, Dr. Jörg,
Broder, Henryk M.,
Cohen, Mitch,
Corino, Dr. Karl,
Domdey, Prof. Horst,
Drawert, Kurt,
Dümmel, Dr. Karsten,
Eigner, Gerd-Peter,
Erb, Roland
Faust, Siegmar,
Freydank, Dr. Ruth,
Fritz, Michael G.,
Geipel, Prof. Ines,
Gusovius, Alexander Hans,
Haus, Prof. Heinz-Uwe,
Hegewisch-Lasky, Helga,
Hilsenrath, Edgar,
Holter, Günter,
Hultenreich, Jürgen,
Kerneck, Barbara,
Kertesz, Imre,
Körner, Thomas,
Krech, Dr. Hans,
Lange, Sabine,
Lange-Müller, Katja,
Lehmann-Brauns, Dr. Uwe,
Liebermann, Doris,
Monk, Radjo,
Reiprich, Siegfried,
Rohnstock, Udo,
Rosh, Lea,
Rudolph, Dr. Ekkehart,
Sader, Dr. Jörg,
Schacht, Ulrich,
Scheer, Udo,
Schubert, Dr. h. c. Helga,
Schuller, Prof. Wolfgang,
Schumann, Thomas B.,
Seiler, Lutz,
Seligman, Rafael,
Servais, Roger David,
Soldat, Hans-Georg,
Stroppe, Lutz,
Strubel, Antje Ravic,
Templin, Wolfgang,
Tree, Stephen,
Tuckermann, Anja,
Ulrich, Helmut,
Veigel, Dr. Burkhart,
Walther, Joachim,
Westphal, Dr. Uwe,
Wintzek, Bernhard C.,
Zimmermann, Prof. Hans Dieter,
Giordano, Ralph,
Llosa, Mario Vargas
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