Spätaffäre

Loops und Klänge

Vorschläge zum Hören, Sehen, Lesen. Wochentags um 17 Uhr
06.06.2014. Das New York Magazine feiert den Schlock. Das Zeit Magazin besucht Edward Snowdens Anwälte. Alexander Kluge plaudert über den Tag, an dem Hitler Selbstmord beging. Und die Vogue interviewt den Kriegsfotografen Peter van Agtmael.

Für Sinn und Verstand

Mariam Lau besuchte fürs Zeit Magazin zwei Anwälte in New York, die, obwohl sie unterschiedlicher nicht sein könnten, gemeinsam Edward Snowden eine Rückkehr nach Hause ermöglichen sollen: Plato Cacheris und Ben Wizner, letzterer ein Anwalt der ACLU, der Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union: "Der 42-Jährige verteidigte Menschen, die in den internationalen Geheimgefängnissen der CIA im Zuge des Kriegs gegen den Terror gefoltert worden waren, wie zum Beispiel den Deutschen Khaled El-Masri. Immer wieder in den vergangenen zehn Jahren hat Wizner dabei die Erfahrung gemacht, dass seine Klagen nicht vor Gericht zugelassen wurden mit der Begründung, bei einer Verhandlung würden zu viele geheime Informationen öffentlich. Das heißt, Menschen, die im Auftrag der US-Regierung gefoltert wurden, konnten nirgendwo ihre Rechte geltend machen. Deshalb war die erste Frage, die Edward Snowden ihm noch aus seinem Fluchtort Hongkong stellte: "Hast du jetzt genug Material, um vor Gericht zu gehen?""

Im New York Magazine bricht Jody Rosen eine Lanze für den "Schlock" in der Musikgeschichte, auf Deutsch: Ramsch, Schrott, Schund, Abba, Billy Joel, Lionel Richie, Bruce Springsteen. Oder auch: "Schlock, jiddisch für billig, gebraucht, wertlos, ist, wenn schlechter Geschmack große Kunst wird, wenn Musik sämtliche aneren Werte kruder emotionaler Wirkung unterordnet. Schlock will überwältigen, die Sinne betäuben. Was sonst von der Kritik für achtenswert gehalten wird - Feinheit, Witz, Ironie, Originalität - all das hat keine Bedeutung beim Schlock. Schlock ist extravagant, grandios, sentimental und verfügt über einen unerschütterlichen Glauben an das Melodramatische, große Worte und Gesten, wie ausgeleiert sie auch sein mögen. Schlock ist "You"ll Never Walk Alone", nicht "My Funny Valentine" … Schlock ist alles ander als cool. Schlock ist der schwitzende Meat Loaf, der singt: "I Would Do Anything for Love (But I Won"t Do That)". Schlock ist Chicagos "If You Leave Me Now", ein fast vulgär schöner Song mit einer Melodie, die wogt und schimmert wie ein Seidenlaken, das auf ein Louis-XIV-Himmelbett herabsinkt … Die Geschichte aber lehrt uns, Schlock ernst zu nehmen, denn es ist Geschichte, ursprünglich. Schlock steht am Beginn der Musik, als der erste altsteinzeitliche Flötist ins Horn blies, um um eine Frau zu werben. In der Geschichte der Popmusik findet es sich im Herzschmerz des Delta blues, in den vom Tod kündenden Country-Balladen, im Gospel, in den schottischen und irischen Balladen, die den Folk befruchteten, im viktorianischen Salonliedern mit ihren frommen Müttern und Kindern, den Märtyrer-Soldaten und alten Eichenfässern in alten Häusern." Dank GEMA sind die zahlreichen verlinkten Hörbeispiele bei uns leider nicht zu haben. Dafür gibt es eine Liste mit den 150 größten Schlock-Songs aller Zeiten.

Für die Augen

Die Vogue präsentiert ein liebevolles und äußerst interessantes Videogespräch mit dem 1981 geborenen amerikanischen Kriegsfotografen Peter van Agtmael über seine Arbeit, Kriege und die Sicht und Perspektive - nicht nur durch die Linse - auf diese, sowie über Social Media und das Amerika des 21.Jahrhunderts. Sukzessive unterhält sich Alessia Glaviano über Agtmaels zu diesem Zeitpunkt druckfrisches Buch "Disco Night Sept.11", eine Chronik der amerikanischen Kriegseinsätze zwischen 2006-2013. Hier geht"s zum Video.

Neu im Konzertplayer von Arte: Ein Mitschnitt von Nils Frahms Auftritt vom 2. Juni beim Festival Villette Sonique. Der Pianist Nils Frahm zählt zu den Grenzgängern zwischen moderner Klassiker und Indie-Electronica (hier zahlreiche Musikbeispiele). Aus dem Programmtext: "Nils Frahm setzt Effektpedale, einen Synthesizer und Klavier ein, um seine Loops und Klänge zu schaffen, in die er Pausen und Unerwartetes einmischt. Die Leidenschaft des Künstlers ist die Improvisation. Bei seinen Bühnenauftritten bezieht er jeweils den Raum und dessen eigenes Klangambiente in seine musikalische Darbietung mit ein. Daher ist keines seiner Konzerte mit einem vorherigen vergleichbar." Hier das Konzert in voller Länge (93 Minuten).
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Für die Ohren

1964 entstand Stanislaw Lems Buch "Summa Technologiae", ein 650 Seiten starker Blick in die Zukunft der technisierten Zukunft (2001 erschien ein Nachfolgeband - mehr hier). Bis heute entpuppt sich das Werk als erstaunlich aktueller Stichwortgeber, wie Bernhard Jugel in einem Feature für den Bayerischen Rundfunk anschaulich unter Beweis stellt. Hier kann man die Sendung online nachhören (57 Minuten).

In der Sendereihe "radioTexte" stellt der Bayerische Rundfunk "30. April 1945", das neue Buch von Alexander Kluge, vor. Der Autor spricht über sein Buch, das ganz auf den Tag von Hitlers Selbstmord fokussiert, und liest daraus vor. Hier kann man die Sendung nachhören (30 Minuten).

Neu bei NPR: Der Mitschnitt eines Konzert des Estnischen Philharmonischen Kammerchors im Metropolitan Museum of Art in New York. Vorgetragen wird Arvo Pärts Komposition "Kanon Pokajanen" aus dem Jahr 1997. Dirigiert hat Tõnu Kaljuste. Hier zum Anhören (63 Minuten).
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