Heute in den Feuilletons

Heute in den Feuilletons

Die kommentierte Kulturpresseschau. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
28.01.2006. In der NZZ hält Dirigent Nikolaus Harnoncourt das Mozartjubiläum für einen Skandal und eine Schande. Die FR preist Martin Heckmanns Theater als den besten Espresso in der Latte-macchiato-Soße. In der Welt beschreibt die Schriftstellerin Zeruya Shalev die Macht des Todes in Israel. In der SZ vermisst Alexander Stille demokratisches Muskelgedächtnis in Italien. Die taz bringt ein Interview mit Salman Rushdie. Die FAZ beschreibt, wie türkische Vereine versuchen, Berliner Schüler um ihre Zukunft zu bringen.

NZZ, 28.01.2006

Zu Mozart passen keine Festreden, ruft der Dirigent Nikolaus Harnoncourt in der Beilage Literatur und Kunst. "Was Mozart von uns verlangt und seit mehr als zweihundert Jahren verlangt, wäre so einfach: Wir müssten ganz still und aufmerksam zuhören, und wenn wir seine wortlosen Beschwörungen und Plädoyers verstünden, dann müssten wir uns, wie schon gesagt, eigentlich eher genieren, als uns stolz zu brüsten. Jetzt bejubeln wir ihn, und das klingt fast so, als wollten wir uns selbst bejubeln. Wir haben aber überhaupt keinen Grund, auf irgendetwas stolz zu sein, was mit Mozart zusammenhängt. Schon seit damals, als er in Salzburg und in Wien lebte. Er verlangt etwas von uns mit der unerbittlichen Strenge des Genies, und wir bieten ihm unsere Jubiläen mit ihren Umwegrentabilitäten und Geschäften und lassen seine Töne zerstückelt aus allen Werbekanälen tropfen - das dürfte einfach nicht sein, das ist ein Skandal und eine Schande, wie kann man das tolerieren?"

Außerdem: Der Regisseur Peter Konwitschny spricht im Interview mit Marianne Zelger-Vogt über Mozart-Opern. Werner Hofmann rühmt Alois Riegl als den großen Emanzipator unter den Kunsthistorikern. Besprochen wird die Schau der Sammlung Bollert im Bayerischen Nationalmuseum in München.

Im Feuilleton: Zum siebzigsten Geburtstag des albanischen Schriftstellers Ismail Kadare schreibt sein kosovarischer Kollege Beqe Cufai: "Obwohl ich es mir nur ungern eingestand, der garstige Kadare bedeutete mir am meisten. Ich tröstete mich mit einer damals von vielen albanischen Intellektuellen verfochtenen These: 'Kadare mag ein großer Schriftsteller sein, aber als geistiges Vorbild taugt er nicht, weil er unsere Ideale verraten hat!' Unsere Ideale - wie absurd! Man möge mir meine damalige Naivität verzeihen. Ich stand nicht allein mit ihr."

Weiteres: Joachim Güntner berichtet von der Bedrängnis, in der sich die Verlage sehen, seit sich immer öfter die Gerichte im Streit um die "angemessene" Vergütung von Übersetzern einschalten: "Zwölf Verfahren sind anhängig, einige erstinstanzliche Urteile liegen vor. Die Verleger raufen sich die Haare." In dem auf Funktionalität angelegten Entwurf der Architektin Ursula Wilms für die Berliner Topographie des Terrors sieht Claudia Schwartz die "solide Reaktion auf ein jahrelanges Berliner Baudebakel".

Besprochen werden die Ausstellung "Urban Islam" zu Lebensentwürfen junger Muslime im Basler Museum der Kulturen und Peter Steins Inszenierung von Tschaikowskys düsterer Oper "Mazeppa" in Lyon.

FR, 28.01.2006

Wahrlich begeistert zeigt sich Peter Michalzik vom neuen Stück von Martin Heckmanns, "Die Liebe zur Leere", das im Schauspiel Frankfurt uraufgeführt wurde: "Martin Heckmanns ist der neue Sprachspieler unter Deutschlands Dramatikern. Er rückt Sätze wie Steilvorlagen in seine Stücke, stellt sie nebeneinander auf und baut daraus beängstigend schnell dramatische Hochgebirge. Das geht, weil aus der Sprache selbst kommt, was er zu Papier bringt und seinen Figuren in den Mund legt. (...) Heckmanns und Blattner sind bei ihrer dritten gemeinsamen Produktion ein großartiges Team geworden, perfekt im rasanten, zugespitzten Formalismus: 'Woher soll ich wissen, was ich denke, bevor ich höre, was ich sage?', sagt dieses Theater. Theater als Gehirnreiniger und Sprecherreger ist das, Theater mit Esprit und Schärfe. Ist es zu stark, wirst du wenigstens wach. In der allseits beliebten Latte-macchiato-Soße der beste Espresso, der in letzter Zeit serviert worden ist."

Weitere Artikel: Michael Kohler porträtiert die Stadt Essen als Vertreterin des Ruhrgebiets bei der Bewerbung um die "Kulturhauptstadt Europas". Christian Schlüter kommentiert die christliche "Liebesbotschaft" des Papstes. Martina Meister denkt in ihrer "Plat du jour"-Kolumne über die Wechseljahre nach, beziehungsweise - französischer - die Menopause.

Besprochen werden Deborah Colkers Tanzspektakel "Maracana", eine Ausstellung des Fotokünstlers Jörg Sasse im Bonner Kunstmuseum, eine Inszenierung von Jean Genets "Balkon" in Gießen, eine Aufführung von Stephan Kaegis "Mnemopark" in Frankfurt, ein Konzert von Depeche Mode in Frankfurt und ein Konzert des Ensemble Moderne mit Mozartiana zeitgenössischer Komponisten.

Welt, 28.01.2006

In der Literarischen Welt beschreibt die Autorin Zeruya Shalev, wie der weiterhin bewusstlose Ariel Sharon seiner neuen Partei Kadima zu immer besseren Umfragewerten verhilft. "In diesem Land ist die Macht des Todes stärker als die des Lebens, die des Fehlenden stärker als des Vorhandenen, und jetzt, da Sharon um sein Leben und sein Bewusstsein kämpft, bildet sich schnell das Erbe Sharons heraus, so wie das Erbe Rabins, das erst nach seinem Tod gewachsen ist und sich mit erstaunlicher Geschwindigkeit von der Person Rabins gelöst hat."

Weiteres: Und Elmar Krekeler stellt nach der Lektüre von Salman Rushdies neuem Roman "Shalimar der Narr" fest: Rushdie darf alles, weil er alles kann. Lars Brandt gibt einen Vorgeschmack auf das Buch über seinen Vater Willy.

Der Politikwissenschaftler Ralf Dahrendorf erörtert in einem Interview im Forum, warum die Liberalen in Deutschland keinen Fuß auf den Boden bekommen. "Deutschland ist gut dran, denn trotz allem, was in den letzten Jahren gesagt wurde, besteht eine kritische Umbruchsituation nicht. Wir leben in normalen Zeiten. Und die sind schlechte Zeiten für liberale Intellektuelle. Ich habe Freunde, die versuchen, die schlechten Zeiten herbeizureden, damit sie dann ihre Überzeugungen zum besten geben wollen.

Im Feuilleton erklärt der Maler Bernhard Heisig Veit Stiller sein Anliegen: "Das Einfache, das man nicht mehr gewöhnt ist, festhalten. Ein Kartoffelfeld. Malen Sie das mal. Nichts von Dynamik drin? Weit gefehlt!"

Außerdem annonciert Hanns-Georg Rodek Steven Soderberghs "Bubble", den ersten Film, der zeitgleich im Kino, Fernsehen und auf DVD herausgekommen ist, als marketingtechnische Revolution. Rainer Haubrich sieht das geplante Dokumentationszentrum "Topographie des Terrors" mit der Entscheidung für den Entwurf von Heinle, Wischer & Partner auf einem guten Weg. Ulrich Baron sichtet Liebes- und Sexgebote großer Weltreligionen und hält sie allesamt für rational. Gerhard Charles Rump berät Leser, die demnächst in Kunst investieren wollen, und berechnet den Sollpreis für ein zeitgenössisches Werk - 6000 Euro. Susanne Utzt schlendert durch Galerien in Washington und staunt über das gute Angebot. Gemeldet wird, dass es Henryk M. Broder nun gerichtlich untersagt wurde, Abraham Melzer Judenfeindlichkeit nachzusagen. Manuel Brug erfährt von Siemens-Preisträger Daniel Barenboim, dass er das Geld in die Sanierung der Staatsoper und eine Stiftung für musikalische Früherziehung steckt. "Wem hätte ich das Geld denn sonst geben sollen?"

Berliner Zeitung, 28.01.2006

Am 9. Feburar startet die 56. Berlinale (mehr). Festivaldirektor Dieter Kosslick umreißt im Interview das Programm und verbreitet ansonsten gute Laune. "Wir haben ein positives Problem, was ich mir vor fünf Jahren nicht hätte vorstellen können. Allein aus Deutschland wurden 76 Filme für den Wettbewerb eingereicht. Sechs bis acht davon hätten wir gut und gern zeigen können." Die Wettbewerbsrichter wurden diesmal nach Kompetenz ausgewählt, schwört Kosslick. "Das ist eine Jury nach dem Motto Hosenträger plus Gürtel. Wir sind auf Nummer Sicher gegangen. Es sitzen berühmte Produzenten drin, wunderbare Regisseure, Schauspielerinnen, und Armin Mueller-Stahl ist ein großartiger deutscher Repräsentant."

Andreas Mix meldet außerdem, dass Polen seine Außenstelle der Akademie der Wissenschaften in Berlin zu einem "Zentrum für historische Forschungen" aufwertet. "So wie das DHI in Warschau Stipendien für die Erforschung der polnischen Geschichte vergibt, wird das Zentrum in Berlin polnische Historiker fördern, die zur deutschen Geschichte arbeiten."

SZ, 28.01.2006

Im Interview versucht der italo-amerikanische Publizist Alexander Stille, Autor des Buches "Citizen Berlusconi", zu erklären, wie es kam, dass ein Mann so viel Macht und Geld auf sich vereinen konnte: "Ähnlich wie Deutschland gibt es Italien in seiner jetzigen Form erst seit Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Demokratie war nach der Vereinigung relativ schwach, wurde vom Faschismus abgelöst, wohingegen die Demokratie in einem Land wie Großbritannien beispielsweise 300 Jahre Zeit hatte, bestimmte Regeln und Formen zu entwickeln. Das schafft so etwas wie ein Muskelgedächtnis im Sport. Je öfter man eine bestimmte Bewegung ausführt, desto leichter fällt sie einem. Es reicht ja nicht, einfach nur eine gute Verfassung zu haben. Man braucht eine starke Rechtsstaatlichkeit, Respekt vor unabhängigen Institutionen wie der Justiz und das Bewusstsein für Interessenskonflikte. Kein Gesetz verbietet es Cheney, als Vizepräsident auch den Haliburtonkonzern zu führen. Das ist nur Usus, und so einen Usus gibt es in Italien nicht."

Weitere Artikel: Christine Brinck stellt eine neue Studie über Scheidungskinder vor, die zu dem Ergebnis kommt, dass es "gute Scheidungen" nicht gibt. Von der Neueröffnung der Getty Villa in Malibu berichtet Johan Schloemann. Detlef Esslinger lässt noch einmal die Auseinandersetzung zwischen Abi Melzer und Henrik M. Broder Revue passieren: Das Gericht hat Broder nun untersagt, Melzer als "Kapazität für angewandte Judäophobie" zu bezeichnen. Von einem Kongress in Jena, auf dem die Methoden der Geschichtswissenschaft verhandelt wurden, berichtet Jörg Später. Stefan Koldehoff kommentiert die Tatsache, dass hinter Angela Merkel bald Oskar Kokoschkas Adenauer-Porträt hängen wird. Kathrin Lauer informiert über das Bekenntnis des ungarischen Regisseurs Istvan Szabo, als Spitzel für den Geheimdienst tätig gewesen zu sein.

Besprochen werden RP Kahls Film "Mädchen am Sonntag" über junge deutsche Schauspielerinnen, die Uraufführung von Martin Heckmanns' "Die Liebe zur Leere" am Schauspiel Frankfurt ("Sätze wie Peitschenhiebe, Dialoge wie Präzisionsschusswaffen"), Peter Steins Inszenierung von Tschaikowskys Oper "Mazeppa" in Lyon, eine Ausstellung zum Designer Joe Colombo im Vitra Design Museum in Weil am Rhein, eine Berliner Ausstellung mit Werken, die einst der Schauspielerin Tilla Durieux gehörten.

Auf der Literaturseite finden sich Rezensionen zu Eric-Emmanuel Schmitts neuem Buch "Das Evangelium nach Pilatus", zu Sudhir Kakars Buch über "Die Frau, die Gandhi liebte" und ein Band mit Aufnahmen, die den Schauspieler Fernandel zeigen (mehr in der Bücherschau des Tages ab 14 Uhr).

Im Aufmacher der SZ am Wochenende fordert Gerhard Matzig: Weg mit der Kunst aus dem öffentlichen Raum! Denn: "Im Angesicht dieser Werke - vor allem aber: abseits der wenigen, tatsächlich herausragenden Kunstschöpfungen in den Städten - sollte man sich ruhig eingestehen dürfen: Ich kapiere nichts. Ich bin nicht betroffen. Nicht berührt. Nicht erheitert. Nicht beängstigt. Nicht interessiert. Aber das ist man heimlich. Dann schämt man sich und sagt hörbar: 'Kunst im öffentlichen Raum ist gut.' Ist sie nicht. In 90 von einhundert Fällen ist sie schlicht miserabel, beliebig, leblos, irrelevant - ja: störend und einfach überflüssig."

Weitere Artikel: Hans Leyendecker macht sich Gedanken über geschlechtsspezifisch sehr unterschiedliche Reaktionen auf Susanne Osthoff. Stefan Klein schreibt über den wichtigsten Mann für jeden Auslandsreporter, den "Stringer": einen Einheimischen, der sich auskennt und übersetzt. Birgit Weidinger porträtiert Oliver Cromwell - einen Mann mit vielen Widersprüchen. In der Reihe "Es war einmal" erinnert Willi Winkler an die (ausgebliebene) Feuerprobe des Franz von Assisi. Im Interview spricht der Musiker Hubert von Goisern über das Reisen und die "Ferne", stellt aber fest: "Wenn ich kreativ sein will, muss ich mich hinsetzen."

TAZ, 28.01.2006

Im Interview spricht Salman Rushdie über seinen neuen Roman "Shalimar der Narr", über eine Rezension des Romans von John Updike, die ihn sehr geärgert hat, und über Kontexte, in denen er sich wohl fühlt: "Immer wenn ein indischer Autor ein Buch schreibt, landet es auf meinem Tisch, also bin ich wirklich gut informiert. Mit vielen Autoren bin ich befreundet, ja, natürlich fühle ich mich als Teil dieser Szene. Aber nicht nur. Ich war dabei, als in England Anfang der Achtzigerjahre viele extrem talentierte junge Autoren die Bühne betraten, unter anderen Ian McEwan, Julian Barnes und Kazuo Ishiguro, die alle gute Freunde von mir sind. Damals haben wir uns wie wild dagegen gesträubt, als 'Generation' bezeichnet zu werden. Heute sind alle älter - und nun irgendwie stolz darauf, zu diesem Haufen gehört zu haben, in dieser für die englische Literatur so glücklichen Phase. Und das bin ich natürlich auch."

Weitere Artikel: Julia Gerlach berichtet von der Kairoer Buchmesse, auf der Deutschland in diesem Jahr als Ehrengast eingeladen ist. Den "Tanzplan-vor-Ort" der Bundeskulturstiftung, der den Tanz mit beträchtlichen Summen fördert, stellt Kathrin Bettina Müller vor. Jan-Hendrik Wulf porträtiert die Internet-Zeitschrift "Eurozine" (Website), die viele Artikel aus europäischen Print-Zeitschriften versammelt. Der Soziologe Armin Nassehi kommentiert die Liebes-Enzyklika des Papstes.

Rezensionen gibt es unter anderem zum Roman "Am Seil" des letztjährigen Bachmann-Preisträgers Thomas Lang, zu den einander seltsam ähnlichen Romanen der israelischen Autoren Benny Barbasch und Joshua Sobol. An politischen Büchern werden unter anderem Hans-Jürgen Dröschers Studie über "Seilschaften" im Auswärtigen Amt der Nachkriegszeit, Henning Pietzschs Untersuchung über kirchliche Opposition in Jena in den Jahren 1970 bis 1989 besprochen (mehr in der Bücherschau ab 14 Uhr).

In der zweiten taz berichten Georg Blume und Johann Vollmer vom Beginn des chinesischen Jahres des Hundes: "Einmal im Jahr erlebt Chinas Hauptstadt diesen Exodus. Dann steht wie morgen das traditionelle chinesische Neujahrsfest vor der Tür, und Pekings vier Millionen Wanderarbeiter haben Ferien. Für ein bis zwei Wochen ruhen die meisten Großbaustellen der Hauptstadt, haben Fabriken und Märkte geschlossen. Das Provinzproletariat aber ist auf den Beinen und fährt zurück in die Heimat. 144 Millionen Reisende zählt allein das Bahnministerium."

Weitere Artikel: Martin Unfried fordert, den Klimaschutz massenwirksam und sexy zu machen. "UWI" mokiert sich über Renate Künast Beschwerden über Unterkomplexitäten. Peter Unfried verabschiedet sich bitterböse von Rudi Cerne, dem Moderator des "Aktuellen Sportstudios".

Das taz mag ist heute verreist, in winterliche Gegenden vor allem.

Und nicht vergessen: TOM.

FAZ, 28.01.2006

In der Diskussion um die Berliner Hoover-Schule, die sich selbst dazu verpflichtet hat, auf dem Schulhof nur Deutsch zu sprechen, kritisiert Regina Mönch die türkischen Vereine, die gegen den Beschluss Stimmung machen: "Sie behaupten, für alle zu sprechen, die 'in Angst leben', nicht nur die Türken Berlins, auch für Russen, Chinesen, Araber, Pakistani, Libanesen. Dass sich alle Hoover-Eltern und -Schüler auf das Deutsche als Verkehrssprache geeinigt haben, ficht sie nicht an: 'Dass alle einverstanden sind, heißt noch lange nicht, dass die Sache gut ist!'"

Auf einer ganzen Seite druckt das Feuilleton - erstmals auf Deutsch - ein sehr schönes Gedicht von Joseph Brodskys, "Vertumnus", das Übersetzer Ralph Dutli als Nachruf auf Brodskys Freund Gianni Buttafavas beschreibt, aber auch als "sarkastische Abrechnung mit der eigenen Epoche wie mit der Kälte der Zukunft".

Weiteres: Auf der Plattenseite stellt Eleonore Büning neue Einspielungen von Mozarts Klavierkonzerten vor, besonders beeindruckt haben sie der Hamburger Pianist Sebastian Knauer mit seinem "rauen, ruppigen" Klangbild und Piotr Anderszewski: "Das Klavier singt, dass es einem den Atem verschlägt. Die Einwürfe der Holzbläser leuchten wie bunte Kirchenfenster." Richard Kämmerlings kann sich der Euphorie über die Arctic Monkeys nicht verschließen, die derzeit als "heißeste Britpop-Retro-Wave-Postpunk-Rockband" gehandelt wird. Und obwohl alle ihre Songs frei im Internet zu haben sind, haben sie in einer Woche mehr Platten verkauft als die britische Top 20 zusammen.

Als einen "Befreiungsschlag" wertet Jürgen Kaube das Gutachten des Wissenschaftsrates zur Lage der Geisteswissenschaften in Deutschland, bei denen "hinsichtlich ihrer wissenschaftlichen Qualität und Leistungsfähigkeit" von einer Krise keine Rede sein könne. Empfehlungen, mehr Stellen unterhalb der Professur zu schaffen und die Geisteswissenschaften nicht länger zur Drittmitteljagd zu nötigen, finden Kaubes Zustimmung. Jürgen Dollase genießt die Würze, mit der Ingo Holland im Restaurant "Altes Rentamt" in Klingenberg am Main kocht. Dominik Schottner referiert ein Berliner Symposion, das sich mit privater Kulturförderung befasste. Jordan Mejias berichtet von zwei amerikanischen Museen, die sich von einem Gericht bestätigen lassen wollen, dass sie rechtmäßige Eigentümer zweier Gemälde sind, die aus jüdischem Besitz stammen.

Auf den Seiten der ehemaligen Tiefdruckbeilage preist Tilman Allert das "produktiv Anarchische" als unverrückbaren Kern deutscher Musikhochschulen. Hubert Wolf sichtet neu erschlossene Dokumente zur deutschen Nuntiatur des späteren Papstes Pius XII..

Auf der Medienseite übt der Europaparlamentarier Martin Vogel Kritik an den deutschen Regeln zur Verwertung von Klingeltönen.

Besprochen werden die Uraufführung von Martin Heckmanns Stück "Die Liebe zur Leere" im Schauspiel Frankfurt und Bücher, darunter Harald Hartungs Gedichte "Aktennotiz meines Engels" und Ismail Kadares Roman "Das verflixte Jahr" (mehr in unserer Bücherschau ab 14 Uhr).

In der Frankfurter Anthologie stellt Ulrich Greiner Hellmuth Opitz' Gedicht "Liste kleiner Traurigkeiten" vor.

"Der zu kurze Haarschnitt.
Das Schreiben des Anwalts.
Die Stimme von Lucinda Williams..."