Wojciech Kuczok

Dreckskerl

Eine Antibiografie
Cover: Dreckskerl
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2007
ISBN 9783518418840
Gebunden, 174 Seiten, 19,80 EUR

Klappentext

Aus dem Polnischen von Gabriele Leupold und Dorota Stroinska. "Dreckskerl" erzählt von den dramatischen Wendungen der deutschen und polnischen Geschichte im 20. Jahrhundert, deren Gewalt sich im privaten Leben der Familie K. fortsetzt. Einziger Schauplatz ist das vom Vater des "alten K." erbaute Haus, irgendwo im rußgrauen schlesischen Bergbaugebiet. Es überstand die deutsche Besatzung, blieb von Bomben verschont, muss aber nach Kriegsende mit einem proletarischen Ehepaar geteilt werden. Der Krieg geht in der nächsten Generation weiter, ein Krieg der vergifteten Seelen. Der "alte K." züchtigt sein Kind, den Ich-Erzähler, mit der Peitsche. Ein gescheiterter Künstler, sieht er sich in der Umgebung von Bergleuten, in Schmutz, Gestank und Verwahrlosung, vom kommunistischen System aller Lebenschancen beraubt und tobt seine Frustration an dem Jungen, dem "Dreckskerl", aus, bis dieser zum Gegenschlag ausholt. Kuczoks "Antibiografie", ein nachtschwarzer Familienroman, hat in Polen lebhafte Debatten hervorgerufen.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 17.07.2007

Rezensent Andreas Breitenstein ist ebenso elektrisiert wie erschüttert von diesem Roman des jungen Wojciech Kuczok, der bei seinem Erscheinen halb Polen in Empörung versetzte. Die Aufregung kann sich Breitenstein zwar nicht gänzlich erklären, versichert aber, das dieses "Desillusionierungsdrama" mitten ins Herz des polnischen Nationalismus und Katholizismus trifft. Es erzählt die Geschichte der Familie K., deren Oberhaupt nach seiner Deklassierung während des Zweiten Weltkriegs seinen Hass an seinem "schwächlichen" Sohn auslässt. Dabei haben Breitenstein nicht nur Kuczoks "glasklare Sprache" und seine "feinnervige Gedankenführung" in den Bann geschlagen, er sieht auch auf großartige Art "Debakel und Tragödie" der polnischen Geschichte im 20. Jahrhundert darin widergespiegelt. Und ein letzte Lob: Das Übersetzerinnen-Duo Gabriele Leupold und Dorota Stroinska hat diese furiose Saga "bravourös" übersetzt.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 16.06.2007

Beeindruckt zeigt sich Rezensent Jan Feddersen von dieser polnischen Vater-Sohn-Geschichte, deren entscheidenden Konflikt Feddersen in der Homosexualität des Sohnes sieht. Besonders die Kälte, mit der Wojciech Kuczok den Konflikt ohne jeglichen "begütigenden Willen" zur "Familienvergangenheitsbewältigung" beschreibt, bewegt ihn durch ihre "teils ekelhaft nahe Beschreibungen" sehr. Der titelgebende Kerl ist Feddersen zufolge ein väterlicher Patriarch, der den Sohn nicht nur an der Entfaltung seiner Sexualität gewaltsam hindert. Auch widme sich der Autor der polnischen Vergangenheit, dem Krieg und seinen feigen Helden. Eine ödipale Tyrannenmordfantasie erhöht noch den Rezensententhrill. Aber auch die Art, wie Kuczok die Einsamkeit des Rächenden beschreibt, findet Feddersens Respekt. Und der Wunsch, Kucoks ungefühlige Art, sich dieses Themas anzunehmen, möge hierzulande und anderswo Nachahmer finden.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 04.06.2007

Trotz seiner Geschichtshaltigkeit hat dieser Roman von Wojciech Kuczok mit den realistisch erzählten Familiensagas, die in den letzten 10 Jahren verstärkt publiziert wurden, nichts gemein, meint Lothar Müller. Der polnische Autor lässt zwar seinen Roman im vom Großvater nach dem zweiten Weltkrieg erbauten Haus in Oberschlesien bis zur Gegenwart spielen, er konzentriert sich jedoch auf die Geschichte der Familie, die sozial absteigt, vom prügelnden Vater des Ich-Erzählers dominiert wird und in der ein ständiger "Kriegszustand" herrscht. Mehr noch als mit den historischen Entwicklungen beschäftigt sich der Ich-Erzähler mit den Züchtigungsinstrumenten des Vaters, mit dem Schmerz an sich und mit dem System der Strafen und Erniedrigungen, so der Rezensent, der die Schlagkraft und den schwarzen Humor dieses Buches gleichermaßen zu schätzen weiß. Großartig findet Müller diese Horror-Familiengeschichte und er ist besonders davon angetan, dass Kuczok bei der Leidensgeschichte seines Ich-Erzählers niemals sentimental wird.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 31.05.2007

Eine uneingeschränkte Leseempfehlung spricht Rezensent Ulrich Baron angesichts des neuen Romans von Wojciech Kuczok aus, den er nicht nur aus der polnischen Gegenwartsliteratur hervorragen sieht. Topografischer Mittelpunkt dieser "Antibiografie", die mit Recht auch ein "Antifamilienroman" genannt werden darf, wie der Rezensent betont, ist das großväterliche Haus, in dem die Familie des Erzählers ihre mittlerweile abgewirtschaftete Existenz fristet. Baron ist fasziniert, wie virtuos der polnische Autor gleichzeitig mit drastischer und geradezu barock bis mittelalterlichen Sprache zu jonglieren versteht, und zeigt sich gebannt, wie im fulminanten Ende Haus und Bewohner in einer Jaucheflut untergehen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 16.05.2007

Ina Hartwig lässt in ihrer eingehenden Kritik von Wojciech Kuczoks Roman "Dreckskerl" ihrer Begeisterung freien Lauf. Gleich bei seinem Erscheinen 2003 ist der Debütroman mit dem wichtigsten polnischen Literaturpreis ausgezeichnet worden, berichtet die Rezensentin, die Kuczoks Generationenroman mit seinem satirischen Grundton an Jean Pauls Werke oder den "Don Quixote" erinnert. Seinen Untertitel "Antibiografie" trägt der Roman ihrer Ansicht nach zu Recht, denn bei den Demütigungen und Züchtigungen des sadistischen Vater, unter denen der Ich-Erzähler aufwächst, lässt sich kaum eine gefestigte Identität ausbilden, wie sie einsieht. Kuczok schaffe es in faszinierender Weise, die komplexen Handlungsstränge in der Vergangenheit und der Gegenwart des Romans zusammenzuführen und ist auch zu klug, sich zu einem wohlfeilen glücklichen Ende verführen zu lassen, stellt die Rezensentin mit Befriedigung fest. Ein rundum geglückter Roman, der bei all der peinigenden Düsternis auch sehr komisch ist, versichert Hartwig.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.05.2007

Richard Kämmerlings sieht großes Potential in der jungen polnischen Literatur, und auch Wojciech Kuczoks preisgekrönter Roman "Dreckskerl", der im polnischen Original 2003 erschienen ist, erregt sein wohlwollendes Interesse. Das Buch handelt von einer traumatischen Kindheit unter einem gewalttätigen Vater, der bis ins Erwachsenenleben seines Sohnes seine autoritäre Macht über ihn behauptet. Die Brutalität des Vaters wird in derart quälender Eindringlichkeit geschildert, dass dem Rezensenten die Lektüre mitunter schwer gefallen zu sein scheint. Faszinierend findet Kämmerlings die Schilderung der zwiespältigen Vater-Sohn-Beziehung, in der der Vater in den Augen des Ich-Erzählers geradezu dämonische Züge erhält. Dem gegenüber stört den Rezensenten die Larmoyanz, die der Ich-Erzähler an den Tag legt und die seine Leiden mitunter ins Lächerliche ziehen, wie Kämmerlings bedauert. Der Schlussteil des Romans, in dem in einer Wunschfantasie des Sohnes die mittlerweile alten Eltern von einer sintflutartig überlaufenden Jauchegrube ausgelöscht werden, hat den Rezensenten in seiner Eindringlichkeit dann wieder sehr beeindruckt.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 30.04.2007

Wiebke Porombka hat drei neue Kindheitsgeschichten gelesen, in denen alles andere als romantische Idylle herrscht, was aber vielleicht gerade ihre Erzählkraft beflügelt, wie sie glaubt. Die "Antibiografie" von Wojciech Kuczok hat begeisterte Kritiken geerntet, weiß die Rezensentin. Darin blickt ein mittlerweile erwachsener Erzähler auf die durch den brutalen Vater beherrschte Kindheitshölle zurück, die erst dann wirklich ihre Macht verliert, als das Elternhaus von einer Schlammlawine verschlungen wird, die die Eltern in den Tod reißt, fasst die Rezensentin zusammen. Ihr ist vor allem die große "Wut" aufgefallen, die den Roman durchzieht, und sie findet es deshalb auch nur folgerichtig, dass das Buch nach einem derartig "apokalyptischen" Ende verlangt, um den Vergeltungsfantasien des Erzählers genüge tun zu können.
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