Rene Girard

Ich sah den Satan vom Himmel fallen wie einen Blitz

Eine kritische Apologie des Christentums
Cover: Ich sah den Satan vom Himmel fallen wie einen Blitz
Carl Hanser Verlag, München 2002
ISBN 9783446202306
Gebunden, 256 Seiten, 21,50 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen von Elisabeth Mainberger-Ruh. Mit einem Nachwort von Peter Sloterdijk. Girard preist das "mimetische Begehren": Jeder Mensch begehrt nur das, was auch ein anderer begehrt. Daraus entsteht Rivalität, die zu einer Gewalteskalation führt - symbolisiert durch einen Satan, der nur durch die Wahl eines Sündenbocks ausgetrieben werden kann. Der kollektive Mord also bildet den Ursprung aller menschlichen Kultur. Rene Girard veranschaulicht die Rolle des Bösen in menschlichen Kulturen an Beispielen aus den Mythen und der Bibel.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 09.10.2002

Das Buch gehört zum Originellsten, was man zur Zeit lesen kann, schreibt Kurt Flasch begeistert, weil der Autor "in munterer Empörung" gegen Ethnologen, Theologen, Philosophen, Soziologen anschreibe. Girard habe eine neue Art, über Religion nachzudenken. Schon 1972, als er "Das Heilige und die Gewalt" veröffentlichte, sei das Buch den Skandal und die Aufregung wert gewesen, erinnert sich Flasch, denn in Girards Religions- und Sündenbocktheorie "floss Blut". Der neueste Essay knüpft an die Sündenbocktheorie an und verteidigt die Heilslehre vom Tod am Kreuz auf unkonventionelle Art: Für Girard enthalten die Evangelien die Wahrheit über das menschliche Zusammenleben, referiert Flasch. Girard entwickele eine Theorie des "mimetischen Begehrens", das blutige Konflikte und viel Leiden erzeuge. Anders als in den antiken Mythen, und darin liege für Girard die Leistung des Christentums, sähen die Menschen die Schuld nicht mehr beim Ermordeten, Jesu Christus, sondern bei den Mördern, der Teufel werde entpersonifiziert. Alles steht und fällt mit dieser Theorie, meint Flasch. Allzu stichfest findet er sie zwar nicht, wohl aber spannend dargelegt. Ihn stört vor allem Girards Tendenz zur Vereinfachung und Pauschalisierung, die zwar zur Eleganz seines Stils beitrage, aber auch hochmütig sei.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 08.10.2002

Hier soll die "sprichwörtliche Leiche im Keller" exhumiert werden, schreibt Uwe Justus Wenzel über das jüngste Buch von René Girard. Mit der Leiche, so Wenzel, ist sowohl das Opfer als die Gewalttat selbst gemeint, die am Anfang der Gesellschaft stehe, als gemeinschaftsstiftendes Moment, und auf die nicht etwa verzichtet werde, sondern die sowohl vergessen als auch verborgen sei. Bei aller Originalität, für Wenzels Geschmack denkt Girard etwas zu "sehr auf eigene Faust". Der Autor greife nicht auf die einschlägige Literatur zurück und weise Freud nicht ganz nachvollziehbar zurück. Und doch, gesteht Wenzel, ist die "provozierende Stärke" des Buches nicht abzustreiten. Es gehe Girard um die Entmythologisierung des Opfermechanismus. Im Gegensatz zum Polytheismus, der in seiner mythologischen Ritualisierung von Gewalt das Opfer als schuldig hinstelle, hätten die monotheistischen Religionen, im Alten und im Neuen Testament, indem sie das Opfer als unschuldig sahen, den Anfang zu einer solchen Entmythologisierung gemacht. In diesem Zusammenhang, so Wenzel, denkt Girard den Satan als den Heraufbeschwörer von Konflikten, die sich in der Beseitigung eines Sündenbocks entladen, nicht jedoch als existentes Wesen, sondern als der "gewalttätigen Mimetik" inhärent. Der Garant für das dauerhafte Durchspielen von solchen "Opfermechanismen" sei das Unwissen, doch auch das Erkennen und die Parteinahme für die Opfer könne sich subtil zur erneut opfermechanischen "Jagd auf die Sündenbockjäger" hochschrauben. Doch an dieser Überbetonung des Wissens offenbart sich für Wenzel Girards Schwäche: Seine Anthropologie gibt sich christlich, gewährt aber dem Wissen den Vorzug vor dem Glauben.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 26.09.2002

Mit einer Erinnerung an den Philosophen Jakob Taubes leitet Thomas Assheuer seine lobende Kritik ein, die der Aufmacher der Literatur-Seiten ist: auch Taubes habe einmal versucht, die biblische Religion gegen den antiken Mythos zu verteidigen, wobei ihm wenig Erfolg beschieden war. Assheuer bezweifelt, ob es Girard mit seiner Verteidigung des Monotheismus gegen den Polytheismus anders gehen wird, da ein "entspannter Zeitgeist" ohnehin alle Religion für "Fiktion" hält und sogar die Kirchen, insbesondere "evangelische Akademien" heuer "mit Esoterik auf Kundenfang gehen". Was also begeistert Assheuer an Girard? Zunächst ist es wohl die Strenge, mit der Girard den höchst differenten, ja gegensätzlichen Gewaltbegriffen nachgeht. Sagt der antike Mythos immer 'Ja? zur Gewalt, spricht die Bibel bei aller Ausmalung gewalttätiger Geschichte auf dem 'Nein? gegenüber den Gewalttätigen. Girard räumt, so Assheuer, dem jüdischen Monotheismus die "weltgeschichtlich" erste Infragestellung des Opferprinzips ein und die Gestalt Jesu sei dann eine weitere Steigerung, da in der Kreuzigung dem Mythos von der "Zeitlosigkeit der Gewalt" ein Ende bereitet worden sei. Assheuer befragt dennoch den französischen Autor auch kritisch und bedauert, dass er sich nicht zum Verhältnis zwischen der christlichen "Wahrheit" und dem "Politischen" äußere. Am Schluss schlägt der Rezensent mit deutlicher Sympathie für die Ethik und Philosophie von Girard noch aus gegen "Bodenseedichter, die die Artenvielfalt germanischer Götter besingen". Wen er da wohl gemeint hat...