Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
07.07.2004. In dieser Woche: Wen Thalia wahrscheinlich kauft. Und Warum Hillary Clinton ganz bestimmt nicht Hillary heißt. Von Sandra Evertz

buchreport.express

buchreport.express vom 1. Juli 2004

Während das Börsenblatt sich weitaus vorsichtigerer Formulierungen bedient, ist der Deal für den Buchreport so gut wie perfekt: Branchen-Primus Thalia verleibt sich mit großer Wahrscheinlichkeit die insolvente Buchhandelsgruppe Bouvier-Gonski mit ihren sieben Filialen in Bonn, Köln und Siegburg (Hamm gehört nicht zum Wunschpaket) ein. Mit einem Widerspruch des Kartellamts sei nicht zu rechnen, glaubt der Buchreport und rechnet vor, dass der Umsatz der Thalia Holding (zuletzt 382,9 Mio. Euro) um 52,3 Mio. Euro auf beinah eine halbe Milliarde Euro wachsen wird, aber mit rund fünf Prozent am Gesamtumsatz weit hinter der kartellrechtlich-kritischen Schallmauer von circa 30 Prozent zurückbleibt. Die Zahlen sprechen für sich: "Ist die Übernahme unter Dach und Fach, trennen 219 Mio. Euro die Nummer 1 im deutschen Buchhandel von Verfolger Hugendubel (216,2 Mio. Euro)."

Tipps für reichlich Lesestoff halten Elke Heidenreich und ihr Gast, Zeit-Chefredakteur Michael Naumann, morgen für die Zuschauer der 60-minütigen "Lesen!"-Sonderausgabe bereit. 38 Titel will die Heidenreich in der Auftaktsendung für die ZDF-Aktion "Unsere Besten - Das große Lesen" ansprechen, geordnet nach den Genres "Internationale Klassiker", "Literatur des 20. Jahrhunderts", "Kinderbuch-Klassiker", "Aktuelle Literatur" und "Spannungsliteratur". Weitere Infos auf der "Lesen!"-Homepage.

Der PISA-Schock ist noch nicht verwunden. Deshalb wirbt Georg Ruppelt, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Lesen, mit Nachdruck für eine zentrale, staatlich finanzierte Leseförderung. An die deutschen Verlage appelliert er um eine Unterstützung seines Vorhabens: "Sollten wir uns durchsetzen können, profitiert auch die Buchbranche von einer verstärkten Leseförderung." Die Chancen seien, schätzt Ruppelt in einem Zwischenfazit nach Gesprächen mit Politikern ein, nicht schlecht.

Auf Unverständnis ist Bill Clintons Autobiografie (mehr im Perlentaucher-Archiv) bei den Neuseeländern gestoßen. Nach deren Landsmann, dem Mount Everest-Bezwinger Sir Edmund Hillary, soll, schreibt der amerikanische Ex-Präsident in seinen Memoiren, seine Ehefrau benannt worden sein. Komisch nur, dass Mrs. Clinton sieben Jahre vor der berühmten Bergbezwingung auf die Welt kam... Kleine sachliche Fehler scheinen das Interesse an den Clinton-Aufzeichnungen nicht zu mindern. Sie stiegen diese Woche auf Platz 30 der Spiegel-Bestsellerliste ein - im Original (das schafften vorher nur Rowlings "Harry Potter V" und Moores "Dude, where is my country?"). Auf Deutsch erscheinen die Memoiren des Ex-Präsidenten, wie berichtet, kommenden Donnerstag.

Nicht nur das Geschäft mit Promi-Biografien boomt. Immer mehr "kleine Leute" wollen ihre Lebensgeschichte zwischen zwei Buchdeckeln lesen, verfilmt sehen oder oder auf CD gepresst hören, schreibt der Buchreport. Kostenfaktor: ab 800 Euro aufwärts.

Die Novitätenflut ist für den Buchhandel ein ernsthaftes Problem geworden. Warum, das erklärt David Wengenroth auf der Meinungsseite des Buchreports. Kunden fehle die Orientierung. Das zeige unter anderem die Bereitwilligkeit, mit der sie den Empfehlungen von Bücherfee Elke Heidenreich folgten. Die Konsequenzen der Orientierungslosigkeit träfen am härtesten die Kleinsortimenter, die mit dem Pfund der individuellen Kundenberatung wuchern, fürchtet Wengenroth. Verleger und Buchhändler seien in ihrer Fähigkeit gefordert, Menschen wieder für ihre Bücher zu begeistern. Der Schlüssel dazu: inhaltliche Qualität, offensives Marketing und konsequente Kundenorientierung.

Personalien: In Nachfolge von Rainer Moritz, der ins Literaturhaus Hamburg gewechselt hat, ist der ehemalige Suhrkamp-Geschäftsführer Günter Berg als Programmchef in die Führungsriege des Hoffmann und Campe Verlags eingestiegen. Den neu eingerichteten Job der kaufmännischen Verlagsleiterin bei HoCa bekam Babette Büssgen (früher: Spiegel Online).

Meldungen: Kunstbuchhändler Walther König erhöht mit vier Neueröffnungen in diesem Jahr die Zahl seiner Filialen auf 25. Der zum vierten Mal erstellte Bibliotheken-Index (BIX) hat eine im Durchschnitt rückläufige Zahl der zur Verfügung stehenden Medien pro Einwohner nachgewiesen - Grund sind die durch die defizitären Haushalte der Kommunen auferlegten Sparmaßnahmen.

Börsenblatt

Die aktuelle Bundesgerichtshof-Entscheidung, die Übersetzern mehr Rechte gegenüber den Verlagen einräumt (siehe Archiv), finden deutsche Verleger problematisch. "Ein Verlag muss eine Übersetzung zurückweisen können, wenn sie Qualitätsstandards nicht genügt", bemängelt DVA-Chef Jürgen Horbach im Börsenblatt. Europa-Verleger Vito von Eichborn warnt davor, die Rolle des Übersetzers - "vor allem gutes Handwerk" - überzubewerten. KiWi-Verlagsleiter Helge Malchow sieht im Kern des Urteils gar "eine nicht unerhebliche Bedrohung für die notwendige Gestaltungsfreiheit der verlegerischen Arbeit."

Das Börsenblatt blickt in einer neuen Serie auf die Buchbranche der neuen EU-Länder und startet mit Polen. Die Rahmenbedingungen des polnischen Buchhandels entsprächen mittlerweile marktwirtschaftlichen Erfordernissen, heißt es in der Analyse. 1994 sei ein Urheberrechtsgesetz in Kraft getreten, seit 1995 schaffe ein regelmäßig aufgelegtes "Verzeichnis lieferbarer Bücher" Transparenz, und noch bis 2007 seien Bücher von der Mehrwehrtsteuer befreit. Der durchschnittliche Buchpreis liegt in Polen bei 7,46 Euro. 2.500 Buchhandlungen stehen 20.000 Verlage gegenüber, die rund 23.000 Titel pro Jahr produzieren.

Der 1968 in Dresden geborene Chirurg und Schriftsteller Uwe Tellkamp ist Träger des mit 22.500 Euro dotierten Ingeborg Bachmann-Preises 2004. Ausgezeichnet hat die Jury Tellkamps Romanauszug "Der Schlaf der Uhren". An Zeit, dem immer wiederkehrenden Motiv im Text, interessiere ihn das Vergängliche, erzählte der frischgekürte Preisträger im Börsenblatt-Interview. Gegen die Zeit anzuschreiben, das sei für ihn Literatur, Lebensbewahrung. Im Frühjahr 2005 soll der fertige Roman "Der Eisvogel" bei Rowohlt Berlin erscheinen. Weitere Preise gingen in Klagenfurt an Arne Ross (Text), Guy Helminger (Text) und Wolfgang Herrndorf (Text).

Personalien
aus der Buchbranche.

Meldungen: Rund 50 neue Übersetzungen belletristischer Werke von Autoren aus der arabischen Welt wird es in diesem Jahr passend zum Gastlandauftritt bei der Frankfurter Buchmesse geben. Für über Zwischenbuchhändler Libri georderte Books On Demand-Titel, eigentlich, wie der Name sagt, nur speziell auf Kundenwunsch gedruckt, besteht ab sofort ein Remissionsrecht.
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