Olaf Blaschke, Aram Mattioli (Hg.)

Katholischer Antisemitismus im 19. Jahrhundert

Ursachen und Tradition im internationalen Vergleich
Cover: Katholischer Antisemitismus im 19. Jahrhundert
Orell Füssli Verlag, Zürich 2000
ISBN 9783280028063
Gebunden, 384 Seiten, 34,77 EUR

Klappentext

Trotz einer ganzen Reihe von Schuldbekenntnissen haben Papst und Kurie die Verantwortlichkeiten für den über Jahrhunderte offensiv praktizierten Antijudaismus der Kirche erst in Ansätzen benannt, so dass ein schaler Nachgeschmack bleibt. Dass es ausgesprochene Judenhasser auf dem Stuhl Petri gab und die Kirche im Umgang mit der jüdischen Minderheit auch nach der Aufklärung als unheilige Institution von sich reden machte, wird in den empirisch fundierten und differenziert argumentierenden Beiträgen dieses Buches auf erschütternde Weise belegt. Erstmals werden die Ursachen, Traditionen und Erscheinungsformen des katholischen Antisemitismus in einer international vergleichenden Perspektive für die Schweiz, Deutschland, Österreich, Italien, Frankreich, Polen und die Niederlande dokumentiert.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 01.02.2001

In dem von Blaschke und Mattioli herausgegebenen Sammelband liegt erstmals eine vergleichende Studie zum katholischen Antisemitismus im 19. Jahrhundert vor. Ludgar Heid referiert kurz und prägnant die Aufsätze von 13 Autoren aus den verschiedensten Länder Europas zu diesem Thema. Sie lassen sich auf die knappe Formel bringen, dass Antisemitismus dem katholischen Glauben immanent und dass es falsch sei, "von einer Unvereinbarkeit eines `guten`, katholischen Antijudaismus und eines `bösen`, rassenideologischen Antisemitismus" zu sprechen. Die Studie, so Heid, macht deutlich, dass der von der Kirche approbierte `doppelte Antisemitismus` ein internationales Phänomen gewesen sei. Deutlich wird seiner Meinung nach auch, dass Antisemitismus gerade den gläubigen Katholiken ausmachte. Dieses Ergebnis, findet Heid, rückt das spätere Verhalten von Katholiken bei der Judenverfolgung und -vernichtung in ein neues Licht.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30.01.2001

"So geht`s nicht", meint Thomas Brechenmacher. Anstelle des Schwingens von "Antisemitismuskeule" und Holzhammer im vielschichtigen Grau der Historiographie sähe er gern "ein Mindestmaß an Differenzierungsbemühen" am Werk. Dabei will er die Bemühungen der Herausgeber gar nicht von Grund auf in Frage stellen. Darum, katholischen Antisemitismus zu verharmlosen oder gar abzuleugnen, so Brechenmacher, könne es nicht gehen. Wenn jedoch, wie der Rezensent im übrigen recht detailliert zu zeigen bemüht ist, "zum Übermut des selbsternannten Entdeckers, zum Pathos des Aufklärers auch noch der Habitus des Großinquisitors" sich gesellt, möchte er eigentlich nur noch den Kopf schütteln.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 25.11.2000

Der analytische Ansatz, den dieser Sammelband zur Genese des katholischen Antisemitismus im 19. Jahrhundert verfolgt, macht nach Meinung des Rezensenten Hanno Helbling Sinn, auch wenn die Fragestellung ihn anfangs etwas irritiert hat. So kann er eingangs nicht nachvollziehen, wieso hier nicht präziser unterschieden wird zwischen Antijudaismus und Antisemitismus, der auf einer "pseudowissenschaftlichen Rassenlehre, die mit Katholizismus ... nichts zu tun hat" beruht. Durch die Lektüre der Primarqellen und der daraus erfolgenden Analysen folgt er dann aber dem Ansatz der Herausgeber: "die klärende Analyse Olaf Blaschkes zeigt, dass im historischen Vollzug die Judenfeindschaft unteilbar ist", denn die katholischen Publikationen der Zeit sind " fast ohne Bruch von der `religiös begründeten` Judenfeindschaft... zu einer gesellschaftlich-moralischen Polemik übergegangen ". Helbling findet, dass der hier gewählte komparatistische Untersuchungsansatz, bei dem der Antisemitismus in einigen europäischen Ländern verglichen wird, eine differenzierte Stellungnahme ermöglicht und hält so den Band trotz kleinerer Schwächen für eine gute Einführung ins Thema.