Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
06.12.2005. Ih dieser Woche: Warum Google Book Search noch nicht richtig funktioniert. Und warum die Buchbranche sauer ist auf die Bild. Von Sandra Evertz

buchreport.express

Nach einer schwachen Vor-Adventswoche haben der erste Adventssamstag sowie der in 200 Städten verkaufsoffene Sonntag die Buchhändler wieder versöhnlich gestimmt. Trotz Wetterkapriolen und Verkehrsbehinderungen - vor allem im bevölkerungsreichen Nordrhein-Westfalen - fanden die Leser am ersten Adventswochenende den Weg in die Buchhandlungen und zu ihren Büchern. Das Umatzminus von neun Prozent zum Wochenbeginn konnte zum Wochenende fast ausgeglichen werden (es blieb ein kleines Minus von 1,6 Prozent), erläutert buchreport nach der elektronischen Befragung von 350 - repräsentativ nach Umsätzen und Regionen ausgewählten - Buchhandlungen. Ein Blick in die USA und nach Großbritannien bietet ein ähnliches Bild: Auch dort ist das Weihnachtsgeschäft der Buchhändler, nach bisher enttäuschendem Jahresverlauf, solide bis gut angelaufen.

Der erste Schuss fällt im Norden, prognostiziert buchreport, denn die letzte Woche gestartete Krimi-Bibliothek des Magazins stern ist der Konkurrenz von der Süddeutschen Zeitung um sechs Wochen voraus. Wieso die beiden Reihen vermutlich trotz inhaltlicher Nähe koexistieren können und wieso beide Herausgeber nicht all ihre Wunschtitel veröffentlichen, hier.

Weltbild
und Bild-Zeitung haben das Sortiment mit ihrem Gemeinschaftsprojekt "Goldbibel" verärgert. Dass die Augsburger Verlagsgruppe per Werbekampagne zur Bestellung der limitierten Bibel-Ausgabe aufforderte, während diese bereits vergriffen war (und zwar schon vor dem offiziellen Verkaufsstart 3. Dezember), konnten die Buchhändler vielerorts nicht nachvollziehen. Weltbild-Chef Carel Halff hält in buchreport an der Fairness des Verteilungsschlüssels für die unterschiedlichen Vertriebswege fest und erklärt diplomatisch: "Wir haben keinen benachteiligt, sondern leider nicht alle Wünsche gleichermaßen erfüllen können." Mehr als 50 Prozent der gedruckten Auflage ist laut Halff an den Buchhandel gegangen. Der große Rest wird vermutlich direkt vom Konzern, etwa über die Shops, abgesetzt. Genaue Zahlen hält Weltbild hinter dem Berg.

Das Literaturfestival lit.Cologne wächst. Mit zusätzlichen vier Tagen wollen die Organisatoren in 2006 (genaues Datum: 10. bis 18. März) für eine Entzerrung des rheinischen Lesefests sorgen, nachdem in diesem Jahr bereits 95 Prozent der Tickets im Vorverkauf weggegangen waren und der Veranstalter sich eine durchschnittliche Auslastung der Lesungen von 92,5 Prozent auf die Fahnen schreiben kann. Auch nächstes Jahr überschneidet sich die Kölner Veranstaltung mit der Leipziger Buchmesse und deren Festival "Leipzig liest". Lit.Cologne-Geschäftsführer Werner Köhler sieht darin keinen Nachteil und glaubt: "Die Marketingleute in den Verlagen dürften begeistert sein. Sie haben die einmalige Gelegenheit, ihre Autoren innerhalb von einer Woche auf zwei deutschen Großveranstaltungen zu präsentieren."

Mit der Angst um ihren Berufsstand zu tun bekommen es die Bibliothekare angesichts der Weiterentwicklung der digitalen Volltextsuchen. "Zwar kann Google nicht alle Bücher der Welt scannen. Die Leute werden aber davon ausgehen, dass alles digital zu finden ist. Was nicht aufgenommen wird, gerät komplett in Vergessenheit", hat buchreport bei der "Semantics Conference" letzte Woche in Wien herausgehört. Was die Bibliothekare außerdem beunruhigt, sind die vor der Konferenz bekannt gewordenen Pläne von Google, ein Vertriebsmodell für digitale Bücher zu testen: Die Kalifornier wollen die digitalen Pendants von Novitäten gegen eine Gebühr kopiergeschützt für sieben Tage verleihen.

Google Print beziehungsweise Google Book Search präsentiert sich derweil noch als Baustelle. Unter Berufung auf einen Test der Zeitschrift Berlinerliteraturkritik.de schreibt buchreport: "Um die Schlagwortsuche überhaupt erst möglich zu machen, werden die Buchseiten nicht nur abfotografiert, sondern auch durch eine Texterkennungsroutine gejagt. Die funktioniert zwar ganz gut, produziert aber manchmal auch Stilblüten." Enttäuscht wurden die Berliner zum Beispiel bei der Suche nach "des Pudels Kern". Zwar lieferte die Google-Volltextsuche 114 Ergebnisseiten, Goethes "Faust" - er sollte als gemeinfreier Text vorrangig erfasst werden - war jedoch nicht dabei.

Meldungen: Am 3. Februar 2006 will das ZDF aus Anlass des 150. Todestags von Heinrich Heine eine Extra-Ausgabe des "Literarischen Quartetts" ausstrahlen. Marcel Reich-Ranicki, Iris Radisch und Hellmuth Karasek haben ihre Teilnahme zugesagt. Buchketten machen sich breit: Nach einer Kemper's Studie ist der filialisierte Buchhandel mit einem Flächenanteil von neun Prozent die drittstärkste Mietergruppe in 1A-Lagen. Und: die Bestsellerlisten.

Börsenblatt

Schon knapp vier Monate vor Messebeginn kann sich Oliver Zille, Direktor der Leipziger Buchmesse, für seine Arbeit auf die Schulter klopfen: Die Zahl der Anmeldungen hat einen neuen Rekordstand erreicht. Zille rechnet für die kommende Messe mit rund 2.200 Ausstellern (rund fünf Prozent mehr als in diesem Jahr) auf einer um fünf Prozent erweiterten Fläche (in 2005: 49.000 Quadratmeter). Mit über 100 Teilnehmern aus dem Bereich Hörbuch bleibe Leipzig die wichtigste und größte Hörbuch-Veranstaltung in Deutschland, berichtete der Messe-Chef dem Börsenblatt stolz.

Langsam verlieren die Verlage ihre Scheu vor dem Internet. Auf einer von Rowohlt veranstalteten Tagung zum zehnjährigen Bestehen der verlagseigenen Homepage versprach sich Marketing-Chef Lutz Kettmann vom Online-Buchhandel eine "interessante neue Vertriebsschiene", durch die backliststarke Verlage kompensieren könnten, was im stationären Handel verloren zu gehen drohe. Resümee des Fachpublikums war, dass die Möglichkeiten, die das Internet der Buchbranche bietet, noch längst nicht ausgeschöpft werden.

Erwartungsgemäß wenig begeistert sind die rechnenden Köpfe in den Verlagen nach den Urteilen um die Übersetzervergütung (siehe Buchmacher-Archiv). Dirk Strempel vom Hanser Verlag wirft den Gerichten beispielsweise vor, dass sie keine Vorstellung von den Folgen ihrer Beschlüsse hätten. Gert Frederking von Frederking & Thaler freundet sich mit dem Gedanken an, Übersetzungen nicht mehr in Deutschland anfertigen zu lassen, sondern aus dem Ausland einzukaufen. Eckhard Kloos fordert, stellvertretend für den Rowohlt Verlag, die Einstellung der Gerichtsprozesse. Die derzeitige Rechtsunsicherheit sei für die Branche nicht tragbar, sagte Kloos dem Börsenblatt. Durch die Urteile werde der Markt so gestört, dass er auszutrocknen drohe.

Welche Fähigkeiten Verleger von Haus aus mitbringen müssen, hat sich Jochen Jung, Leiter des Jung und Jung Verlags in Salzburg, überlegt und reibt sich an der Meinung seines Kollegen Bernd F. Lunkewitz (Aufbau Berlin).

Google treibt neben Google Book Search die Realisierung einer digitalen Weltbibliothek voran. Der Library of Congress hat der Suchmaschinenbetreiber zur Weiterentwicklung des Projekts eine Finanzspritze von drei Millionen Dollar zugesagt. Hintergedanke von Google sei es, mit der "größten Bibliothek der Welt" an der Entwicklung von Standards zur Katalogisierung digitaler Inhalte zu arbeiten, denkt sich das Börsenblatt. Über die "Digital Library" soll jeder Internetnutzer kostenlos Zugriff auf seltene Bücher, Karten und andere Druckwerke erhalten.

Personalien: Altbundeskanzler Gerhard Schröder geht unter die Buchmenschen. Dem Zürcher Ringier-Konzern wird er künftig in beratender Funktion zur Seite stehen. Mit seiner internationalen Erfahrung soll er neue Märkte in Asien und Osteuropa öffnen. Neben Beiträgen für die Ringier-Zeitung "Blick" verfasst Schröder auch seine Memoiren (die Verlage pokern schon um den Zuschlag).

Meldungen: Katharina Wagenbach-Wolff, Verlegerin der Friedenauer Presse (Berlin), wird, unter anderem für ihre "Beharrlichkeit" und "Entdeckerfreude", mit dem Kurt-Wolff-Preis ausgezeichnet. Bestseller-Autor Harry Thürk ("Die Stunde der toten Augen"), vom Spiegel "Konsalik des Ostens" genannt, ist in seiner Heimatstadt Weimar verstorben.
Archiv: Börsenblatt