Hubertus Knabe

Der diskrete Charme der DDR

Stasi und Westmedien
Cover: Der diskrete Charme der DDR
Propyläen Verlag, Berlin/München 2001
ISBN 9783549071373
Gebunden, 504 Seiten, 25,51 EUR

Klappentext

Den Medien der Bundesrepublik Deutschland schenkten die Machthaber der DDR stets ihre besondere Aufmerksamkeit - als Quelle feindlicher Propaganda, aber auch als Vehikel, um auf die öffentliche Meinung im Westen Einfluss zu nehmen. Entsprechend umfangreich waren die Bemühungen des Staatssicherheitsdienstes, sie lückenlos zu durchdringen. Hubertus Knabe rekonstruiert, wie es dem DDR-Geheimdienst gelang, in den Westmedien Fuß zu fassen. Er beschreibt das weitverzweigte Netz der Inoffiziellen Mitarbeiter, Einflussagenten und Kontaktpersonen und schildert, wie West-Journalisten von der DDR mit Belastungsmaterial über westdeutsche Politiker ausgestattet wurden. Mancher Skandal, der in Westdeutschland hohe Wellen schlug, stellt sich im Nachhinein als Ergebnis der "operativen Agitation" der Stasi heraus.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.07.2001

An diesem Werk zur Zeitgeschichte gefällt dem Rezensenten Roger Engelmann aber auch gar nichts. Das Buch, so Engelmann, fragt, weshalb sich die westlichen Medien seit den 50er Jahren schrittweise von ursprünglich "klarsichtigen" Urteilen über die SED-Herrschaft verabschiedet hätten und zu einer immer rosigeren Zeichnung der DDR übergegangen seien. Der Autor, so der Rezensent, erklärt dies mit den DDR-Kontakten der West-Journalisten, ihrer Blauäugigkeit, Kumpanei und Opportunismus. Wichtigste Quelle dieser Befunde sind Berichte inoffizieller Stasi-Mitarbeiter, die Hubertus Knabe ausgewertet hat. Doch der Aktenforscher, urteilt der Rezensent, wird zum Opfer seiner Voreingenommenheit. Anderslautende Meinungen nehme er nicht zur Kenntnis. Sein Umgang mit den Stasiakten lasse jede Quellenkritik vermissen. Historische Zusammenhänge blende er weitestgehend aus. Nicht einmal die wichtigste Literatur zu seinem Thema erwähne er. Die Motive von Westjournalisten, die Härten der SED-Diktatur durch eine "Politik der kleinen Schritte" zu mildern suchten, blieben im Dunkel. Der Rezensent wünscht sich sehnlich ein besseres Buch zum Thema.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 11.06.2001

Hans Leyendecker macht in seiner eingehenden Rezension des Buches seinem Ärger Luft. Er rügt es als "schwerverdauliche Lektüre" und wird nicht müde, die Verfehlungen des Autors - Historiker und ehemaliger Mitarbeiter der Gauck-Behörde - aufzuzeigen. So wird Knabes Umgang mit Quellenmaterial gescholten und bemängelt, dass er zumeist so recherchiert, dass das von vornherein feststehende Ergebnis auch herauskommt. Leyendecker wirft dem Autor vor, "maß- und atemlos" zu übertreiben und so einiges "nach Belieben auszublenden". Dass der Rezensent zudem viele Fehler wie falsch geschriebene Namen und unrichtige Quellenangaben gefunden hat, heizt seinen Ärger nur weiter an. Besonders fatal findet er, dass das Lebenswerk so mancher Westjournalisten lediglich an den Äußerungen über sie in den Stasi-Akten beurteilt wird und so "Wirklichkeiten" massiv verzerrt werden.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 21.05.2001

Wolfgang Templin ist hell erfreut und scheint erleichtert darüber zu sein, dass Hubertus Knabes Studie über die Unterwanderung der westlichen Massenmedien durch das Ministerium für Staatssicherheit der DDR (MfS) endlich nach heftigen Auseinandersetzungen und Gerichtsbeschluss veröffentlicht wird. Die gründlichen Recherchen von Knabe reichen bis in die fünfziger Jahre zurück und zeichnen kein besonders schönes Bild einer ganzen Reihe von westlicher Medienprominenz, informiert der Rezensent. Für Templin wird hier eines ganz deutlich: "nachgeschobene Entlastungsargumente für klandestine Gespräche in der Grauzone zwischen Journalismus und Politik" greifen für ihn eindeutig zu kurz. Zahlreiche BRD-Journalisten würden hier als IMs enttarnt. Nicht deren Namen und ihr Handeln stehe für die Brisanz der Untersuchung, resümiert Templin, sondern vielmehr die "Unzahl der Fälle von diskretem Paktieren, politischer Blindheit und machtfixiertem Kontrollverlust der Akteure".

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 17.05.2001

Joachim Nawrocki erwähnt zu Beginn seiner Rezension exemplarisch den Fall Karl-Heinz Maier, der als westlicher Journalist eifrig der Stasi zuarbeitete. Wenn auch bereits drei Dutzend solcher Fälle bekannt sind, könnten, so der Rezensent, noch mehr enttarnt werden, hätte man Zugang zu den sogenannten Rosenholz-Papieren. Nawrocki konstatiert, dass Knabe die Fälle sehr sorgfältig und akribisch aufgelistet hat, so das ein breites Panorama der Verstrickungen deutlich werde. Aber das Buch habe auch einige Schwächen, so stütze sich vieles auf Berichte aus zweiter und dritter Hand: "Wichtigkeit und Gefallsucht mögen da oft die Feder geführt haben." Trotzdem vermittle die Fülle der Berichte zumeist ein plausibles Bild. Ein weiterer Kritikpunkt ist die Monokausalität der Sichtweise Knabes. Zudem komme das politische Klima der Bundesrepublik dieser Zeit zu kurz. Das DDR-Bild der West-Presse sei auch nicht so einseitig positiv, wie es Knabe beschreibt, das Meinungsbild sei vielmehr vielfältig und differenziert gewesen. Schließlich verliert Nawrocki noch einige Worte zum verspäteten Erscheinen des Buches aufgrund gerichtlicher Auseinandersetzungen mit Manfred Bissinger, Gruner+Jahr und der Stasi-Unterlagenbehörde. Ihm scheint es verwunderlich zu sein, dass die Bücher von Ehrhart Neubert und Joachim Walter über die DDR vergleichbare Probleme nicht hatten. "Soll wirklich der Eindruck entstehen, dass die Interessen Westdeutscher wirksamer geschützt werden müssen als die von Ostdeutschen?" lautet die abschließende Frage des Rezensenten.