T.H. White

Der Habicht

Cover: Der Habicht
Matthes und Seitz Berlin, Berlin 2019
ISBN 9783957576422
Gebunden, 188 Seiten, 30,00 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Ulrike Kretschmer. Unter Mitarbeit von Helen MacDonald und Cord Riechelmann. Ein in Tagebuchform verfasstes Buch über Whites Versuch, einen Habicht zu zähmen, den wildesten aller Raubvögel. Ausgerüstet mit nichts als einem Falknerbuch aus dem 16. Jahrhundert stellt er sich der schieren Urgewalt des Vogels: Der ruchlose und doch unschuldige Jäger entspricht seinem Idealbild des einsamen Einzelgängers, der er selbst war. Die Zähmung wird zu einem metaphysischen Kräftemessen - White will mit dem Vogel auch sein eigenes launisches Wesen bändigen. Letztendlich wird er lernen, dass dem Freiheitsdrang der Natur kein Einhalt zu gebieten ist.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 09.05.2019

Wegen düsterer politischer Aussichten zog sich der englische Fantasy-Schriftsteller Terence Hanbury White in den 1930er Jahren in ein Cottage nach Buckinghamshire zurück, erfahren wir von Rezensent Eberhard Falcke. Der frühere Lehrer war in einer Krise, sexuell verunsichert und litt an Depressionen, als er beschloss, auf die Zivilisation zu pfeifen. Er ließ sich einen Habicht aus Deutschland kommen, so Falcke, der uns diesen bald hundertjährigen Klassiker des englischen 'Nature Writing' begeistert vorstellt. Ihn fasziniert die Klarsicht, mit der ein Schriftsteller sich einerseits in die Natur versenken kann - White musste zur Abrichtung des Greifvogels erst einmal Fallen stellen für kleinere Vögel und Nagetiere, um sie seinem launischen Hausgenossen als lebende Beute präsentieren zu können. Andererseits musste er ebendieses Tun in der Natur, seine Anblicke und Empfindungen beschreiben. Nüchtern und oft fast wütend schildert er das "Psychodrama" zwischen Mensch und Vogel, erzählt Falcke, der aussagekräftige Zeilen von White zitiert, die uns den verzweifelten - und am Ende misslingenden - Zähmungs- und Unterwerfungsversuch "ergreifend" vor Augen stellen. Tatsächlich hat White in seiner Depression diesen Text nie veröffentlicht, erst ein Freund rettete ihn aus dem Nachlass. Dass er nun in der "stimmigen" Übersetzung von Ulrike Kretschmer wieder vorliegt, "ist eine Entdeckung und ein Gewinn", freut sich Falcke.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 10.04.2019

Rezensent Christoph Schröder bekommt mit T. H. Whites Bericht einer Habicht-Abrichtung einen Eindruck von den Routinen eines solchen Unterfangens, aber auch von den Projektionen (Freiheit!) und Idiosynkrasien des Autors. Dass sich in den schließlich scheiternden Versuchen der Domestizierung Kindheitsversehrungen und Fantasien spiegeln, wie das Vorwort suggeriert, möchte Schröder zwar anzweifeln, doch in den Beschreibungen Whites spürt er eine ungewöhnliche Intensität. Das von Ulrike Kretschmer in "geschliffenes" Deutsch übersetzte Buch schildert laut Schröder ein Machtspiel und zeigt den Autor, nicht den Vogel in Gefangenschaft. Whites Leistung besteht für den Rezensenten in der Poetisierung seines Wissens und in der spannenden Umsetzung der täglichen Abrichtungsarbeit in einen kleinen Bildungsroman.
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Rezensionsnotiz zu Die Welt, 16.02.2019

Wieland Freund entdeckt den Naturschriftsteller T. H. White mit diesem Buch. Allerdings hat der Rezensent das Gefühl, der Autor könnte so etwas wie das Missing Link sein zwischen Nature Writing und Fantasy. Das laut Freund hervorragend übertragene Buch jedenfalls gibt Hinweise darauf, meint er, indem es auf alles andere als auf Wohlgefühl zielt. Die Abrichtung des Habichts im Buch misslingt denn auch, und sowieso geht es dem Autor wohl eher darum, selbst ein Habicht zu werden, mutmaßt der Rezensent. In diesem Tier aber wohnt der Wahnsinn, und die Beziehung zwischen Erzähler und Vogel entspinnt sich als Psychodrama, so Freund.