Post aus Borneo

Luft anhalten und durch

Von Doris Klein
25.03.2003. Das offizielle Indonesien hat ängstlich auf den Krieg reagiert - allzugroß ist die Angst vor radikalen Islamisten.
Die ersten Schatten fielen schon im vergangenen Oktober auf die in den Nachwehen von "nine-eleven" frisch geknüpfte amerikanisch-indonesische Freundschaft im Kampf gegen den Terror. Kaum hatte man sich der gegenseitigen Loyalität und Linientreue versichert, explodierten im Vorgarten des Inselstaates die verheerenden Bomben. Bockiges Leugnen der Fakten, schleppende Untersuchungen, und öffentlich mit den Mördern schäkernde Sicherheitskräfte taten ein übriges, die Ernsthaftigkeit der Absichten und des politischen Willens der indonesischen Regierung in Frage zu stellen. Das Ansehen hat einmal mehr Schaden genommen, die Wirtschaft pfeift auf dem letzten Loch, westliche Touristen und westliche Investoren nahmen Reißaus. Die axes of evil war gerade erfunden worden und die Losung vom wer-nicht-für-uns-ist-ist-gegen-uns ausgegeben. Und konnte man nicht etwa jeden Tag sehen, was man davon zu erwarten hatte, zur falschen Seite gerechnet zu werden? Alles nur das nicht!

Einen weiteren faux-pas kann sich Premierministerin Megawati nicht leisten. Nicht verwunderlich daher, dass man sich aus dem Tauziehen um die angloamerikanischen Kriegspläne gegen den Irak herausgehalten und versucht hat, so lange wie möglich die Luft anzuhalten.

Die wiederholten Aufforderungen im eigenen Land, endlich Stellung zu beziehen und den möglichen Alleingang der USA gegen den Irak deutlich zu verurteilen, hat die Präsidentin wacker ausgesessen. In ihrer Rede vor der Bewegung der Bündnisfreien Ende Februar wand sie sich, dass es eine Pracht war. Widerwilig und nur unter dem Druck der Moslemorganisationen zu Hause stimmte sie beinahe flüsternd in den allgemeinen Kanon der Kriegsgegner ein. "Krieg ist keine Lösung" war zu hören und dass es, so ganz generell, ein Unrecht sei, wenn ein mächtiges Land (a powerful country) unilateral gegen ein anderes Land vorgehe. Namen wurden nicht genannt.

Dass sie für ihre Nicht-Haltung zu Hause hat massive Schelte einstecken müssen, war ihrer Rede wenige Tage darauf beim Treffen der OIC (Organization of Islamic Countries) anzuhören. Ein möglicher Alleingang der britisch-amerikanischen Koalition ohne UN-Backing wurde verurteilt und die USA aufgefordert, die von ihnen stets ins Feld geführten demokratischen Prinzipien nunmehr selbst zu beherzigen und sich den UN zu unterstellen. Keinesfalls will man, auch von Seiten der Moslem-Organisationen, in den Kanon der Empfindlichkeiten und Generalisierungen vom 'Krieg gegen den Islam' einstimmen. Angesichts der Wirtschaftslage, einem gründlich beschädigten Image und trotz der innenpolitischen Dauerschwelbrände in Aceh, Papua und Ost-Timor und fehlender Kraft zu ernsthaften Reformen, versucht man verzweifelt, sich endlich als ernstzunehmender Staat und stabiler politischer Partner der modernen Welt würdig zu erweisen.

Beinahe vermasselt hat es wieder einmal der malaysische Präsident Mahatir, der beim OIC die Unworte dann doch aussprach und sich das statement, ein Krieg gegen den Irak könne als Krieg gegen den Islam gedeutet werden, nicht verkneifen wollte.

Die Vertreter aller indonesischen Religionsgruppen, die gerade von einem Besuch beim Papst zurückkehrten, wo sie für ihre Anti-Kriegs-Haltung warben, beeilten sich dann auch umgehend, der Äusserung Mahatirs zu wiedersprechen. Keinesfalls erachteten sie einen möglichen Militärschlag gegen den Irak als "Religionskrieg", keinen Zweifel jedoch ließen sie daran, dass sie einen solchen Krieg ohne UN-Mandat als ungerechtfertigt und außerhalb von Recht und Gesetz scharf verurteilen.

Um dieser Haltung Nachdruck zu verleihen, hat die größte Moslemorganisation NU (Nahdlatul Ulama) dieser Tage zu einem Massengebet geladen. Dem Aufruf folgten mehr als eine halbe Million Menschen, die sich in Surabaya versammelten um für Frieden und Sicherheit in Indonesien und den Frieden im Irak zu beten. Es war die bislang größte derartige Veranstaltung in der Geschichte der NU.

Fachruddin Masturo, einer der ranghöchsten Geistlichen der NU erntete mit seiner Rede vor dem Gebet tosenden Applaus, nicht wegen der innenpolitischen Themen, sondern mit der polemischen Frage, "Wer hat das Recht, ein Land zu bestrafen - die USA oder die Vereinten Nationen?" Nicht Saddam Hussein wolle man verteidigen, vielmehr stünden hier Werte wie Menschlichkeit, Gerechtigkeit und Weltordnung auf dem Spiel. Und man möge sich doch seitens der Amerikaner bitteschön an die selbst aufgestellten Spielregeln halten.

Klar ist allen, dass die NU eben nur für die moderate Mehrheit der indonesischen Moslems und die eigenen Mitglieder sprechen kann. Die Angst wächst, dass ein Konflikt im Nahen Osten den Radikalen in die Hände spielen, Ihnen Unterstützung verschaffen wird und die bislang friedlichen und geordneten Proteste wieder einmal gewalttätig und unkontrollierbar werden. Darüber, dass es Extremisten im Land gibt, gibt es seit Bali keine Zweifel mehr; diese Anschläge sind Indonesien zum Trauma und Schlüsselerlebnis geworden. Die Dinge, die in der Welt draußen passieren, betreffen plötzlich auch Indonesien und Ereignisse in Indonesien betreffen die äußere Welt.

Noch wirkt die Drohung der Regierung und die Einsicht der moderaten islamischen Kräfte, man könne den Zug in die entwickelte Welt zu verpassen, wenn man sich nicht endlich besinnt und ein Klima im Land schafft, das der Sanierung von Ansehen und Wirtschaft förderlich ist. Doch nicht alle scheinen daran zu glauben, dass diese Mühe sich lohnt; ein Perspektivwechsel ist unübersehbar. Eine massive Tourismus-Werbekampagne der großen Südostasiatischen Staaten zielte erfolgreich auf andere asiatische und arabische Kundschaft. Investoren sollen folgen.

Sollten die jetzt noch weitgehend als "Champions of Democracy" gehuldigten USA durch einen durch und durch antidemokratischen Alleingang gegen den Rest der Welt ihren moralischen Anspruch final im rechtlosen Raum verspielen, könnten die USA sich hier einen klassischen Bärendienst erweisen. Innenpolitisch verlöre die Präsidentin ein wichtiges Druckmittel, wenn die USA vom big brother zum outlaw mutierten. Die, die sich schon immer ein bisschen weiter nach Osten gelehnt haben, rieben sich die Hände. Eine weitgreifende Absage an den Westen in einer vielleicht nicht zu fernen Post-Megawati-Ära könnte die Folge sein, denn "To please the bad guys" wird als Motto nicht ziehen.