02.01.2002. Gerade ist ein Bericht zur Stimmung an Amerikas Hochschulen erschienen: "Zur Verteidigung der Zivilisation - Wie unsere Universitäten ihre Plicht gegenüber Amerika nicht erfüllen und was dagegen getan werden kann". Er klagt liberale Akademiker an, ihre Studenten mit anti-amerikanischen Friedensbotschaften zu indoktrinieren.
Amerika mag zur Zeit in einem Meer von
blau-weiß-roten Fahnen versinken. Doch Zivilisationswächter wie der
American Council of Trustees and Alumni (ACTA) sehen den patriotischen Geist ihres Landes in
höchster Gefahr. Die Washingtoner Lobbyisten-Gruppe, die von
Lynne Cheney, der Frau des US-Vizepräsidenten gegründet wurde, veröffentlichte kürzlich einen Bericht zur Stimmung an
Amerikas Hochschulen. In dem Report mit dem dramatischen Titel "Zur Verteidigung der Zivilisation
- Wie unsere Universitäten ihre Plicht gegenüber Amerika nicht erfüllen und was dagegen getan werden kann" kommen die konservativen Meinungsforscher zu dem Schluss, dass liberale Akademiker an den Hochschulen ihre Studenten mit anti-amerikanischen Friedensbotschaften indoktrinieren, obwohl die überwiegende Mehrheit der Amerikaner den
Krieg gegen Afghanistan doch unterstützt. Professoren seien das "schwache Glied in Amerikas Reaktion auf die Terrorattacken", schreiben die ACTA-Autoren. Viele predigten "
Toleranz und Meinungsvielfalt als Gegenmittel gegen das Böse" und "erheben ihre anklagenden Finger nicht gegen die Terroristen, sondern gegen Amerika".
Die selbsternannte Patriotismuspolizei durchkämmt Presseberichte, Hochschulzeitungen und Internet-Chatrooms nach anti-amerikanischer Propaganda. Auf ihrer Website werden
117 Beispiele zitiert, darunter auch eine Bemerkung von
Jesse Jackson, der in einem Vortrag vor angehenden Juristen an der
Harvard University sagte, Amerika müsse "
Brücken und Beziehungen herstellen und nicht nur Bomben werfen". Ebenfalls geächtet wird die Meinung von
Joel Beinin, Geschichtsprofessor an der
Stanford University, der in einem Zeitungsinterview bemerkte, dass man Osama Bin Laden am besten vor einem
internationalen Gerichtshof wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit anklagen sollte. Neben kontroversen Professoren registrieren die ACTA-Wächter aber auch
Äußerungen von Studenten. "Auge um Auge macht die Welt blind", der Spruch auf einem Transparent auf einer Antikriegsdemo, wird ebenso als Zeichen des schleichenden Anti-Amerikanismus in US-Hochschulen gedeutet wie der Sprechchor von Harvard-Studenten: "What do we want?
Freedom! When do we want it? Now!"
Hochschullehrer, die ihre oft aus dem Zusammenhang gerissenen Bemerkungen auf der ACTA-Liste fanden, sind empört. Der Report sei "der Gipfel in den Annalen schluderiger Wissenschaftlichkeit", erklärte
Todd Gitlin, Professor für Kommunikation an der
New York University. "Es ist ein
Mischmasch aus willkürlich zusammengetragenen Zitaten, von denen die wenigsten eine tiefe Opposition gegen amerikanische Außenpolitik ausdrücken." Für
Hugh Gusterson, Professor am
Massachusetts Institute of Technology, hat der Report sogar "einen Hauch von McCarthyism". Tatsächlich beabsichtigen die ACTA-Leute, ihren Bericht an
3.000 Hochschulorganisationen, Ehemaligenverbände und Sponsorengruppen zu schicken, damit diese ihren Einfluss gelten machen. Aufgeschreckt durch die Vorwürfe,
Schwarze Listen im Stil der Kommunistenhatz in den vierziger und fünfziger Jahren aufzustellen, haben die Autoren die Namen der des Anti-Amerikanismus bezichtigen Professoren weggelassen. Sie werden in dem Bericht lediglich als "ein Professor für Anthropologie an der Brown University..." oder "Linguistikprofessor, MIT..." identifiziert.
Der Report zur "Verteidigung der Zivilisation" ist der dritte Bericht des gemeinnützigen Hochschulrates, der sich als Wächter für "akademische Freiheit, Qualität und Verantwortlichkeit" versteht. Vorherige ACTA-Studien beklagten das mangelnde Interesse von US-Studenten an ihrer
Landesgeschichte. Und 1996 rügten sie die Akademikergemeinde für das
Verschwinden von Shakespeare von dem Englisch-Lehrplan. Vizepräsidenten-Gattin Lynne Cheney, die den Akademikerrat 1995 ins Leben rief und auf der ACTA-Website als "Aufsichtsratsvorsitzende Emeritus" genannt wird, ist schon in der Vergangenheit als
konservative Tugendwächterin aufgefallen. Vor Bushs Amtsantritt war sie eine treibende Kraft in der Kampagne gegen die nationale Kulturstiftung
NEA, weil diese angeblich zu viele
unsittliche Künstler fördere. Im Fall der anti-amerikanischen Umtriebe in Amerikas Universitäten weiß Frau Cheney auch schon eine Lösung: mehr
Pflichtkurse in amerikanischer Geschichte. Im Vorwort des ACTA-Berichts rät sie: "In Krisenzeiten ist es besonders offensichtlich, dass wir das Studium unserer eigenen Geschichte fördern müssen. Wir sollten verstehen, dass das Leben in Freiheit so ein kostbares Gut ist, dass Männer und Frauen seit Generationen bereit waren, alles dafür zu opfern." Im Zweifelsfall auch ein
bisschen Meinungsfreiheit.