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Was sind die Stimulantien des Schreibens, die Treibstoffe der Literatur? Band 24 der Reihe "Profile" thematisiert als Begleitbuch zur Sonderausstellung des Literaturmuseums in Österreich sowohl die rauschhaften Züge des Schreibens selbst als auch jene Literatur, die in unterschiedlichsten Spielformen von Rausch, Entrückung und Körpergetriebenheit handelt. Vielerlei Substanzen beflügeln die literarische Phantasie; andererseits können Askese und Selbstdisziplin notwendige Voraussetzungen literarischer Arbeit sein. Schriftsteller wie Ingeborg Bachmann, Peter Handke, Mela Hartwig, Franz Kafka,…mehr

Produktbeschreibung
Was sind die Stimulantien des Schreibens, die Treibstoffe der Literatur? Band 24 der Reihe "Profile" thematisiert als Begleitbuch zur Sonderausstellung des Literaturmuseums in Österreich sowohl die rauschhaften Züge des Schreibens selbst als auch jene Literatur, die in unterschiedlichsten Spielformen von Rausch, Entrückung und Körpergetriebenheit handelt. Vielerlei Substanzen beflügeln die literarische Phantasie; andererseits können Askese und Selbstdisziplin notwendige Voraussetzungen literarischer Arbeit sein. Schriftsteller wie Ingeborg Bachmann, Peter Handke, Mela Hartwig, Franz Kafka, Robert Musil, Adalbert Stifter u.a. werden auf diese Phänomene der Literaturgeschichte hin untersucht.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur WELT-Rezension

Nicht ganz so berauscht wie die hier auftauchenden Literaten ist Rezensent Philipp Haibach nach der Lektüre dieses Begleitbandes zur gleichnamigen Ausstellung im Literaturmuseum der Österreichischen Nationalbibliothek. Dass sich die Herausgeber vor allem auf österreichische Autoren konzentrieren, geht für den Kritiker in Ordnung: Er erfährt hier etwa, dass viele Blätter im Nachlass von Ingeborg Bachmann Brand- und Kaffeeflecken zeigten, wieviel Robert Musil rauchte oder dass Peter Handke die Askese vorzog. Bisweilen geraten die Beiträge aber doch sehr akademisch, meint der Rezensent, der sich stattdessen lieber ins "dionysische Meer der Prosa" jener Literaten stürzt.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.11.2017

Steppenwolf
gelesen, gekifft
Ein Katalogband zum
„Rausch des Schreibens“
Es schwirrt einem der Kopf. Kaum zu überblicken sind die Verbindungen zwischen Literatur und Rausch, und da trifft es sich gut, dass das Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien gerade in ihrer Ausstellung „Rausch des Schreibens“ etliche Fallbeispiele untersucht (noch bis 11. Februar 2018). Der Titel akzentuiert jene spezielle Möglichkeit des Rausches, die auf faszinierende Weise neben den üblichen Drogen wie Alkohol, Haschisch und allen möglichen Formen des Trinkens, Rauchens und Schluckens ihr Eigenleben führt: Sie kann im Schreibvorgang selbst bestehen.
Es gibt schöne Beispiele dafür, wie sich die Ekstase in der Handschrift zeigt. Bei Gert Jonke ist das Schriftbild genauso exzessiv wie bei Georg Trakl, aber es sieht ganz anders aus, und an Robert Musils Handschrift zeigt sich ein Zwangscharakter, der in seinem Jahrhundert seinesgleichen suchte. Ein unerwartet direktes Beispiel, mit einem ungeahnten Sujet, findet sich sogar bei dem scharfsinnigen und kristallinen Intellektuellen Walter Benjamin: „Einen letzten Anstoß Haschisch zu nehmen, gaben mir gewisse Seiten im ‚Steppenwolf‘, die ich heute früh gelesen hatte.“ Manchmal kann selbst Hermann Hesse wie eine Droge wirken.
Hans-Georg Kemper geht im Katalog der extremen „Rauschbiografie“ Georg Trakls nach. Schon in der Schule nahm dieser farbenglühende Beschwörer des Herbstes Zuflucht zu Chloroform, und als verhängnisvoll erwies sich die Berufswahl des Apothekers. Der Zusammenhang zwischen Trakls Schreibweise und seiner Rauschmittelsucht ist unverkennbar. Raum und Zeitempfinden verändern sich, es entstehen waghalsige Gleichzeitigkeiten und Reihungen, und der expressionistische Ausdrucksstil, den Trakl mit erfunden hat, hat objektiv nachweisbare Entsprechungen zu den konkreten Wahrnehmungsformen eines Kokainberauschten.
Hans Höller beginnt seinen Beitrag über Ingeborg Bachmann mit einem Gedicht der noch nicht einmal Zwanzigjährigen, in dem sie die Vision eines „trunkenen Dichters“ entwirft. Diese von Bachmann früh evozierte Trunkenheit ist etwas Existenzielles, sie hat überhaupt nichts mit Alkohol oder anderen Stimulanzien zu tun, sondern es geht um eine Erhebung, um eine Distanz zum Alltag und der landläufigen Wirklichkeit. Es ist frappierend, wie Bachmann schon zu Beginn ihrer schreiberischen Tätigkeit dieses Leitmotiv ihrer Literatur beschwört: „In meiner Trunkenheit kann ich nur maßlos sein und trinken und nehmen und dauern.“
Auch im Nachlass Robert Musils finden sich ungeahnte Dokumente. Eines ist überschrieben mit den Worten „Tabelle des Zigarettenrauchens im letzten Jahr“. Musil begann im Dezember 1940 in Genf, seinen täglichen Zigarettenkonsum in ein Heftchen einzutragen. Ziel war dabei der Sieg in einem Kampf, den Musil nicht gewinnen konnte. Er versuchte, das Rauchen und das Schreiben gegeneinander auszuspielen, doch es war völlig klar: die Vorgabe „Arbeite statt zu rauchen“ erwies sich als total vergeblich. Immerhin weist Walter Fanta minutiös nach, wie sich bei Musil die Folgen eines Schlaganfalls im Duktus seines Lebenswerks, des „Mannes ohne Eigenschaften“, zeigen: alles wird enger, geraffter und gespannter.
Ganz anders ist die Lage bei Peter Handke. Hier geht es um die kongeniale Verbindung von Rausch und Askese. Gelegentlich lässt die unermüdliche Handke-Exegetin Katharina Pektor zwar einfließen, dass ab und zu ein Glas Wein nicht gänzlich ausgeschlossen ist – aber der spezifische Schreibrausch bei Handke hat ausschließlich etwas mit einer Intensivierung des Erfahrens durch den Schreibvorgang selbst zu tun. In einigen Theaterstücken spielt das Bild des Schaukelns eine ausschlaggebende Rolle. Es geht zunächst um ein Sich-Hinaufschaukeln, bis am „Gipfel- oder Kipp-Punkt“, zusammen mit einer „jähen Verlangsamung“, die Selbst- und die Weltwahrnehmung sich ändert. Man kann das auch sehr schön an den Manuskripten Handkes ablesen, von denen einige Faksimiles abgedruckt sind. Handke nimmt das Schreiben gleichzeitig sehr ernst und sehr leicht, das wirkt wie ein Inbegriff literarischer Ekstase.
HELMUT BÖTTIGER
Katharina Manojlovic, Kerstin Putz (Hrsg.): Im Rausch des Schreibens. Von Musil bis Bachmann. Paul Zsolnay Verlag, Wien 2017. 383 S., 27 Euro.
Robert Musils Selbstbeschwörung
„Arbeite statt zu rauchen“ erwies
sich als vollkommen wirkungslos
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"Aufschlussreich - und ungemein stimulierend, rein intellektuell versteht sich, ist der von Katharina Manojlovic und Kerstin Putz herausgegebene Katalog zur Ausstellung, der es versteht, das Gesehene auf äußerst geistreiche Art zu vertiefen." Joachim Leitner, Tiroler Tageszeitung, 11.12.17