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In der deutschen Gegenwartslyrik gibt es keine Stimme wie diese!»Plötzlich alles da« ist wie eine Zauberformel. Der Ursprung, die Magie von Gedichten ist in ihr gefasst. Verlorenes und Bedrohtes, Verblasstes und Ersehntes werden ins Leben gesungen, sind mit einem Mal voll da. Dann sprechen sie zu uns, öffnen und verwandeln sich und werden auf eine höhere Ebene transponiert. Die Bewegung zum Scheitelpunkt des »plötzlich« lässt aber auch schon die Umkehrung zum »Plötzlich alles weg« erahnen, das die Versehrtheit und den Verlust umspannt. Die Vielfalt und Dringlichkeit der Themen reißt Grenzen…mehr

Produktbeschreibung
In der deutschen Gegenwartslyrik gibt es keine Stimme wie diese!»Plötzlich alles da« ist wie eine Zauberformel. Der Ursprung, die Magie von Gedichten ist in ihr gefasst. Verlorenes und Bedrohtes, Verblasstes und Ersehntes werden ins Leben gesungen, sind mit einem Mal voll da. Dann sprechen sie zu uns, öffnen und verwandeln sich und werden auf eine höhere Ebene transponiert. Die Bewegung zum Scheitelpunkt des »plötzlich« lässt aber auch schon die Umkehrung zum »Plötzlich alles weg« erahnen, das die Versehrtheit und den Verlust umspannt. Die Vielfalt und Dringlichkeit der Themen reißt Grenzen ein. Vergessene Lieder steigen hoch aus der Brunnenstube des Erinnerns. Die vermeintliche Trennwand zwischen Tier und Mensch bricht auf, denn der Lebenstrieb des anderen Lebendigen, und sein Schmerz, ist auch der eigene. Trauer und Wut über die Zerstörung der Natur steht neben der dunklen Vergegenwärtigung der Nazibesatzung Lapplands. Nur von der Sprache kann all dies aufgefangen werden - behütet von der pietà der poesie. Zugleich setzt das Eintauchen in die finno-ugrische Tradition mit ihrem mythischen ganzheitlichen Begreifen der Tiere, z._B. des Bären, der heutigen Sichtweise etwas Bedenkenswertes entgegen. Sie ist weniger weit entfernt von der Anfangs-Einheit des Paradieses.
Autorenporträt
Dorothea Grünzweig geb. 1952 in Korntal (Württemberg), studierte Germanistik und Anglistik. Nach einer Tätigkeit an der schottischen Universität Dundee arbeitete sie als Lehrerin in Deutschland und in Helsinki, wohin sie 1989 zog. Seit 1998 lebt sie als freie Schriftstellerin und Lyrik-Übersetzerin in einem Dorf in Südfinnland. Dorothea Grünzweig wurde mit zahlreichen Stipendien und Preisen ausgezeichnet, darunter der Lyrik-Preis der Stiftung Niedersachsen (1997), der Christian-Wagner-Preis (2004) und der Anke-Bennholdt-Thomsen-Lyrikpreis (2010). Auszeichnungen: 1997: Lyrikpreis der Stiftung Niedersachsen 2000: Heinrich-Heine-Stipendium in Lüneburg 2004: Christian-Wagner-Preis 2008: Jahresstipendium des Landes Baden-Württemberg 2010: Anke-Bennholdt-Thomsen Lyrikpreis 2018: Kurt Sigel-Lyrikpreis des deutschen PEN
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Nico Bleutge liest gerne Dorothea Grünzweigs Gedichte, in denen sich Erinnerungen an die verstorbene Mutter und die Kindheit in Baden-Württemberg mit Naturbetrachtungen Finnlands verbinden. Dem Rezensenten gefällt, wie die Dichterin in ihren musikalisch anmutenden Texten finnische mit schwäbischen Wörtern kombiniere, eine "Sphäre von "Leid und Liebe" schaffe und den Blick nach innen mit dem auf die Landschaft verbinde. Einzig, dass Grünzweig dabei die von ihr kritisierte, die Natur unterwerfende Ideologie des Profits nicht genauso "wundersam gebrochen und sprachlich verschlickt" zu formulieren vermag, wie ihre Landschaftsbeschreibungen, bedauert Bleutge, der sich dem "Brabbeln und Lullen der Wörter" dennoch nicht entziehen kann.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 30.10.2020

Wandern im
Trauerschlick
Dorothea Grünzweig facht
den Möglichkeitssinn an
In Karelien wurden die Verstorbenen einst an Erinnerungstagen in ihre Häuser zurückgeholt. Sie erhielten Essen, ein eigenes Bett, sogar die Sauna bot man ihnen an. Vor allem aber widmete man ihnen Lieder – Strophen und Melodien, die im ganzen Haus zu hören waren: „sie wurden / geschildert besungen danach wieder zurückgefahren zum hiisi / dem hain mit den heiligen unantastbaren bäumen“.
Als ein solches Erinnerungshaus hat die Dichterin Dorothea Grünzweig ihren neuen Gedichtband eingerichtet. Die Toten wollen nicht nur Blumen und Besuche am Grab, sie wollen Ansprache und Lieder, davon ist Grünzweig überzeugt. Der geheime Fluchtpunkt ihres Buches ist der Tod der eigenen Mutter. Wie jene Bartflechten, die einmal erwähnt werden, durchzieht er mit seinen metaphorischen Verästelungen noch den unscheinbarsten Vers. Hängt in Form von Tropfen und Herzen an Wänden, Decken und Fenstern, zusammengerollt oder ausfasernd, in jedem Fall zugewandt – „ein dichter zusammenhalt durch den wir nicht fallen können“.
„Naava“ heißt die Bartflechte im Finnischen. Vor vielen Jahren hat sich Dorothea Grünzweig aus Baden-Württemberg in den hohen Norden zurückgezogen. Von ihrem finnischen Dorf aus schickt sie nicht nur Lieder in die Welt, sie zieht auch los und sammelt finnische Wörter, sei es auf Reisen, sei es in Wörterbüchern. Diese Wörter, die zum Beispiel der samischen Mythologie entnommen sind, verbindet sie mit schwäbischen Kindheitswörtern wie „luderer“, „biberle“ oder „einschnurren“. Als kleine Einsprengsel rauen sie die Oberfläche der Verse immer wieder auf, schließen sich mit versteckten Reimen kurz, die den erzählenden Grundton der Gedichte liedhaft anreichern.
Mit der Erinnerung an die Mutter tritt die eigene Kindheit hervor, das religiöse Elternhaus mit seinen Riten und Kirchenliedern, aber auch die Welt der Erzählungen mitsamt den „schlupflöchern“ zu einer unfassbaren Sphäre: „legenden und mythen denken in uns seit unserer / kindheit (...) / haben das zeug sich über alle tage zu breiten / alle alle erdenklichen tage als wehrhaftes dichtes gefieder“.
So wundert es kaum, dass Grünzweig nach dem Durchwandern des „trauerschlicks“ den inneren Blick mit dem Blick nach außen verbindet und sich die Landschaft ersingt. Das Lied trägt nicht nur lautlich Leid und Liebe gleichermaßen in sich. Geleitet von der alten romantischen Idee, die Dichterin müsse die Namen befreien, die in den Tieren, Pflanzen und Steinen sitzen, schafft sie es in ihren stärksten Gedichten, zugleich Sprache als Sprache zu zeigen und aus Lautwirbeln, aus dem Brabbeln und Lullen der Wörter die Vorstellungen zum Klingen zu bringen: „laulaa singen / mit lintuja den vögeln / lallen mit allem laub“.
Allerdings ist die Kehrseite dieses Versuchs, in den Sommer und sein Grün „ganz hineinzukommen“, ein sehr einfaches Abwehren aller Gegenwartsmomente, die Pflanzen und Tiere vermeintlich gefährden. Anstatt die Kritik an einem Denken, das alles entfernt, „was kein geld bringt“, genauso wundersam gebrochen und sprachlich verschlickt zu gestalten wie das Lob der Landschaft, greift Grünzweig zu platter Gegenwartskritik in Form von klaren Aussagen. Hier die „leisen wörter“ des finnischen Dorfes, dort der „sprachlärm“ der Stadt, hier die „huf- und tatzenspuren“ der Tiere, dort „die jäger die zum morden in den norden fahren“, hier „all you need is love“, dort die „abgestumpften herzen“. So gelingt es ihr nicht, die sprachlichen Strukturen der kritisierten Ideologie zu reflektieren, stattdessen wiederholt sie nur deren Sagweisen, die ganz auf Eindeutigkeit und Abgrenzung zielen. Und manchmal einfach Kitsch sind.
Viel lieber liest man Grünzweigs Gedichte, wo sie „wiegende worte“ für die Mutter und die eigene Wahrnehmung findet. Und erinnert sich sehr gerne an die „drosseltrauer“, die über dem Frühling liegt. An Formulierungen wie „kleines wärmchen“. Oder an den „regen möglichkeitssinn“, der beim Singen alter Lieder angefacht wird.
NICO BLEUTGE
Dorothea Grünzweig: Plötzlich alles da. Gedichte. Wallstein Verlag, Göttingen 2020. 140 S., 24 Euro.
„laulaa singen / mit
lintuja den vögeln /
lallen mit allem laub“
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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»Dorothea Grünzweig ist keine Entdeckung oder Empfehlung, sondern eine der großen deutschsprachigen Dichterinnen unserer Zeit.« (Nora Bossong, Lyrik-Empfehlungen 2021) »berührende Zeugnisse der Innerlichkeit, ein Lobgesang auf Subjektivität und die Verzauberung durch bildreiche Sprachkunst« (Björn Hayer, neues deutschland, 21.11.2020) »Viel Schmerz und Trauer, Wut stecken in diesen Versen, viel Schönheit auch, und nur wenig Hoffnung.« (Bettina Hartz, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 29.11.2020) »(Dorothea Grünzweig) schreibt an einem ziemlich singulären lyrischen Werk, das sich allen Konventionen verweigert.« (Andreas Wirthensohn, Wiener Zeitung extra, 13./14.02.2021) »Dorothea Grünzweigs Sprache gelingt es, sehr lebendig Erlebnisse und Geschichten abzubilden.« (Timo Brandt, signaturen-magazin.de, 13.11.2020) »eine deutsche Gedichtsprache, die finnischer kaum anmuten könnte - das fasziniert immer wieder« (Jessika Kuehn-Velten, Deutsch-Finnische Rundschau, Dezember 2020) »Dorothea Grünzweigs empfindsame, feinnervige Dichtung schenkt uns ein Obdach auf Zeit.« (Thorsten Paprotny, Am Erker 80, April 2021) »Die Lyrik von Dorothea Grünzweig bekommt durch die finno-schwäbisch-deutschen Verwebungen einen ganz eigenen Sound« (Matthias Ehlers, WDR 5 Bücher, 15.05.2021) »Dororthea Grünzweig gelingt mit diesem Band Großes - weise, leise summt sie den Gesang der Erde.« (Klaus-Martin Bresgott, zeitzeichen, 9/2021)