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Durch die Geschichte hindurch blickte der Westen auf den Osten herab. Mal war er der Burggraben, der die Festung Europa von den Weiten Asiens trennte, mal eine Art Vorzimmer, mal die Nachhut auf dem großen Weg in die Zukunft. Umgekehrt fühlte sich der Osten vom westlichen Vorbild verkannt und geringgeschätzt, ärgerte sich über dessen Gleichgültigkeit und Arroganz. Die Konflikte werden gerade wieder aktuell. Norbert Mappes-Niediek beschäftigt sich seit Jahrzehnten als Korrespondent und Politikberater mit Osteuropa. In seinem Buch erklärt er, warum der Ost-West-Gegensatz nach dem Ende des Kalten…mehr

Produktbeschreibung
Durch die Geschichte hindurch blickte der Westen auf den Osten herab. Mal war er der Burggraben, der die Festung Europa von den Weiten Asiens trennte, mal eine Art Vorzimmer, mal die Nachhut auf dem großen Weg in die Zukunft. Umgekehrt fühlte sich der Osten vom westlichen Vorbild verkannt und geringgeschätzt, ärgerte sich über dessen Gleichgültigkeit und Arroganz. Die Konflikte werden gerade wieder aktuell.
Norbert Mappes-Niediek beschäftigt sich seit Jahrzehnten als Korrespondent und Politikberater mit Osteuropa. In seinem Buch erklärt er, warum der Ost-West-Gegensatz nach dem Ende des Kalten Krieges nicht überwunden wurde, sondern sich neu aufgebaut hat. Und er zeigt Wege auf, wie man besser miteinander umgehen kann. Der Westen sollte den Osten nicht erziehen wollen, sondern einfach versuchen, ihn zu verstehen.
Autorenporträt
Norbert Mappes-Niediek, Jahrgang 1953; lebt seit 1992 als freier Korrespondent für Österreich und Südosteuropa in der Steiermark/Österreich, 1994/95 Berater des UNO-Sonderbeauftragten für das ehemalige Jugoslawien, Yasushi Akashi. Er schreibt u.a. für Frankfurter Rundschau, Standard (Wien) und NRC Handelsblad (Rotterdam).
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensentin Sofia Dreisbach erfährt anhand des Bildes, das Norbert Mappes-Niediek von der Beziehung zwischen Ost- und Westeuropa zeichnet, das die Trennlinien politisch, wirtschaftlich und soziokulturell sind. Vom Schisma 1054 bis zum Eisernen Vorhang und dem Eurovision Songcontest 2007 analysiert der Autor laut Dreisbach diese Linien und stellt etwa fest, wie unterschiedlich die Erinnerungskulturen bezüglich des Zweiten Weltkriegs beschaffen sind. Dass der Autor seine Erkundungen mit Anekdoten würzt und die Rolle der EU im Einigungsprozess betont, gefällt der Rezensentin. Nur einmal verfällt der Autor laut Dreisbach in eben die Stereotype, gegen die er eigentlich anschreibt: Wenn er von der Alkoholseligkeit in Serbien und Russland spricht.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.08.2021

Kulturelle und andere Missverständnisse
Ein Lernbuch über das schwierige Verhältnis von "Ost" und "West" in Europa

Der Blick von Westen nach Osten sei vor allem eines: flüchtig, schreibt der Autor und hat damit auf den ersten Seiten seines Buches gleich das Grundproblem festgemacht. Norbert Mappes-Niediek zeichnet das Bild vom Westen als Lehrer, vom Osten als Schüler. "Das Setting schließt Gleichwertigkeit aus", schreibt er, "was soll man von Schülern lernen können?" Doch den Schlüssel des Problems sieht Mappes-Niediek im Westen. So macht sich der Autor in sechs Kapiteln daran, die Trennlinien zwischen Ost und West nicht nur zu beschreiben, sondern zu ergründen.

Das jahrhundertealte Thema scheint aktueller denn je, hadert die Europäische Union doch mit den Rechtsstaatsdefiziten ihrer Mitgliedsländer Polen und Ungarn, ist das Verhältnis Moskaus zum Westen an einem Tiefpunkt angelangt, schaut man fassungslos in das EU-Nachbarland Belarus, in dem der Diktator Alexandr Lukaschenko mit aller Härte gegen die Opposition vorgeht. Doch warum geht es im Ost-West-Verhältnis meistens um Lehrer und Schüler, um Gewinner und Verlierer, um den ersten und den zweiten Platz auf dem Treppchen? Mappes-Niediek geht dieser Frage gut lesbar nach, historisch, politisch, wirtschaftlich und soziokulturell, etwa vom Schisma 1054 über das Europa der verschiedenen Reiche im 18. Jahrhundert bis hin zum Eisernen Vorhang.

Der Himmel über Europa ist seit Längerem geteilt, doch bleibt der Autor nicht nur in der Vergangenheit. Beim Eurovision-Songcontest 2007 habe sich scheinbar ein "neues Wesen bemerkbar gemacht: ,der Osteuropäer'". Damals hatten Länder aus dem ehemaligen kommunistischen Machtbereich 14 der ersten 16 Plätze belegt. "Der Osteuropäer war das Geschöpf der Westeuropäer, schreibt Mappes-Niediek. Dabei hätten die Osteuropäer aller Nationen nichts weniger sein wollen als solche. Auch an dieser Stelle sucht der Autor die Erklärung in der Geschichte, schreibt über das unterschiedliche Verständnis von Nationalität und Staatsangehörigkeit, über die unterschiedliche Entstehung der Nation im "vereinheitlichten Westen" und dem "zerklüfteten Osten".

Als einen Grund für die Trennlinien zwischen Ost und West macht Mappes-Niediek auch die offizielle Erinnerungskultur aus, die sich nach dreißig Jahren noch gewaltig unterscheide, vor allem in Bezug auf den Zweiten Weltkrieg, den Holocaust und die Verbrechen des Stalinismus. "Die Geschichtspolitik funktioniert wie ein Wippe: Wo die Verbrechen des Stalinismus herausgestellt werden, geraten die des Nationalsozialismus aus dem Blick." Im Kapitel zur Wirtschaft ("Wie große Gewinner so unglücklich sein können") diskutiert Mappes-Niediek die Wahrnehmung der osteuropäischen EU-Mitglieder. In den Augen vieler seien sie die Nutznießer: "Haben die Beitrittsländer, bevor sie Mitglied werden durften, sich nicht regelmäßig Reifeprüfungen unterziehen müssen?" Und habe man da nicht das eine oder andere Auge zugedrückt?

Doch der Autor macht eine andere Rechnung auf und verweist auf die östliche Perspektive, aus der die Rollen vertauscht seien: Schließlich profitierten westliche Unternehmen von den niedrigeren Löhnen, hätten den Ländern die Regeln selbst aufgedrückt. "Und müssen wir es uns gefallen lassen, dass westliche Länder ihre Probleme mit Zuwanderung zu uns exportieren? Uns, die wir doch täglich Experten, Ärzte, Fachleute, Wissenschaftler an euch verlieren?" Mappes-Niediek macht sich zum Verteidiger des Ostens, wirbt für mehr Verständnis, auch mit provokanten Thesen und Erklärungen.

Immer wieder streut der Autor Anekdoten und Szenen ein, zum Thema Migration etwa einen Werbespot, der die massenhafte Abwanderung aufs Korn nimmt, oder die Beschreibung der Lage in inzwischen beinahe menschenleeren Dörfern. Die Region ist ihm als früherem Berater des UN-Sonderbeauftragten für das ehemalige Jugoslawien und langjährigem freien Korrespondenten für Südosteuropa bestens vertraut. Beim Thema Alltagskultur schildert Mappes-Niediek denn auch, wie unterschiedlich die Länder sind, die weithin als "der Osten" verstanden werden. "Wüsste man nichts von Grenzen und Sprachen, und müsste man die Menschen einfach nur beobachten, würde man Ost-West-Trennlinien kaum ziehen können."

Doch in diesem fünften Kapitel geschieht es, dass der Autor, der in seinem Buch bis dato immer wieder stereotype Sichtweisen hinterfragt, für einen Moment in ebenjene abrutscht. Zwar zitiert er zum Alkoholkonsum in europäischen Ländern auch Studien. Doch Aussagen wie: "In Serbien kultivieren manche die Sitte, morgens vor dem Frühstück einen Sliwowitz zu kippen" oder "von den Britischen Inseln über Skandinavien bis nach Polen und Russland" trinke man "nicht täglich, dafür aber gründlich" wirken zu pauschal.

Kulturelle Missverständnisse macht Mappes-Niediek auch für politische Fehleinschätzungen verantwortlich. Der Autor nimmt die Europäische Gemeinschaft in die Pflicht. "Auf der Ebene der großen Politik kam das westliche Desinteresse am Osten als freudige Verbrüderung daher." Anstatt sich mit den Herausforderungen durch die Erweiterung der EU zu beschäftigen, habe man die Politiker der neuen Mitgliedsländer "ohne weiteres" in die Parteienfamilien aufgenommen. Die EVP etwa habe so lange am ungarischen Fidesz festgehalten, bis der Vorsitzende Viktor Orbán mit der Parole von der "illiberalen Demokratie" provozierte. Doch Mappes-Niediek ist hoffnungsvoll. Über die gekippte Stimmung der Osteuropäer schreibt er: "Was gekippt ist, kann auch wieder zurückkippen."

SOFIA DREISBACH

Norbert Mappes-Niediek: Europas geteilter Himmel. Warum der Westen den Osten nicht versteht.

Ch. Links Verlag, Berlin 2021. 304 S., 22,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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