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»Kapitalismus ist auch Scheiße, hat Paul gesagt, diesen einen Satz. Sonst nichts. Seitdem schweigt er, liegt im Sand, starrt in den makellos blauen Himmel und schweigt. Linda sitzt neben ihm, den Kopf abgewendet, wie die junge Frau auf Walter Womackas Gemälde Am Strand. Nur, dass sich Paul eben nicht wie der junge Mann neben dem Mädchen aufstützt und es forschend betrachtet, Paul hat keinen Blick für Linda und niemanden sonst, nicht mal für den Jungen, der zu seinen Füßen krabbelt.«Zwei junge Leute im Osten Berlins. Dort, wo die Stadt sich schick gemacht hat - und teuer wird. Paul, der Musik…mehr

Produktbeschreibung
»Kapitalismus ist auch Scheiße, hat Paul gesagt, diesen einen Satz. Sonst nichts. Seitdem schweigt er, liegt im Sand, starrt in den makellos blauen Himmel und schweigt. Linda sitzt neben ihm, den Kopf abgewendet, wie die junge Frau auf Walter Womackas Gemälde Am Strand. Nur, dass sich Paul eben nicht wie der junge Mann neben dem Mädchen aufstützt und es forschend betrachtet, Paul hat keinen Blick für Linda und niemanden sonst, nicht mal für den Jungen, der zu seinen Füßen krabbelt.«Zwei junge Leute im Osten Berlins. Dort, wo die Stadt sich schick gemacht hat - und teuer wird. Paul, der Musik machen will, hat sich als Hausmeister für den »Mogul« verdingt, dem nicht nur dieser Laden gehört. Linda, Pauls Freundin, hat ihr Studium geschmissen, ein Kind bekommen und kellnert wieder in einem Café. So kommen sie über die Runden, zumal Pauls Eltern aushelfen können. Nun erleben beide, Linda und Paul, eine magische Nacht: getrennt. Wirklichkeit und Traum berühren sich. Und es geht natürlich um alles. Auch um das Glück.
Autorenporträt
Andreas Montag, 1956 in Gotha geboren, lebt als Journalist und Schriftsteller in Halle (Saale) und Berlin. Nach Ausbildung zum Bibliothekar und Studium am Literaturinstitut »Johannes R. Becher« in Leipzig arbeitete er als Packer, Patientenbetreuer im Krankenhaus, Bibliothekar und seit 1986 als Schriftsteller. 1990 nahm er am Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt teil. Im selben Jahr wurde er Mitglied der Redaktion der Mitteldeutschen Zeitung in Halle (Saale), wo er seit 1996 Ressortleiter Kultur ist. Er ist Mitglied des PEN-Zentrums Deutschland.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Kevin Hanschke legt sich ins Zeug, um Andreas Montags "spezifisch ostdeutsche" Coming-of-Age-Story zu empfehlen. Irgendwie scheint er sich ziemlich wohlgefühlt zu haben mit den beiden Protagonisten, einem jungen Paar der ersten Nachwendegeneration im Prenzlauer Berg, ihren Problemen und Enttäuschungen. Die Mieten steigen, die Jobs werden knapp, die Beziehung bröckelt, und man fährt mit der Klampfe im Gepäck an die Ostsee und singt Bob Dylan. Hanschke scheint das zu kennen. Ebenso das Setting des Buches zwischen Storkower Straße und Prenzlauer und die melancholische Atmosphäre, die den Rezensenten an "Paul und Paula" erinnert. Als ostalgische Ode an die Liebe und Berlin funktioniert der Text für Hanschke prima.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.05.2022

Die Legende von Paul und Linda
Von Luft und Liebe leben, heute in Berlin: Andreas Montags Erzählung "Glückliche Menschen"

Ohne die gesellschaftlichen Konventionen wäre es wohl gut mit dem jungen Liebesglück ausgegangen. Paul und Linda sind seit einigen Jahren ein Paar und haben einen kleinen Sohn. Dennoch sind die beiden in einer Zwischenphase, kurz vor dem richtigen Erwachsenwerden, obwohl alle in ihrem Umfeld danach verlangen. "Wir sind jung, wir sind schön" ist ein Satz, der oft fällt, wenn die beiden über ihre glückliche Beziehung reflektieren.

Doch in Andreas Montags kluger Erzählung "Glückliche Menschen" ist nichts so, wie es scheint. Der kurze Roman des Kulturjournalisten, der für die "Mitteldeutsche Zeitung" schreibt, ist im Berliner Quintus-Verlag erschienen und erzählt von zwei jungen Erwachsenen, die aus der ersten Nachwendegeneration stammen und im neuen alten Ostberlin ihren Weg finden müssen.

Während Paul sich als Hausmeister verdingt, um seine Familie durchzubringen, und eigentlich davon träumt, mit der Gitarrenmusik Geld zu verdienen, hat Linda erst studiert, dann ihr Studium geschmissen und muss jetzt in einem kleinen Café kellnern. Das Paar kommt über die Runden - noch leben sie vor allem von "Luft und Liebe". Doch der Druck nimmt auch für sie zu, weil die Mieten im Prenzlauer Berg steigen und die Ansprüche groß sind. Paul muss sich bei Körner verdingen, einem skrupellosen Miethai, der im ganzen Kiez nur "der Mogul" genannt wird. Mit dieser Arbeitsstelle setzt auch das Unglück ein, das sie treffen wird. "Aber ob sie miteinander alt werden? Linda kann es sich nicht vorstellen", heißt es dann.

Montag beschreibt das Leben der beiden, die im Plattenbau aufgewachsen sind und wenig mit der grünen Wohlstandsinsel zu tun haben, für die ihr Heimatkiez heute steht. Besonders eindrücklich sind die Schilderungen der Familiensituationen des Pärchens. Er erzählt von Männern, die trinken, schlagen oder fremdgehen. "Diese Typen, die sich selbst und ihre Welt ständig vorzeigen müssen, Vater Horst wie der Mogul, jeder ein kleiner König und immer auf Bewunderung aus."

Manche in diesem Buch sind Wendeverlierer, andere Wendegewinner, von allen analysiert Montag die psychologische Struktur, auch durch seine äußerst klare Sprache: "In der Storkower Straße lebten sie im Plattenbau, drei kleine Zimmer. Es war eng und laut." Die "starken Hände" der saufenden Väter verfolgen sie bis ins Erwachsenenleben, "der Vater, er ist irgendwie immer da, aber auch nicht loszukriegen". Manchmal wirkt das ein wenig holzschnittartig. Doch Montag schafft im Zusammenspiel der Charaktere ein Menschenmosaik - mit Robin beispielsweise, dem besten Freund von Paul, der diesen in den großen Lebens- und Liebesfragen berät. "Sie hatten sich einmal tief in die Augen gesehen und entschieden, Freunde zu werden." Paul bleibt der ewige Träumer, der auf der Suche ist, und Linda seine Partnerin, die zu ihm hält.

Und so plätschert die Liebesgeschichte von Partys über Elternbesuche, Seeausflüge und Kneipenabende dahin. Immer wieder tauchen surreale Sequenzen auf, Fragmente einer Nacht des Betruges, in der beide Partner den falschen Pfad nehmen. Mit der auktorialen Erzählstimme schafft Montag ein intimes Porträt der ersten Nachwendegeneration, die nicht so richtig angekommen zu sein scheint und von den Transformationseinschnitten der Elterngeneration geprägt ist. Er reiht in dieser biographischen Collage Fragmente aneinander und verbindet sie mit Kommentaren zu politischen und sozialen Entwicklungen nach der Wiedervereinigung. "Linda wollte nur raus. Weit fort. Und keinen Gedanken an zu Hause, an die muffige Küche, in der es ewig nach kaltem Essen, Rauch und Verzweiflung roch."

Besonders schön sind die endlosen Rundgänge durch das Berlin zwischen Storkower Straße und Prenzlauer Allee, Alexanderplatz und Kollwitzkiez. Das Buch erinnert dadurch an Heiner Carows Spielfilm "Die Legende von Paul und Paula". Es wird in dieser surrealen Zwischenzone abgerissen, gebaggert und umgewühlt - im Stadtbild wie im Privatleben. Am Ende sind beide fremdgegangen. Ihre Gegenüber, die jeder für ein gesellschaftliches Problem stehen, haben es geschafft, sie zu brechen. "Kapitalismus ist auch scheiße", sagt Paul, als beide am Sandstrand an der Ostsee liegen. Doch auch über diesem Urlaub liegt der Schatten des Fremdgehens, den Montag so subtil beschreibt.

Symbol dafür ist der Blues, den Paul stets hat, nicht nur im Austausch mit anderen, sondern auch, wenn er Musik macht, mit der Gitarre, die er immer bei sich trägt, so auch beim Campen. Die wohl schönste Szene ist ein Ausflug nach Angermünde, als die beiden sich zum ersten Mal annähern. Von da an wird klar, dass dies eine etwas andere Coming-of-Age-Geschichte für junge Erwachsene ist, nämlich eine spezifisch ostdeutsche. Ganz am Ende spielt Paul "Knockin' on Heaven's Door" von Bob Dylan - Hoffnung und Trauer fallen in Berlin eng zusammen: "So finster sind die Nächte hier nicht. Eigentlich hört die Dämmerung niemals auf." Und so ist dieses kleine Buch eine träumerische Ode an die Liebe, deren Sollbruchstellen, das Vergeben und die wiedervereinigte Hauptstadt. KEVIN HANSCHKE

Andreas Montag:

"Glückliche Menschen". Erzählung.

Quintus-Verlag, Berlin 2022. 112 S., geb., 20,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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