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Am 27. März 2011 starb mit nur 36 Jahren die jüdische Religionsphilosophin Francesca Yardenit Albertini, gebürtige Römerin, emphatische Wahldeutsche, Grenzgängerin zwischen Italien, Deutschland, den USA und Israel, eine leidenschaftliche Forscherin und Hochschullehrerin. "Eine Begabung, wie sie nur einmal in einem halben Jahrhundert anzutreffen ist", so der Religionsphilosoph Bernhard Casper. Mit großer Kenntnis der Sprachen, dem Renaissanceideal einer klassischen Bildung und tief verwurzelt in der aufklärerischen Moderne kämpfte sie für die Idee eines neuen Verhältnisses zwischen Deutschen…mehr

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Produktbeschreibung
Am 27. März 2011 starb mit nur 36 Jahren die jüdische Religionsphilosophin Francesca Yardenit Albertini, gebürtige Römerin, emphatische Wahldeutsche, Grenzgängerin zwischen Italien, Deutschland, den USA und Israel, eine leidenschaftliche Forscherin und Hochschullehrerin. "Eine Begabung, wie sie nur einmal in einem halben Jahrhundert anzutreffen ist", so der Religionsphilosoph Bernhard Casper. Mit großer Kenntnis der Sprachen, dem Renaissanceideal einer klassischen Bildung und tief verwurzelt in der aufklärerischen Moderne kämpfte sie für die Idee eines neuen Verhältnisses zwischen Deutschen und Juden und für eine deutsch-jüdische Aussöhnung jenseits der Schuldfrage. Ihr Blick richtete sich auf jene Stärken des Judentums, die es als Träger einer kritischen Modernität auszeichnen könnten. Die Heirat des deutschen Avantgardekomponisten und Autors Claus-Steffen Mahnkopf begründete eine besondere, nicht nur intellektuelle Symbiose, in der jeder der beiden den gleichen Lebensentwurf erkannte. In großer Offenheit legt Mahnkopf hier das Porträt seiner geliebten Frau vor. Es zeichnet das Bild einer Frau, deren Hunger nach Wirklichkeit die kurze Frist dieses Lebens um so schmerzlicher werden läßt.
Autorenporträt
Mahnkopf, Claus-SteffenClaus-Steffen Mahnkopf, Jahrgang 1962, studierte Musik und Philosophie. Er ist Komponist mit einem umfangreichen Werk in allen Gattungen sowie Autor zahlreicher Bücher. Er gibt die Zeitschrift »Musik & Ästhetik« heraus und lehrt als Professor für Komposition an der Hochschule für Musik und Theater Leipzig »Felix Mendelssohn Bartholdy«. Bei zu Klampen veröffentlichte er »Deutschland oder Jerusalem« (2013).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 26.07.2013

Der Witwer als Archivar
Francesca Albertini starb jung – und ihr Mann hat ein außergewöhnliches Erinnerungsbuch geschrieben
Die eigene Trauer nach dem plötzlichen Tod eines Angehörigen in einem Erinnerungsbuch zu objektivieren, ist therapeutisch hilfreich, aber nicht immer auch für Außenstehende inspirierend. Das Buch des bedeutenden deutschen Komponisten Claus-Steffen Mahnkopf über seine Frau Francesca Albertini, die im Jahr 2011 im Alter von 36 Jahren verstorben ist und bis dahin als Professorin in Potsdam Religionswissenschaft lehrte, dieses Buch dagegen kann man kaum mehr aus der Hand legen, bis man es ganz gelesen hat. Warum? Das liegt einerseits am Autor, andererseits an seinem Gegenstand. Aus jedem der neunzehn Kapitel, zum Beispiel zu ihrer Bibliothek oder ihrer Sprache, spricht eine tiefe Liebe zu Francesca und gleichzeitig ein Wunsch nach objektiver Wahrheit: Mahnkopf hat den reichen Nachlass seiner Frau wie ein Archivar durchgearbeitet.
  Francesca Albertini war ein Ausnahmetalent. Eine römische Jüdin, zog sie nach der Begegnung mit Mahnkopf, dem sie 1998 in der Villa Massimo Italienischstunden gab, nach Deutschland, wo sie promoviert wurde, sich habilitierte und eine spektakuläre Karriere als international hoch geachtete Judaistin vollzog. Schon als Teenager hatte Albertini ihren Eltern gesagt, sie wolle entweder in Deutschland oder Jerusalem leben, und als deutscher Judaistin gelang ihr gleichsam eine Synthese. Dass italienische Wissenschaftler dem korrupten Universitätssystem ihrer Heimat zu entrinnen suchen, ist sattsam bekannt (was Mahnkopf nicht daran hindert, den italienischen Hintergrund mit Sympathie und Sachkenntnis zu schildern). Aber auch mehr als ein halbes Jahrhundert nach dem Holocaust verblüfft es, dass eine Jüdin Deutschland zur neuen Heimat wählte – zumal die enorm polyglotte Frau auch in den angelsächsischen Ländern Professorin hätte werden können. Schon früh war Albertini angezogen von der deutsch-jüdischen Tradition: Hermann Cohen galt ihre Dissertation, und in ihren religionsphilosophischen Ideen spürt man die großartige Verbindung von bewusster Aneignung der eigenen Tradition und positiver Bezugnahme auf die deutsche Aufklärung – Lessings Freund Moses Mendelssohn war schließlich der Begründer der Haskalah, der jüdischen Aufklärung.
  Im Jahr 1819 wurde als Reaktion auf antisemitische Krawalle der Verein für Cultur und Wissenschaft der Juden gegründet, unter anderen von dem Hegel-Schüler Eduard Gans. Die „Wissenschaft vom Judentum“ war ein Versuch, die eigene Tradition mit den Mitteln der modernen Geisteswissenschaften zu durchdringen, die gerade in Deutschland eine bedeutende philosophische Fundierung erhalten hatten. Neben Hegel spielt Kant eine zentrale Rolle, dessen drei Kritiken Cohen um die vorletzte Jahrhundertwende zuerst zu rekonstruieren, dann systematisch weiterzuentwickeln versuchte, bevor er in seinem postumen „Die Religion der Vernunft aus den Quellen des Judentums“ von 1919 die These vertrat, das Judentum komme der von Kant geforderten Vernunftreligion am nächsten.
  Cohen interpretierte das Judentum im Sinne einer universalistischen Ethik und lehnte daher den Zionismus ab. Mit einer Unbefangenheit, die einer in Deutschland geborenen Jüdin kaum möglich gewesen wäre, kritisierte Albertini manche Entwicklungen in Israel; ihre „Überlegungen einer verratenen Jüdin“, verfasst nach einem Jahr in Jerusalem, ebenso wie ihre Briefe an zwei Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland drücken beredt ihre Sorge über einen wachsenden Antiislamismus aus. Ihre Habilitationsschrift galt daher dem islamischen Einfluss auf den Messiasbegriff des größten jüdischen Denkers des Mittelalters, Maimonides.
  Nach dieser umfassenden geistesgeschichtlichen Fundierung war Albertini im Begriff, eine Karriere als öffentliche Intellektuelle zu beginnen. Wie nur wenige andere hätte sie das großartige deutsche Judentum der Zeit vor der Weimarer Republik auf das Niveau der Fragestellungen unserer Zeit heben können, ohne in Abwehrreflexe zu verfallen. Angesichts der Fülle hochinteressanter Projekte, die sie begonnen hatte, ist ihr Tod eine Tragödie für die Zukunft einer spezifisch deutschen Judaistik, ja, jüdischen Intelligenz. Die geistige Leere nach dem Holocaust, die Mahnkopf im Musiktheater „void“ zum Ausdruck bringt, hat wieder zugenommen.
  Um so dankbarer muss man Mahnkopf sein, dass er nicht nur den Ideenreichtum dieser Grenzgängerin zwischen Judentum, Italien und Deutschland für ein breiteres Publikum aufbereitet hat, sondern dass er auch etwa durch die Tagebucheinträge des jungen Mädchens die Entwicklung eines hochsensiblen, religiös subtilen und gerade deswegen sozial engagierten Menschen aufzeigt, dem Simone Weil ein Vorbild war. Er ist nicht davor zurückgeschreckt, mit Zartgefühl auch die problematischen Züge seiner verstorbenen Frau zu beschreiben, so ihre Weigerung, ihre Krankheit zu akzeptieren und mit ihr leben zu lernen. Claus-Steffen Mahnkopf dagegen hat seine Trauer angenommen und uns mit diesem ungewöhnlichen, faszinierenden Buch ein wunderbares Porträt geschenkt.
VITTORIO HÖSLE
Claus-Steffen Mahnkopf: Deutschland oder Jerusalem. Das kurze Leben der Francesca Albertini. Verlag zu Klampen, Springe 2013. 302 Seiten, 24,90 Euro.
Der Autor, der hier den Verlust
seiner Frau verarbeitet, ist ein
bedeutender Komponist
Zwischen Judentum, Italien und
Deutschland – aus der Trauer
entstand ein wunderbares Porträt
Francesca Albertini, hier bei einem Vortrag, war eine hoch geachtete Judaistin. Sie starb 36-jährig.
FOTO: UNIVERSITÄT FREIBURG
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Viele Bücher, die nach dem plötzlichen Tod eines Angehörigen geschrieben werden, sind eher therapeutisch sinnvoll als wirklich interessant, weiß Vittorio Hösle. Nicht so dieses, verspricht der Rezensent. Der Komponist Claus-Steffen Mahnkopf erinnert mit seinem Buch "Deutschland oder Jerusalem" an seine 2011 verstorbene Frau Francesca Albertini, und es liegt besonders an dieser faszinierenden Frau, dass Hösle dieses Buch nicht beiseite legen wollte. Albertini war eine römische Jüdin, die 1998, nach dem Zusammentreffen mit Mahnkopf, nach Deutschland zog, um in Judaistik zu promovieren und zu habilitieren. Mahnkopf beschreibt nicht nur ihren Lebenslauf, sondern gibt auch einen Einblick in die Ideenwelt seiner Frau, berichtet Hösle. So setzte sie sich unter anderem gegen einen jüdischen Anti-Islamismus ein und pochte auf ihre Gemeinsamkeiten, in der Tradition Hermann Cohens bezog sie außerdem für die jüdische Aufklärung, eine "Religion der Vernunft", Stellung, erklärt der Rezensent, der nach der Lektüre überzeugt ist, dass Albertinis Tod nicht nur ein persönlicher Verlust, sondern "eine Tragödie für die Zukunft einer spezifisch deutschen Judaistik" war.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Ein lebendiges Denkmal für eine außergewöhnliche Frau, die für die Symbiose von klassischer Bildung und Aufklärung steht sowie für ein neues Verhältnis zwischen Juden und Christen, Juden und Deutschen. (...) Diese Biografie hält das Vermächtnis von Francesca Yardenit Albertini lebendig.« der pilger, 27-28/2017