Werke: Berlin... Endstation: 11 - Hardcover

9783937717081: Werke: Berlin... Endstation: 11
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Críticas:
Edgar Hilsenrath lebt in bescheidenen Verhältnissen. Er macht sich, obschon nicht arm, nicht viel aus Luxus. Allerdings ist der Schriftsteller, der in diesem Jahr 80 Jahre alt geworden ist, nicht immer bescheiden. Er weiß genau, welchen Wert seine Bücher für die deutsche Literatur haben. Und sagt es auch. Langsam immerhin begreift die Literaturwelt und stimmt ihm zu. Bis vor wenigen Jahren, vor der Ankündigung einer Werkausgabe, war das anders. Seine großen Romane Nacht. Das Märchen vom letzten Gedankenund Jossel Wassermanns Heimkehrsind längst internationale Erfolge, sein satirischer Roman Der Nazi & der Friseur garantiert ihm seit rund 30 Jahren Weltruhm. Dennoch hatte es Hilsenrath lange schwer in Deutschland, er galt als schwieriger Typ, wurde von den Literaturlobbyisten der Gruppe 47 ignoriert und wegen seiner detaillierten Darstellung des rauen Ghettoalltags und der unverklemmten Schilderung von sexueller Gier von den Moralwächtern geschnitten. Diese werden in seinem jetzt im Rahmen der Werkausgabe erstmals erschienenen Roman Berlin. Endstation wieder Stellen finden, die ihnen ganz und gar nicht behagen. Es geht in dem Buch um den Juden und Holocaust-Überlebenden Joseph Leschinsky, genannt Lesche, der kurz vor dem Mauerfall das Exil in den Vereinigten Staaten verlässt, um in Berlin, im deutschen Sprachraum, dem Raum seiner Lieblingssprache, zu leben. Lesche ist ein eher erfolgloser Dichter, der es immerhin zu einiger Anerkennung bringt, einige Frauenherzen bricht, altersgeil und mürrisch die Umbruchszeit in Berlin erlebt, einen Schlaganfall erleidet und schließlich das Opfer von Neonazis wird. Hilsenrath selbst weiß, dass dieser Roman nicht sein bestes Buch ist. Allerdings hat das Buch beeindruckende Stellen, die den unbeirrt Lesenden reichlich entlohnen. Etwa jene, in denen Lesches Ängste im Land der Täter und der Täterkinder beschrieben werden. Und das mit Humor: 'Ich habe unlängst in einer jüdischen Zeitung gelesen', sagte er dann, 'dass die Deutschen in der Hauptstadt ein Holocaustmahnmal errichten wollen. Was halten Sie davon?' 'Das ist ein schlechter Witz', sagte Singer. 'Wozu brauchen die Deutschen ein Mahnmal? Ganz Deutschland ist ein Holocaustmahnmal.' 'Ganz Deutschland?' 'Ja. Ganz Deutschland.' Ebenso eindrucksvoll wie verstörend ist das Kapitel, in dem Lesches Mordfantasien beschrieben werden - er will Fritz Tischler, der ihn einst als Hitlerjunge gequält hat, töten, malt sich mehrmals detailliert den Mord aus, um dann, mit dem Dolch im Gewande, auf einen alten Mann zu treffen, der aufrichtig bereut, dass er als Pubertierender ein begeisterter Nazi war. An diesen Stellen liest man Weltliteratur. Es liegt nahe, Berlin. Endstationals autobiographisch zu deuten, denn es wimmelt nur so von autobiographischen Stellen. Doch die zeitgleich unter dem Titel Ich bin nicht Ranekerschienene Annäherung von Hilsenraths ehemaligem Verleger, Herausgeber und Freund Helmut Braun macht deutlich, dass diese Lesart eine falsche ist. Hilsenrath hat stets aus seiner Erfahrung geschöpft. Doch hat er hier etwas dazu erfunden, dort etwas weggelassen, wie jeder andere Dichter auch. Dass Braun, der sich als langjähriger Freund offensichtlich zu einer gewissen onkelhaften Betulichkeit gezwungen sah, bislang unbekannte biographische Fakten offen legt, bleibt sein Verdienst. Zudem argumentiert er gekonnt gegen die notorische Gutwilligkeit, mit der Hilsenraths drastische Schilderungen hierzulande heute rezipiert werden. Gerade das macht diese Annäherung zu einem guten Buch. (Berliner Zeitung)

Was willst du in Deutschland, Lesche? ch will zu meiner Geliebten.Lesche, sei kein Narr, du bist ein alter Mann, eine Geliebte, die ist was für einen jungen. Ich bin 58, sagte Lesche, das ist nicht alt.Lesche, willst du dich zum Gespött der Leute machen? Sicher ist sie jung und schön, hat Ansprüche, und du willst als Lustgreis hinter ihr hertappern. Lustgreis? Du spinnst wohl? Spaß beiseite, sagte Betti. Wer ist diese Geliebte?Du hast recht. Sie ist schön, aber nicht jung. Ich habe mich in sie verliebt, als ich neun war, damals in Polen. Ich wurde von ihr getrennt, aber ich bin ihr treu geblieben, ein Leben lang. Lesche, bist du sicher, dass sie noch lebt? Ja, ich bin sicher.Wer ist diese Geliebte? Ich bin verliebt in die deutsche Sprache. Das ist ein Auszug aus Edgar Hilsenraths Roman Berlin ... Endstation, erscheinen wird das Buch voraussichtlich im Mai. Dass überhaupt noch ein Roman von Hilsenrath erscheinen würde, stand nicht zu hoffen. Der Piper Verlag, zuvor Hilsenraths Verlagshaus, hatte vor einigen Jahren den Besitzer gewechselt, und die neuen Besitzer, so erzählt Hilsenrath, gaben ihm die Rechte an seinen Werken zurück. Die Verkäufe waren wohl nicht mehr so. Hilsenrath lebt in Berlin-Steglitz, in einer Wohnung, die er 1976 bezogen hat, ein Jahr nachdem er nach Berlin übergesiedelt war. Berlin ist die Endstationeines langen, zumeist unfreiwilligen Reisens. Geboren wird Edgar Hilsenrath in Leipzig, in Halle (Saale) geht er zur Schule. Ich war das einzige jüdische Kind in der Klasse, und das war im nationalsozialistischen Deutschland kein Vergnügen. Im Sommer 1938 emigriert die Mutter mit Edgar und seinem Bruder nach Siret, Rumänien, dort leben die Großeltern. 1941 wird die Familie deportiert. Am 14. Oktober wurden wir abtransportiert. Die Züge rollten nach Osten. Man brachte uns ins jüdische Ghetto der ukrainischen Ruinenstadt Moghilev-Podolsk am Dnjestr. Viele der Deportierten wurden erschossen. Im Ghetto herrschten Hunger und Typhus. Die meisten hatten kein Dach über dem Kopf, kein Spaß im russischen Winter. Wie das große Sterben aussieht und wie man in solch einem Ghetto überlebt, das habe ich in meinem Buch ,Nacht' beschrieben, ohne Beschönigung, so wie es wirklich war, schreibt Hilsenrath in den Siebzigerjahren. Die Familie wird 1944 von der Roten Armee befreit, Edgar geht zu Fuß zurück nach Siret, findet die Stadt zerstört und geht nach Bukarest. Kurz darauf reiste ich mit einem gefälschten Pass nach Palästina, auf dem Landweg über Bulgarien, Türkei, Syrien und Libanon. Für mich war der Krieg zu Ende. In Palästina erfährt er, dass sich seine Eltern in Frankreich gefunden haben, er reist hin, geht von dort aus in die USA, die Eltern folgen. 1975 dann zieht Hilsenrath nach Berlin. Im Gepäck hat er seinen Roman Nacht, der 1964, nachdem er 13 Jahre an ihm geschrieben hat, im Kindler Verlag erscheint, in einer Kleinstauflage. Das Buch erscheint allerdings mit Erfolg in den USA, so auch der nächste Roman Der Nazi & der Friseur, der ein Welterfolg wird. Das Buch, wie alle Texte Hilsenraths auf Deutsch geschrieben, findet jedoch keinen Verleger in Deutschland. Texte, in denen die Obszönität im Ghetto thematisiert wird, sind ebenso wenig gern gesehen wie eine Satire auf die deutschen Täter. Erst der Kleinverleger Helmut Braun, heute Herausgeber seiner Werke, nimmt sich des Autors an und verschafft Hilsenrath auch hierzulande einen Erfolg. Später, nach einigen Wirren und einigen Romanen, landet Hilsenrath beim Piper V (Jörg Sundermeier, taz)
Reseña del editor:
Eigentlich heiße ich Joseph Leschinsky, aber da manche Leute Leschinsky zu lang fanden, nannten sie mich Lesche. An Lesche habe ich mich gewöhnt, und dieser Name ist mir geblieben und ersetzt sogar meinen Vornamen, einfach so: Lesche. »Und Sie wollen in Deutschland bleiben?« »Ich habe die Schnauze voll von Amerika.« Singer spielte mit seinen Kreuzworträtseln, und seine Finger fuhren fast zärtlich über das Papier. »Sie werden als Jude nicht lange in Deutschland leben können«, sagte er dann. »Ich habe mir die Sache gründlich überlegt«, sagte Lesche. »Ich bin deutscher Schriftsteller und brauche die deutsche Sprache. Ich muß sie hören, immer und überall. Außerdem ist Deutschland heute ein demokratisches Land. Der Hitlerspuk ist längst vorüber, und inzwischen ist eine neue Generation herangewachsen.« »Der Holocaust wird Sie überall in Deutschland verfolgen. Jedes Haus, jede Straße wird Sie daran erinnern. Und die alten Leute. Es gibt kein Entrinnen. Glauben Sie's mir.« »Man muß es auf einen Versuch ankommen lassen.« Lesche schlürfte den wäßrigen Kaffee. »Ich habe unlängst in einer jüdischen Zeitung gelesen«, sagte er dann, »daß die Deutschen in der Hauptstadt ein Holocaustmahnmal errichten wollen. Was halten Sie davon?« »Das ist ein schlechter Witz«, sagte Singer. »Wozu brauchen die Deutschen ein Mahnmal? Ganz Deutschland ist ein Holocaustmahnmal.« »Ganz Deutschland?« »Ja. Ganz Deutschland.«

„Über diesen Titel“ kann sich auf eine andere Ausgabe dieses Titels beziehen.

  • VerlagDittrich Verlag
  • Erscheinungsdatum2006
  • ISBN 10 3937717080
  • ISBN 13 9783937717081
  • EinbandTapa dura
  • Auflage1
  • Anzahl der Seiten244
  • HerausgeberBraun Helmut
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hilsenrath, edgar
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alt-saarbrücker antiquariat g.w.melling
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Buchbeschreibung Hardcover. Zustand: Sehr gut. zweite auflage. oktav hardcover. sehr gutes exemplar. ungelesen, tadellos und bestens erhalten, gebundene ausgabe, roter original-pappband mit illustr.schutzumschlag, lesebändcheen, farbige vorsätze, 244 seiten; reihe: gesammelte werke, band 10, hrsg. von helmut braun; auf vorsatz von edgar hilsenrath signiert und datiert 800 Gramm. Bestandsnummer des Verkäufers 067058

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