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Ob als junger Wilder in den späten Jahren der Weimarer Republik oder als kritischer und engagierter Autor im Nachkriegsdeutschland: Günther Weisenborn hat immer wieder klar Stellung bezogen. Die Erinnerung an den Widerstand gegen die Nationalsozialisten war ihm ebenso wichtig wie das Warnen vor einem Wiedererstarken des Faschismus in der jungen Bundesrepublik, in der er sich immer wieder den Anfeindungen der Rechten ausgesetzt sah. Weisenborn war ein vielbeachteter und erfolgreicher Autor: Seine Stücke wurden von zahlreichen Bühnen im In- und Ausland gespielt, seine Romane in 18 Sprachen…mehr

Produktbeschreibung
Ob als junger Wilder in den späten Jahren der Weimarer Republik oder als kritischer und engagierter Autor im Nachkriegsdeutschland: Günther Weisenborn hat immer wieder klar Stellung bezogen. Die Erinnerung an den Widerstand gegen die Nationalsozialisten war ihm ebenso wichtig wie das Warnen vor einem Wiedererstarken des Faschismus in der jungen Bundesrepublik, in der er sich immer wieder den Anfeindungen der Rechten ausgesetzt sah. Weisenborn war ein vielbeachteter und erfolgreicher Autor: Seine Stücke wurden von zahlreichen Bühnen im In- und Ausland gespielt, seine Romane in 18 Sprachen übersetzt. Heute ist vieles von dem, was er geschrieben hat, in Vergessenheit geraten - oder noch gar nicht veröffentlicht worden. Aus dem umfangreichen Nachlass Weisenborns hat Carsten Ramm Gedichte, Songs, Erzählungen und Essays, auch bisher unveröffentlichte Texte, zu einem Lesebuch zusammengestellt, das den Autor wiederentdeckt und im Kontext seiner Zeit vorstellt. Dabei werden erstaunliche und zum Teil erschreckende Parallelen zu unserer Gegenwart deutlich.
Autorenporträt
GÜNTHER WEISENBORN, geboren 1902 in Velbert, arbeitete als Schriftsteller und Dramatiker. 1945 von der Roten Armee aus der Haft befreit, war er Mitherausgeber der Satire zeitschrift »Ulenspiegel« und Mit begründer des Berliner Hebbel-Theaters, wo 1946 sein Stück »Die Illegalen« urauf geführt wurde. Im PEN-Zentrum und in der Berliner Akademie der Künste engagierte sich Weisenborn für die Zusammenarbeit von ost- und westdeutschen Autoren. Seine Texte waren geprägt von kompromisslosem Antifaschismus und Protest gegen Wiederbewaffnung und atomare Aufrüstung. 1969 starb Weisenborn in Berlin, sein Todestag jährt sich am 26. März 2019 zum fünfzigsten Mal.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.05.2019

Autor und
Widerständler
Günter Weisenborn wird
neu aufgelegt
Am 14. April 1975 wandte sich eine gewisse Martha Prien an den Kurt-Desch-Verlag mit der Frage, ob es möglich sei, noch Exemplare von Günther Weisenborns Buch „Memorial“ zu erhalten. Auch regte sie eine Neuauflage für jene „Nachgeborenen“ an, zu denen der Autor darin spreche: „Weil es ein so unglaublich schönes Buch ist. Schön in der Sprache, schön in der Liebe zum Leben in schwerer Zeit, immer den Tod vor Augen.“ Sie selbst schätze sich glücklich, ein Exemplar zu besitzen. Jetzt, fast ein halbes Jahrhundert später, ist die Neuauflage da, sie ist im Verbrecher-Verlag erschienen.
Weisenborn wurde 1902 geboren, arbeitete an der Berliner Volksbühne mit Brecht, Weill und Eisler und erlebte ab 1928 seine Vernichtung als Schriftsteller. Ab 1931 wurden seine Premieren von SA-Horden gestört. Bald darauf wurde sein Roman „Barbaren“ verbrannt: „Bis 1935 tiefste Depression, äußerste Not, Flucht ins Private“, fasste er seine Reaktion später zusammen. Zwar schrieb und publizierte er unter Pseudonym, zwar konnte sein Roman „Das Mädchen von Fanö“ noch 1941 verfilmt werden, zwar hatte er sich 1937 in New York für einige Monate als Lokalreporter und Exilant ausprobiert, doch habe er damals eingesehen, als Deutscher etwas gegen Hitler unternehmen zu müssen.
Weisenborn schloss sich der Widerstandsgruppe um Harro Schulze-Boysen an, die später von der Gestapo als „Rote Kapelle“ diskreditiert wurde, obwohl deren Mitglieder von humanistischen Überzeugungen gelenkt wurden. Wie die meisten dieser Widerständler wurde auch Weisenborn 1942 verhaftet und musste wie sie mit der Hinrichtung rechnen, wurde dann aber zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt und 1945 von den Russen vor einer Liquidierung durch die Gestapo gerettet.
Sein Leben hatte sich gespalten. Da war zum einen der Schriftsteller Weisenborn, der nach 1945 als Mitbegründer des Hebbel-Theaters und Mitherausgeber des Ulenspiegel mit seinem Widerstands-Stück „Die Illegalen“ an seine frühen Bühnenerfolge anknüpfte. Zum anderen aber zeigten dieses Stück, seine 1953 erschienene Dokumentation „Der lautlose Aufstand“ zum deutschen Widerstand und sein 1948 veröffentlichter Erinnerungsband „Memorial“, dass Günther Weisenborn nach 1937 zur überlebenden Figur eines deutschen Trauerspiels geworden war, nach deren „Memorial“ man sich sechs Jahre nach seinem Tod am 26. März 1969 schon beim Verlag erkundigen musste.
„Memorial“ konfrontiert Zuchthauserinnerungen mit kursiv gedruckten Reminiszenzen eines glücklichen halben Lebens. Lagerfeuernächte hoch über Bad Godesberg, Straßen, Frauen und Blumen, alte, noch nicht vom Narbengewebe von Bombenkrieg und Wiederaufbau entstellte Städte, die wilden Zwanzigerjahre, Sonnentage in den Kaiserbädern Capris und Ritte über die Pampa treffen auf Gestapo-Verhöre, Todesurteile, Hunger, Zwangsarbeit und totales Ausgeliefertsein. Der ehemalige Medizinstudent Weisenborn erinnert Benn’sche Sektionssaalszenen und taucht im grünen Wasser Capris zu den Ururahnen herab: „Jetzt spielen die kleinen Polypen in den Bädern der Kaiser, und nur zuweilen sehen sie einen zudringlichen Mann in ihre Wassertiefe schießen, der rasch wieder nach oben verschwindet …“
„Einer der tapfersten und ruhigsten Widerstandsmänner“, die er kennen gelernt habe, heißt es aus der Haftzeit, sei der Doktor Philipp Schaeffer gewesen. Der habe bereits fünf Jahre Zuchthaus hinter sich gehabt, weil er die illegale Studentengruppe „Rote Standarte“ geführt hatte. Eines Tages habe er versucht, „einen Juden, der sich töten wollte, zu retten. Er wurde jedoch dabei in die Tiefe gerissen, lag ein halbes Jahr im Spital, wurde in unserm Prozess erneut verhaftet und ging in der Freistunde an Krücken“. Der Doktor Schaeffer habe gewusst, dass ihn „draußen“ niemand hören würde, ganz gleich, was er im Gerichtssaal sagte: „Ich sehe noch das wehe, verlegene Lächeln in seinem geistvollen Gesicht, als wir uns das letzte Mal die Hand drückten. Bald darauf wurde er verscharrt.“
So groß die Freude über die Befreiung war, umso größer noch war die Enttäuschung, dass die Richter solcher Mordjustiz nach 1945 ihre Karrieren fortsetzen konnten, während ihre Opfer als vorbestraft galten. „Der gespaltene Horizont. Niederschriften eines Außenseiters“ war dann 1964 der Titel eines weiteren Lebensrückblicks. Was nach 1945 geschah, die Teilung in Ost und West, war die Zerstörung eines weiter gefassten Spektrums von Kultur und Weltanschauungen, das einstmals die Frauen und Männer des lautlosen Aufstandes verbunden hatte. Viel davon findet sich im Lesebuch, das Carsten Ramm aus Dichtung und Prosa Weisenborns zusammengestellt hat. Konzentrierter ist es in „Memorial“ – in den glücklichen und traumatischen Erinnerungen eines erfolgreichen Schriftstellers, den das Schicksal zum Zeit-, zum Lebenszeugen gemacht hat.
ULRICH BARON
Günter Weisenborn: Memorial. Verbrecher Verlag, Berlin 2019. 248 Seiten, 19 Euro.
Günter Weisenborn: „Bist du ein Mensch, so bist du auch verletzlich.“ Ein Lesebuch. Herausgegeben von Carsten Ramm. Verbrecher Verlag, Berlin 2019. 276 Seiten, 19 Euro.
Die Enttäuschung war groß,
als die Richter nach
Kriegsende ihre Posten behielten
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