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Entwicklungshilfe, beschönigend heute auch »Entwicklungszusammenarbeit« genannt, ist eine umstrittene Angelegenheit. Gegner wie Befürworter führen gewichtige Argumente ins Feld, sind sich jedoch darin einig, dass etwas geschehen muss, gerade im subsaharischen Afrika. Nur was und wie? Sollen Veränderungen durch radikale Beschränkung auf humanitäre Hilfe und durch das Hoffen auf Eigeninitiativen aus dem Druck menschenunwürdiger Verhältnisse heraus zustande kommen? Oder durch zusätzliche finanzielle Hilfen und Kooperation in der Erwartung einer allmählichen Veränderung zum Besseren? Und zu…mehr

Produktbeschreibung
Entwicklungshilfe, beschönigend heute auch »Entwicklungszusammenarbeit« genannt, ist eine umstrittene Angelegenheit. Gegner wie Befürworter führen gewichtige Argumente ins Feld, sind sich jedoch darin einig, dass etwas geschehen muss, gerade im subsaharischen Afrika. Nur was und wie? Sollen Veränderungen durch radikale Beschränkung auf humanitäre Hilfe und durch das Hoffen auf Eigeninitiativen aus dem Druck menschenunwürdiger Verhältnisse heraus zustande kommen? Oder durch zusätzliche finanzielle Hilfen und Kooperation in der Erwartung einer allmählichen Veränderung zum Besseren? Und zu welchem Besseren überhaupt?Ruanda gilt heute als Paradebeispiel der Entwicklung in Zentralafrika, die Demokratische Republik Kongo hingegen als Inbegriff von Korruption, Vetternwirtschaft und Staatsversagen. Zwei Extreme in Afrika, die gleichwohl Parallelen aufweisen und uns vor allem zu einem genauen - und selbstkritischen - Blick auf Afrika auffordern: jenseits paternalistischer Attitüden, politischer Blindheit, ökonomischer Gier oder einer Gleichgültigkeit, die oft in bedenkliche Nähe zur Arroganz gerät - trotz des europäischen Wunsches, Hilfe zu leisten.Seit fast zwanzig Jahren arbeitet Gerd Hankel in und über Zentralafrika und blickt auf eine lange Erfahrung in der Zusammenarbeit mit NGOs zurück. Seine Beobachtungen münden in einem differenzierten Plädoyer für die Entwicklungshilfe, zu der es trotz aller Widrigkeiten und realitätsfernen Erwartungen auf Geber- wie Nehmerseite keine sinnvolle Alternative gibt.
Autorenporträt
Gerd Hankel, Dr. jur., Dipl.-Übersetzer, geboren 1957, studierte an den Universitäten Mainz, Granada und Bremen. Seit 1993 ist er freier Mitarbeiter des Hamburger Instituts für Sozialforschung, seit 1998 wissenschaftlicher Angestellter der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur. Er ist Autor zahlreicher Beiträge zum humanitären Völkerrecht, zum Völkerstrafrecht und zum Völkermord in Ruanda, dessen justizielle Aufarbeitung er untersuchte.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 23.03.2020

Genauer hinschauen
Der Völkerrechtler Gerd Hankel hinterfragt die Entwicklungshilfe in Afrika – und gibt einige gute Tipps
Gerd Hankel hat eine klare Meinung über die internationale Entwicklungspolitik. Angesichts der vielen Milliarden Euro, die in afrikanische Länder geflossen sind, „ist das Erreichte dürftig bis beschämend“, schreibt der Völkerrechtler in seinem jüngsten Werk „Das Dilemma“. Korruption, Klientelismus und Inkompetenz in den Ländern südlich der Sahara haben nach seinem Urteil den Fortschritt vereitelt. Die Geber wiederum hätten Projekte finanziert, die ihren eigenen politischen und wirtschaftlichen Interessen dienten, nicht aber der armen Bevölkerung.
So weit, so schlecht. Die Argumente sind allen bekannt, die sich für Entwicklungspolitik interessieren. Man müsste das Werk nicht lesen, beließe es Hankel nur bei Kritik. Doch anders als viele Autoren bemüht er sich um Denkanstöße, wie es besser laufen könnte in der sogenannten Zusammenarbeit zwischen Nord und Süd. Außerdem erklärt er, weshalb er selbst weiter Hilfe leistet, obwohl er betrogen wurde.
Der Jurist und Übersetzer beschreibt und vergleicht seine Erfahrungen aus Ruanda und dem benachbarten Osten der Demokratischen Republik Kongo. Er erforscht seit 2002, wie der Genozid in Ruanda juristisch aufgearbeitet wurde, bei dem 1994 beinahe eine Million Menschen getötet worden waren. Im Ostkongo engagiert er sich seit 2004 für ein Hilfsprojekt nahe der Stadt Bukavu. Ein deutscher Verein finanziert dort Schulgebäude, eine Werkstatt für ehemalige Kindersoldaten, Essen für Kinder und landwirtschaftliche Kooperativen für Frauen.
Hankel beleuchtet, wie Ruanda das Vorzeigeland für westliche Helfer wurde, gewissermaßen als Wiedergutmachung, weil die Staatengemeinschaft den Völkermord hatte geschehen lassen. Präsident Paul Kagame, der einst mit seiner Miliz aus dem ugandischen Exil einmarschierte, um den Genozid in Ruanda zu beenden, beeindruckt die Geber mit seiner Entwicklungsdiktatur und dem kompromisslosen Kurs Richtung Moderne.
Hankel würdigt den wirtschaftlichen Erfolg, mahnt aber, dass die Lebensverhältnisse zwischen Stadt und Land immer weiter auseinanderklafften und die Erfolge in der Armutsbekämpfung sowie bei der Versöhnung der Ethnien überschätzt würden. Vor allem aber bemängelt Hankel, dass die internationale Gebergemeinschaft Kritik nicht dulde, weil die Diskussion moralisch aufgeladen sei. Selbst Menschenrechtsverletzungen würden ignoriert, weil Ruanda als Erfolgsmodell verkauft werden soll.
Vom Kongo zeichnet der Autor ein düsteres Bild, was auch auf persönliche schlechte Erfahrungen zurückzuführen ist. In seinem Hilfsprojekt veruntreuten die lokalen Partner Geld und Material. Aufgrund von Korruption wurde der Fall nicht juristisch aufgearbeitet. Zudem beschreibt Hankel, wie er ein ums andere Mal von Zöllnern, Geheimdienstlern oder Polizisten gedrängt wurde, Bestechungsgeld zu bezahlen. In dem Land seien Armut und Perspektivlosigkeit „überall unübersehbar und erfahrbar“.
Nachdem der Betrug im eigenen Projekt aufgeflogen war, hat Hankel mit einem weitgehend neuen Team vor Ort weiter gemacht. Trotz allem, so argumentiert er, hätten einige Kinder und Frauen bessere Lebensbedingungen erhalten. Aus diesem Grund lehnt Hankel es auch ab, nur humanitäre Nothilfe bei Kriegen und Katastrophen zu leisten, und die Entwicklungshilfe einzustellen, wie viele Kritiker der Hilfsindustrie fordern. Das hält Hankel für eine beschränkte Sichtweise von Menschen mit „regelmäßigen Gehaltszahlungen und allen Arten von Sozialversicherungen“. Außerdem gebiete es der Migrationsdruck, den Menschen im Süden ein Leben in Würde zu ermöglichen.
Hankel zeigt die unterschiedlichen Verhaltensweisen der Geber auf, darunter auch Deutschland, die sich in Ruanda und im Kongo engagieren. In Ruanda halten sie trotz Menschenrechtsverstößen an der Zusammenarbeit auf Staatsebene fest, abgesehen von einer Unterbrechung, als das Regime eine Rebellion im Ostkongo unterstützte. Im Kongo wurde die staatliche Kooperation dagegen eingefroren, als Ex-Präsident Joseph Kabila die Wahl verschleppte und Protest niederprügeln ließ.
Hankel fordert, wie übrigens viele afrikanische Aktivisten, dass die Geber die Einhaltung der Menschenrechte zum Entscheidungskriterium für Hilfe auf Staatsebene machen sollten. Bei einem Regime, das notorisch dagegen verstoße, verbiete sich eine Zusammenarbeit mit der Regierung, es sei denn, es gehe um Nothilfe. Zudem plädiert der Völkerrechtler für einen Mentalitätswandel in Nord und Süd, um zu einer wahren Kooperation zu gelangen. Es sei für beide Seiten höchste Zeit, ihr Leben solidarisch und umweltschonend zu gestalten. Zudem müssten die Afrikaner selbstbewusst Verantwortung übernehmen.
Hankels Werk bietet mit einer Mischung aus persönlichen Erfahrungen, Statistiken, Kapitalismuskritik sowie juristischen und philosophischen Konzepten Stoff zum Überdenken der Entwicklungspolitik. Im Kern liegt Hankel mit seiner Analyse der Lage richtig. Allerdings krankt sein Buch bisweilen an einer polemisierenden und pauschalisierenden Darstellung. Auch so manche Ungenauigkeit hat sich eingeschlichen. Im Kapitel über Ruanda mit dem Titel „Zwischen Aids, Völkermord und naiven Hilfsvorstellungen“ zum Beispiel steht nichts über Aids. Außerdem wüsste man gerne mehr darüber, inwiefern das Hilfsprojekt im Ostkongo zum Mentalitätswandel beiträgt, den Hankel fordert. Schulgebäude bauen ist das eine. Was gelehrt wird, das andere. Im Kongo jedenfalls vermittelt so mancher Lehrer im Klassenraum, finanziert von westlichen Helfern, wenig mehr als Gehorsam und Kuschen.
JUDITH RAUPP
Verglichen werden Ruanda
und die Republik Kongo.
Die Unterschiede sind groß
Schulen bauen ist das eine.
Was dort gelehrt wird, mit
Geld aus dem Westen, das andere
Wenn hohe Regierungsvertreter aus dem Westen kommen, danken die Gastgeber gern symbolisch mit der Landesflagge des Geldgebers.
Foto: Walter Korn
Gerd Hankel:
Das Dilemma,
„Entwicklungshilfe“ in Afrika, ein Erfahrungs-
bericht. Zu-Klampen-
Verlag, Springe 2020.
150 Seiten, 16 Euro. E-Book: 11,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.04.2020

Im Herzen Afrikas
Gerd Hankel denkt über Entwicklungshilfe nach

Seit es "Entwicklungshilfe" gibt, ist sie Gegenstand von Kritik. Nachrichten über ihren Tod erwiesen sich freilich wiederholt als voreilig. In der Wissenschaft dominiert heute in weiten Teilen gleichwohl eine Sicht der Dinge, die auf unterschiedlich differenzierte Weise ein Scheitern von Entwicklungshilfe und -zusammenarbeit konstatiert. Besonders marktorthodoxe Ökonomen unternahmen Anstrengungen, den Entwicklungsgedanken aus den höheren Rängen der wirtschaftswissenschaftlichen Disziplin zu verbannen. Aber auch Teile der Linken stellen die Legitimität der Ideen von Entwicklung in Frage und brandmarken sie etwa als ein Mittel zu Zementierung globaler Hierarchien. All dies steht in deutlichem Kontrast zu den Forderungen einer breiten Koalition aus Politik, Entwicklungsorganisationen, Kirchen und engagierten Prominenten, die Entwicklungshilfe fortzusetzen und zu erhöhen.

Dass die vielfältigen und zum Teil durchaus fundierten Angriffe auf den Entwicklungsgedanken bislang nicht ihr Ziel erreicht haben, hat am Ende mit dem Dilemma zu tun, das der Jurist und Übersetzer Gerd Hankel in seinem "Erfahrungsbericht" anspricht. So treffend die Kritik an eigennützigen Einrichtungen und Ideologien der Entwicklungshilfe, an damit verknüpfter Korruption, Klientelismus und fehlender Nachhaltigkeit ist: Diese Kritik versorgt keine Bedürftigen mit Trinkwasser, sie mildert nicht das Schicksal von Frauen, die zwischen ländlichem Patriarchat und städtischer Ausbeutung feststecken, sie verteilt keine Medikamente gegen Malaria oder sichert wenigstens ansatzweise den Schulunterricht.

In einer eigensinnigen, höchst anregenden, aber nicht besonders kohärenten Mischung aus persönlichen Erlebnissen, politischer Analyse, statistischem Material und Polemik blickt Hankel vergleichend auf Ruanda und die Demokratische Republik Kongo, um über die Möglichkeiten und Grenzen von Entwicklungshilfe zu sinnieren. Diese beiden benachbarten Länder im Herzen Afrikas könnten auf den ersten Blick unterschiedlicher nicht sein. Das kleine, dichtbesiedelte Ruanda stieg nach dem furchtbaren Genozid 1994, der mindestens 500 000 Menschen das Leben kostete, zu einem der Darlings internationaler Geber auf. "Großzügige Geldspenden einflussreicher Staaten", diagnostiziert Hankel, "sollten vergessen machen, dass diese nichts unternommen hatten, um den Völkermord zu verhindern oder wenigstens zu beenden." Unter der eisernen Regie des Präsidenten Paul Kagame entwickelte sich Ruanda binnen kurzem zu einem Leuchtturm der Entwicklung in Afrika. Dafür stehen etwa ein beträchtliches Wirtschaftswachstum, eine attraktive Infrastruktur, die Investitionen erleichtert, sinkende Armut, steigende Nahrungsmittelsicherheit und wachsende Geschlechtergerechtigkeit.

Ganz anders Kongo, das viele Beobachter weiterhin mit dem Herz der Finsternis gleichsetzen. Das rohstoffreiche Riesenland steht wie wohl kein zweiter Staat südlich der Sahara für Ausweglosigkeit, ein Eindruck, der von Hankel weitgehend geteilt wird. Aber auch hinter der glänzenden Fassade Ruandas sieht der Autor viel Negatives. Von dem Boom hätten vor allem die Städte profitiert. Beim Volk der Hutu, die noch immer dem Pauschalvorwurf der Kollektivschuld am Völkermord ausgesetzt seien, sei das Fortschrittsversprechen noch kaum angekommen. Und viele auch gutausgebildete junge Ruander suchten vergeblich Arbeit. "Die Politik unter Kagames autoritärer Führung", fasst er seine Kritik treffend zusammen, "gibt Linie und Hoffnung vor. Die Bevölkerung hat zu folgen und sich zu freuen. Fällt ihr das schwerer, wird der repressive Druck erhöht."

Druck auf sein Regime von den Geberländern hat Kagame hingegen kaum zu fürchten. Die Dynamik der von ihm errichteten Entwicklungsdiktatur scheint in den Augen der internationalen Gemeinschaft auch Menschenrechtsverletzungen zu rechtfertigen. Doch gerade die Einhaltung von Menschenrechten, argumentiert Hankel und ist sich mit vielen afrikanischen Aktivisten einig, sollte ein entscheidendes Kriterium für Hilfe auf Staatsebene sein. Vor allem aber komme es darauf an, nun endlich Ernst zu machen mit einer wahren Kooperation. Dies erfordere von Afrikanern, selbstbewusst Verantwortung zu übernehmen. Und von westlichen Ländern, quantitatives Wachstum und ein ökologisch ruinöses Konsumniveau als Leitwerte endlich zu verabschieden.

ANDREAS ECKERT

Gerd Hankel:

"Das Dilemma".

,Entwicklungshilfe'

in Afrika. Ein

Erfahrungsbericht.

Zu Klampen Verlag, Springe 2020. 150 S., br., 16,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Hankels Werk bietet Stoff zum Überdenken der Entwicklungspolitik.« Judith Raupp in: Süddeutsche Zeitung, 31. März 2020