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In einer ungerechten Gesellschaft kann das Bildungssystem nicht gerecht sein.
In diesem grundlegenden Buch analysiert Aladin El-Mafaalani aus unterschiedlichen Perspektiven die Probleme und paradoxen Effekte des Bildungssystems, seine Dynamik und seine Trägheit. Eine umfassende Diagnose, ein Plädoyer dafür, soziale Ungleichheit im Bildungswesen endlich in den Fokus der Bildungspolitik und -praxis zu rücken, und zugleich eine Absage an Visionen und Revolutionen: Es geht darum, was jetzt wichtig und realistisch ist. »Mit Bildung löst man kein einziges der großen gesellschaftlichen Probleme,…mehr

Produktbeschreibung
In einer ungerechten Gesellschaft kann das Bildungssystem nicht gerecht sein.

In diesem grundlegenden Buch analysiert Aladin El-Mafaalani aus unterschiedlichen Perspektiven die Probleme und paradoxen Effekte des Bildungssystems, seine Dynamik und seine Trägheit. Eine umfassende Diagnose, ein Plädoyer dafür, soziale Ungleichheit im Bildungswesen endlich in den Fokus der Bildungspolitik und -praxis zu rücken, und zugleich eine Absage an Visionen und Revolutionen: Es geht darum, was jetzt wichtig und realistisch ist. »Mit Bildung löst man kein einziges der großen gesellschaftlichen Probleme, etwa die vielen offenen Fragen der Digitalisierung, den fortschreitenden Klimawandel oder den Umgang mit globaler Migration. Selbst die aufgeheizte gesellschaftliche Stimmung oder die Konzentration von Problemlagen in bestimmten Stadtteilen wird sich durch eine Ausweitung und Aufwertung von Bildungsinstitutionen nicht abschwächen. Es geht um eine Verringerung von Chancenungleichheit, um die Erweiterung von Erfahrungshorizonten und Zukunftsperspektiven für alle Kinder und um die Vorbereitung der nächsten Generationen auf die unbekannten Herausforderungen einer zunehmend komplexer werdenden Gesellschaft. Nur darum geht es. Nicht mehr und nicht weniger.« Aladin El-Mafaalani
Autorenporträt
El-Mafaalani, AladinAladin El-Mafaalani, 1978 im Ruhrgebiet geboren, ist Professor für Erziehung und Bildung in der Migrationsgesellschaft am Institut für Migrationsforschung und interkulturelle Studien an der Universität Osnabrück. Nach dem Studium war er Lehrer am Berufskolleg Ahlen, dann Professor für Politikwissenschaft an der Fachhochschule Münster und später Abteilungsleiter im nordrhein-westfälischen Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration in Düsseldorf. Er studierte an der Ruhr-Universität Bochum Politikwissenschaft, Wirtschaftswissenschaft, Pädagogik und Arbeitswissenschaft und wurde dort in Soziologie promoviert. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen, zuletzt 2020 den Preis der Deutschen Gesellschaft für Soziologie für herausragende Leistungen auf dem Gebiet der öffentlichen Wirksamkeit der Soziologie.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.04.2020

Don Juan kennen doch wohl alle
Zwei Bücher nehmen das Thema Bildung aus ganz unterschiedlichen Perspektiven in den Blick

Bildung ist dynamisch. Mit dem Wandel der Gesellschaft ändert sich nicht nur das Denken über Bildung, sondern auch die Praxis in ihren Institutionen. Über alle Veränderungen hinweg bleibt sie ein Thema, das alle angeht, weil jeder zur Schule gegangen ist und fast jeder eine Meinung dazu hat. Insofern gibt es eigentlich immer Anlass, Bücher über Bildung zu schreiben - sogar dann, wenn man seit Jahrzehnten an seinen Positionen festhält, weil auch das in veränderten Strukturen zu neuen Erkenntnissen führen kann.

Eine Anleitung zur Bildung wollte der Journalist und Autor Jan Roß schreiben. Er will die Haltung des Bewunderns rehabilitieren und beschreibt Bildung als "Glückserlebnisse", die nicht mit Mühe, Pflicht und Anstrengung verknüpft sind. Das veranschaulicht gleich am Anfang ein umfassendes Bildungsverständnis, das heute selten geworden ist. Doch es birgt zugleich die Gefahr, darüber nicht hinauszukommen.

In die Falle, die ewig gleichen Bildungskämpfe zu führen, tappt Roß zwar nicht. Er wolle weder für das Gymnasium noch für die Gesamtschule werben, er sei kein Bildungspolitiker und kein Didaktikexperte, wende sich gegen Kulturpessimismus und gegen die "Abendländerei". Aber natürlich hat auch Roß eigene Präferenzen, die den Text nicht nur strukturieren, sondern seinen Blickwinkel mitunter verengen.

Was zur Bildung zählt, ist unerschöpflich, und so wählt Roß aus, was ihm gefällt: die alten Griechen und die Bibel, Musik, Kunst, Philosophie, dazu Reflexionen über den Sinn des Lesens und über Ängste und Hürden vor der Bildung. Nun ist es nicht so, dass seine Ideen nichts taugten. Der Text verliert aber durch die bildungsbeflissene Plauderei, in die der Autor immer wieder verfällt. Er bemüht sich zwar, Bildung auch den Ungebildeten schmackhaft zu machen, etwa wenn er Tipps gibt, wo man in der unendlichen Flut an Büchern und Informationen einsteigen kann, um sich zu bilden - nämlich praktisch überall, auch im "scheinbar Trivialen". Aber er ist für die Subjektivität seiner eigenen Lebensrealität blind. Jeder könne Begriffe und Namen wie den Ödipuskomplex, die "unsichtbare Hand des Marktes", Don Juan, Don Quichotte und "kafkaesk" einordnen, glaubt Roß. Jeder?

Ähnlich realitätsfremd lesen sich Rückschlüsse wie diese: Wer einen zeitgenössischen Horrorfilm versteht, sei auch E. T. A. Hoffmann oder Edgar Allan Poe gewachsen. Ohnedies seien selbst Autoren wie Tolstoi oder Dostojewski "vollkommen laienkompatibel". Solche Aussagen zeugen von einem Unverständnis gegenüber einer gesellschaftlichen Wirklichkeit, in der das Interesse an Bildung keine Selbstverständlichkeit ist und auch nicht dadurch hervorgerufen werden kann, dass man es als "laienkompatibel" erachtet. So gesehen, ist das Buch auch keine Anleitung, wie es der Untertitel verspricht. Es ist vielmehr für diejenigen geschrieben, die sich in der Welt des Autors bewegen - aber selbst die könnten sich daran stören, dass der Autor aus seinem Habitus nicht herauskommt.

Der Text wird auch nicht besser durch die vielen privaten Anekdoten, in denen Roß sich immer wieder verliert. Dass er von Kindesbeinen an bildungshungrig war und sich mit seiner Frau über Bildungsthemen austauscht, ist schön für ihn - aber wozu muss der Leser das wissen? Der Gipfel ist erreicht, wenn der Autor schreibt, dialogisches Denken sei "im Hause Roß Ehe-Code". Da möchte man das Buch lieber zuklappen.

Einen ganz anderen Zugriff auf das Thema Bildung wählt der Erziehungswissenschaftler Aladin El-Mafaalani, der das größte Problem des Bildungssystems in seiner sozialen Ungerechtigkeit sieht. Zwar würden dort ungleiche Chancen nicht primär produziert; indem die Bildungsinstitutionen aber Ungleiches gleich behandelten, reproduzierten und legitimierten sie gesellschaftliche Ungleichheit. Dagegen habe auch die Bildungsexpansion nichts ausrichten können, die zwar immer mehr Menschen Bildungsabschlüsse beschert, den Abstand zwischen den Schichten aber nicht verringert habe. Die ohnehin Benachteiligten würden noch mehr benachteiligt, weil niedrige Abschlüsse nichts mehr zählten, obwohl das Bildungsniveau insgesamt gestiegen sei.

Es ist die übliche Geschichte vom Teufelskreis sozialer Benachteiligung, die hier erzählt wird: Bildungsferne Lebensbedingungen erzeugten geringere Bildungschancen, die wiederum zu schlechteren Lebenschancen führten. Die soziale Herkunft präge Bildungswege, die "Selektionswut" des mehrgliedrigen Schulsystems verfestigt für El-Mafaalani soziale Ungleichheit. In der Gemeinschaftsschule sieht er ein Heilmittel dagegen. Außen vor bleibt in seiner Sozialkritik, dass nicht jede Realschulempfehlung Ausdruck sozialer Benachteiligung ist, sondern mit unterschiedlichen Fähigkeiten der Schüler zusammenhängt - die wiederum nicht bloß das Ergebnis ihrer Sozialisation sind. Es gibt unverkennbar eine soziale Schere; und trotzdem ist das deutsche Bildungssystem ausgesprochen durchlässig und ermöglicht einen Bildungsaufstieg auch dann, wenn man aus unteren Schichten kommt. Soziale Gleichheit bedeutet ja nicht, dass alle gleich gut sein müssen.

Wie es um die Benachteiligung der Leistungsstarken steht, etwa wenn sie jahrelang in der Gemeinschaftsschule ausharren müssen, Lernschwächeren helfen sollen, selbst aber nicht gefordert und gefördert werden, erfährt man von El-Mafaalani nicht. Stattdessen hat der Autor eine Vorliebe für den von der Bildungsforschung bis zum Ermüden gebrauchten Begriff "Kompetenz", der hier wie dort mit Inhaltsleere einhergeht. Die Auflösung des Bildungsmythos befördert das sicher nicht.

HANNAH BETHKE

Jan Roß: "Bildung". Eine Anleitung.

Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2020. 320 S., geb., 22,- [Euro].

Aladin El-Mafaalani: "Mythos Bildung". Die ungerechte Gesellschaft, ihr Bildungssystem und seine Zukunft.

Kiepenheuer & Witsch, Köln 2020. 320 S., geb., 20,- [Euro].

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»Ein verständlich geschriebenes, nachdenklich stimmendes Plädoyer für eine größere Chancengleichheit in Deutschland.« Martin Schneider Spektrum der Wissenschaft 20200718