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Nicolaus Sombarts »Journal intime 1982/83, Rückkehr nach Berlin« ist das Schlusskapitel seiner überaus erfolgreichen Memoiren und eine Hommage an ein intellektuelles Berlin, dessen gesellschaftliches Leben sich wieder zu formieren versucht. Sombart betrachtet diese ersten Schritte seines Eintritts in eine neue Lebensphase mit Selbstironie und fühlt sich gleichzeitig als verantwortlicher Protagonist einer kulturellen Aufbruchsbewegung. Anlässlich der Feierlichkeiten zu seinem 60. Geburtstag zelebriert er Selbstinszenierungen, die in die vielfältige Thematik einer neuen Schaffensperiode weisen.…mehr

Produktbeschreibung
Nicolaus Sombarts »Journal intime 1982/83, Rückkehr nach Berlin« ist das Schlusskapitel seiner überaus erfolgreichen Memoiren und eine Hommage an ein intellektuelles Berlin, dessen gesellschaftliches Leben sich wieder zu formieren versucht. Sombart betrachtet diese ersten Schritte seines Eintritts in eine neue Lebensphase mit Selbstironie und fühlt sich gleichzeitig als verantwortlicher Protagonist einer kulturellen Aufbruchsbewegung. Anlässlich der Feierlichkeiten zu seinem 60. Geburtstag zelebriert er Selbstinszenierungen, die in die vielfältige Thematik einer neuen Schaffensperiode weisen. Vor dem aufmerksamen Leser lüftet die Maske ein wenig und verrät etwas von der leisen Tragik einer intellektuellen Existenz, die immer darum bemüht ist, nicht den Anschluss an das konkrete Leben zu verlieren. Der Rückblick auf seine vie expérimentale wird zum Bildungstagebuch, das mit spielerischem Ernst erotische und intellektuelle Abenteuer entfaltet. Sein utopisches Projekt der sexuellen Befreiung von Frau und Mann feiert einen Höhepunkt: die vorbildhafte Selbstverwirklichung einer erotischen Lebensgestaltung führt ihn in sentimentale Verstrickungen und frivole Situationen.
Autorenporträt
Nicolaus Sombart, geboren 1923 in Berlin, kehrt 1982 mit einem Ruf als Fellow ans Wissenschaftskolleg in die Stadt seiner Herkunft zurück. Dort kann er sich seinen literarischen und wissenschaftlichen Studien widmen und seinen Salon pflegen. Mit der »Jugend in Berlin 1933?43« erscheint 1986 der erste Teil seiner Autobiographie, ein Genre, das für ihn zwischen Literatur und Zeitgeschichte angesiedelt ist, nach dem Motto: La vie est un roman. 1994 publiziert er die »Pariser Lehrjahre 1951?54. Leçons de Sociologie«, den zweiten Teil seines autobiographischen Werks. Im Jahr 2000 folgt, viel beachtet, sein »Rendezvous mit dem Weltgeist. Heidelberger Reminiszenzen 1945?51«.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.09.2003

Konfirmanden und Kokotten
Das Wissenschaftskolleg als höfische Gesellschaft: Nicolaus Sombarts „Journal intime 1982/83”
Im Herbst 1982 kommt Nicolaus Sombart nach Berlin. Er ist, für ein Jahr, Fellow am neu gegründeten Wissenschaftskolleg. Ein erlesener Kreis angesehener Wissenschaftler lebt hier zusammen. Man beäugt sich, mal misstrauisch, mal wohlwollend, tauscht sich über die Gegenstände der eigenen Arbeit aus, schwatzt, teilt die Mittagsmahlzeiten und muss sich insgesamt als gleichsam internatshafte Gemeinschaft zusammenschütteln. Das geht nicht ohne Reibungen. Schließlich sind es – anders als im Internat – erwachsene und also voll ausgebildete Lebensformen, die hier abgestimmt werden müssen.
Am 2. November 1982 notiert Sombart in sein Tagebuch: „Meine Denkschrift über die ,gemeinsame Mittagsmahlzeit‘ wird jetzt rezipiert.” Bereits einen Tag später gibt es verschiedene schriftliche Stellungnahmen anderer Fellows, außerdem ein „Memo” von Christian Meier, dem Historiker (und heutigen Präsidenten der Akademie für Sprache und Dichtung). Am Abend des 3. November diskutieren die Fellows die Mahlzeitfrage. Meiers Vorschläge sind sehr demokratisch: Er fordert kleine Tische, an denen das Personal mitisst. Sombart dagegen wird in die Defensive gedrängt, seine Ideen gelten als elitär. Entnervt notiert er: „Die Diskussion war lamentabel . . . Sonderbar die Unterstellungen: ich hatte von weißen Tischtüchern gesprochen, jetzt aber war von Damasttüchern, Porzellan und Silberbesteck die Rede. Ich hatte von Karaffen gesprochen – es wurde aber von Kristallkaraffen gefaselt . . . ”. Die Stimmung ist vergiftet. Viele halten sich bedeckt und fallen gerade dadurch Sombart in den Rücken. Kraus, „dieser Nihilismusforscher aus Wien”, erklärt, er habe oft genug im Sacher gespeist und wüsste von daher die „Kantinenatmosphäre” im Kolleg durchaus zu schätzen. Einer nennt Sombart einen konservativen Revolutionär, während andere sich mokieren, sie seien hier, „um wissenschaftlich zu arbeiten, nicht um über das Essen zu reden”. Sombart resümiert: „Kurz, meine Vorschläge wurden als eine Art von Attentat auf die guten Sitten empfunden. Ein Triumph des Konformismus und des kleinbürgerlichen Muckertums.”
Eure Probleme möchte ich haben, könnte der Leser abwinken. Aber das wäre schade. Nicolaus Sombarts „Journal intime 1982/83. Rückkehr nach Berlin”, das nun, zwanzig Jahre nach seiner Entstehung, im rührigen Elfenbein Verlag publiziert wurde, ist ein einzigartiges Buch. Voller Klatsch, voller Intimität, voller Verblasenheit. Undiszipliniert und launenhaft. Hochfahrend und abschneidend. Auch selbstgerecht, wie es sich für ein Tagebuch gehört. Aber all das ist ganz wunderbar. Selbst dort, wo es um die nur scheinbar idiotische Frage geht, wie viel Stil die Mittagsmahlzeit im Wissenschaftskolleg braucht, stoßen Welten aufeinander. Hier das verquälte Pathos der Wissenschaft, die sich schmollend auf ihren Forschungsauftrag beruft, weil sie ahnt, dass ihr das Format fehlt, ein umfassenderes Essensritual mit Leben auszufüllen. Dort der Grandseigneur, der spürt, dass die Kollegen ihn als Wissenschaftler nicht für voll nehmen, und der darauf besteht, dass das Leben, wo es voll und reich sein soll, die große Geste braucht.
Was erdreistest du dich?
Nicolaus Sombart, 1923 als Sohn des Soziologen Werner Sombart in Berlin geboren, ist ein sehr freier Mensch. Eine Freiheit, die vor allem in seiner Unabhängigkeit von der eigenen Zeit besteht. Aber nicht in dem Sinne, in dem man seit einem Jahrhundert in der Nachfolge Nietzsches Unzeitgemäße Betrachtungen schreibt. Da bleibt man doch meist in der bewussten Düpierung des Zeitgeistes nicht minder auf diesen fixiert. Es geht nicht um den Gestus der Verweigerung gegenüber der Gegenwart, ebenso wenig um konservative Nostalgie. Sombarts Unabhängigkeit besteht vielmehr in der Offenheit, in weiteren Zeithorizonten zu leben, als sie der eigenen Epoche in der Regel zugänglich sind. Wobei mit „leben” unbedingt mehr gemeint ist als geschichtliches Wissen, mit dem sich ein Historiker etwa in den Geist einer fernen Epoche versetzt. Leben umfasst in diesem Sinne die ganze Klaviatur der Empfindungen, Affekte, Vorurteile und Denkreflexe, die unsere soziale und psychische Existenz bestimmen.
In seinem Erinnerungsbuch „Jugend in Berlin” erzählt Sombart vom Salon seiner Eltern im Grunewald. Einer der eindrucksvollsten Gäste war Graf Hermann Keyserling. „Er hatte”, schreibt Sombart, „etwas Superiores. Er sah und nahm die Welt von ,Oben‘.” Einmal kommt es zu einem Eklat. Ein Opernsänger fährt dem baltischen Grafen immer wieder durch allerlei verdruckst-kritisches Genörgel in dessen Rede. Welche Unstatthaftigkeit! Der Graf explodiert: „Er sprang auf, griff seinen Challenger am Arm und zwang ihn mit seiner Hünenkraft zu Boden: ,In die Knie, Schurke‘, rief er (auf russisch!), ,was erdreistest du dich?‘” Es ist wie die Operettenversion jener „Ilias”-Szene, wo Thersites, Inbegriff des niederen Ressentiments, von Odysseus gezüchtigt wird. Der junge Sombart ist tief beeindruckt: „Es war sein geistiges Format, die Fülle seiner Begabungen und Fähigkeiten, die seiner voll ausgelebten Subjektivität die unbestreitbare Legitimation verlieh. Wer Menschen wie ihm begegnet ist, hat einen absoluten und definitiven Maßstab für das, was ein ,Mensch‘ sein kann.”
Nun ist Sombart gewiss kein baltischer Graf, aber auch in ihm brennt eine Vitalität, die aus anderen Jahrhunderten herzurühren scheint. Sie verdankt sich nicht allein seiner Herkunft aus großbürgerlichem Milieu mit Dienstboten und Kindergeburtstagen in der französischen Botschaft. Vielmehr scheint in Sombarts Genen ein Schuss 18. Jahrhundert sein Wesen zu treiben. Casanovas Memoiren gehören zu Sombarts frühen, köstlichen Lektüreerlebnissen. Sie sind – um mit kräftigen Farben zu malen – der letzte große Flügelschlag des freien Geistes, bevor das 19. Jahrhundert mit seinen drei apokalyptischen Reitern Gefühl, Familie und Erziehung an der Neurotisierung und Verkleinbürgerlichung des Individuums zu arbeiten begann.
Etwas vom Geist Casanovas ist in Sombarts Lebensführung und -haltung eingegangen, wie sie uns nun aus seinem wunderbaren „Journal intime” entgegentritt. Man könnte aber auch sagen: Was sein Vater als Wissenschaftler in Begriffe zu fassen versuchte, hat der Sohn ausgelebt. Auch Werner Sombart war ja ein Kenner des 18. Jahrhunderts. Als Soziologe die große Gegenfigur zu Max Weber, der den Kapitalismus aus der protestantischen Leistungsethik, aus dem Geist der Askese erklärte. Werner Sombart drehte das um und sprach vom Geist der Verschwendung, von illegitimer Liebe und maßlosem Luxus als den Entstehungsbedingungen des Kapitalismus: „Der kosmische Liebesinstinkt bindet sich ebensowenig wie der raffinierte Liebesgenuss an eine von dem Gesetz gezogene Schranke: er ist seiner Natur nach illegitim oder, richtiger, a-legitim.”
Für Nikolaus Sombart ist die Zeit am Wissenschaftskolleg das Jahr der illegitimen Liebe. Einige Häuser entfernt von seiner Wohnung in der Grunewalder Hagenstraße gibt es ein Bordell. Sombart ist dessen ständiger Besucher. Eben noch die ermüdenden Spreizereien mit den Kollegen vom Wissenschaftskolleg, dann „endlich, ,Antrittsbesuch‘ in der Hagenstraße 5. Ein süßes Mädchen, 18, une vraie rousse, geschwätzig und anschmiegsam”. Der Sechzigjährige jubiliert: „Hier gehöre ich hin, so muss mein Leben sein! Straßburg liegt in unvorstellbarer Ferne. Eine Schatten-Scheinexistenz. Vollkommen unangemessen und unwürdig. Das hier ist viel mehr. Der Höhepunkt, auf den ich zehn Jahre mindestens gewartet habe.”
Auch außerhalb des Bordells ist Sombart überaus umtriebig. Junge Frauen besuchen ihn fast täglich. Doch manchmal kommt das 19. Jahrhundert dazwischen: Die Damen wollen nur reden! Oder beharren auf ihrer Individualität. „Babsi” wirft ihm vor, „ich sei unritterlich, ich setze sie unter Druck, sie fühle sich entwürdigt . . . Was will sie eigentlich? Ein Benehmen wie eine Sechzehnjährige.” Oder Tamara: Sombart vögle „völlig wahllos”: „Austauschbar ist einer der Vorwürfe.” Sombart entnervt: „Ich bin kein Sublimierer, sondern ein Erotiker.”
Die Süße des Lebens kenne nur, wer vor 1789 gelebt habe, meinte Talleyrand. Es ist, als wollte Sombart Talleyrand widerlegen. Nicht nur als Libertin. Auch der Stil seines Tagebuchs hat etwas vom Ancien Régime. Wie der Herzog Saint-Simon, der so prägnant vom Hof Ludwigs XIV. berichtete, kultiviert Sombart den physiognomischen Blick, der einen politischen und sozialen Typus erfasst: „Typisches Exemplar der deutschen Gräfin: natürlich, aber standesgeprägt; unspießig, aber diszipliniert; chic, aber nicht modisch; traditionsbewusst, aber nicht konventionell. Wesentlich ethisch und nicht ästhetisch bestimmt. Unerotisch, über Sex wird nicht gesprochen. Aber unterhalb der Gürtellinie hat die Lady völlig freie Verfügungsgewalt . . .”.
Blumenmädchen
Aber auch das Wissenschaftskolleg ist im Sinne des Herzogs Saint-Simon für Sombart die ideale Bühne. Denn hat es nicht etwas von der höfischen Welt in seiner Mischung aus Nähe und Distanz, Geselligkeit und Konkurrenz? Hier herrschen Treulosigkeit, Verschlagenheit und Heuchelei. Immer wieder gibt es Machenschaften. Gewandtheit und Neid halten sich die Waage. Das ideale Umfeld für Sombarts Begabung zum Maliziösen (und Ungerechten): „(Odo) Marquard verabschiedet sich, wie ein Konfirmand, Haken zusammengeschlagen, Diener. Ich sage: ,Es war ein großes Vergnügen für mich, einen berühmten deutschen Philosophen kennenzulernen.‘ Der reinste Hohn natürlich.”
Zum Höhepunkt der Rokoko-Reprise wird Sombarts 60. Geburtstag. Wochenlang zerbricht er sich den Kopf über Inszenierung und Finanzierung. Endlich kommt der Scheck von seinem Mäzen Hubert Burda über 12 000 Mark. Ein allegorischer Maskenzug, leicht ins Dekadente verrutscht, soll es werden. Es werden Zwerge engagiert, die als Räuber verkleidet und mit ihren Flinten in die Luft schießend zu Beginn des Festbanketts den Gastgeber fesseln. Ein Schauspieler tritt als Wilhelm II. auf, aus der Hagenstraße werden „Blumenmädchen” geholt, die bei der Enthüllung von Johannes Grützkes Sombart-Porträt die leichten Hüllen fallen lassen. Die gute, preußisch-protestantische Berliner Gesellschaft wird das degoutant gefunden haben. Aber ohne Mut zur Peinlichkeit ist das Grandiose eben nicht zu haben.
IJOMA MANGOLD
NICOLAUS SOMBART: Journal intime 1982/83. Rückkehr nach Berlin. Elfenbein Verlag, Berlin 2003. 212 S., 18 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Nicolaus Sombart war ein Lebemann, der es schaffte, im ärmlichen West-Berlin der frühen Achtziger eine gewisse Aura als Sohn von Werner Sombart um sich verbreiten und der im Smog der Ofenheizungen, der aus Ost-Berlin herüberwehte, als eine Figur von besonderer Farbigkeit hervorstach. Einige Feuilletonisten, die heute selber kurz vor der Rente stehen, bewundern ihn bis heute. Und das liegt an Sombarts allesamt autobiografischen Büchern, die es offenbar irgendwie doch schafften, ein Bild der Gesellschaft zu geben, in der Sombart lebte und die damit auch an den Vater anknüpften. Thomas E. Schmidt liefert in der Zeit ein liebevolles Porträt des Autors. Als Sombarts wichtigstes Buch empfiehlt er das "Journal intime", das die Zeit Sombarts am Berliner Wissenschaftskolleg 1982/32 protokolliert, das aber zuerst 2003 erschien. Das "Capriccio Nr. 1" scheint nur für wirkliche Liebhaber dieser schillernden Figur von Interesse zu sein, große Literatur ist es selbst aus Sicht des Fans Schmidt nicht. Es schildert das Innenleben eines Wehrmachtssoldaten, der sich beim Wachehalten in Frankreich langweilt und sich am Ende zur Desertion entschließt. Das Buch liefert für Schmidt trotz seiner Schwächen ein interessantes Schlaglicht auf die "Trümmer- und Nullpunktliteratur aus dem kalten Winter 1946/47". Das Buch dokumentiert für Schmidt auch die Nachkriegswende Sombarts, denn bis 1945 war er wohl eher das Söhnchen aus reaktionärem bis nazi-nahem Milieu, das mit Carl Schmitt Waldspaziergänge machte, erst nach 1945, so Schmidt, wurde er zum "glühenden Bewunderer des Westlichen".

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