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Russland und Deutschland haben sich entfremdet, eine neue Ost-West-Konfrontation ist ausgebrochen. Matthias Platzeck fordert daher nichts weniger als eine neue Ostpolitik: Wieder geht es darum, "Gräben zu überwinden, nicht zu vertiefen" (Willy Brandt) - denn der Frieden ist in Gefahr wie nie zuvor.
Das deutsch-russische Verhältnis gleicht einem Scherbenhaufen: Die Hoffnung auf Entspannung - mit dem Fall des Eisernen Vorhangs schon zum Greifen nah - hat sich 30 Jahre später zerschlagen, Russland ist wieder zum Feindbild geworden. Matthias Platzeck, den Russen und ihrem Land von Kindheit an
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Produktbeschreibung
Russland und Deutschland haben sich entfremdet, eine neue Ost-West-Konfrontation ist ausgebrochen. Matthias Platzeck fordert daher nichts weniger als eine neue Ostpolitik: Wieder geht es darum, "Gräben zu überwinden, nicht zu vertiefen" (Willy Brandt) - denn der Frieden ist in Gefahr wie nie zuvor.

Das deutsch-russische Verhältnis gleicht einem Scherbenhaufen: Die Hoffnung auf Entspannung - mit dem Fall des Eisernen Vorhangs schon zum Greifen nah - hat sich 30 Jahre später zerschlagen, Russland ist wieder zum Feindbild geworden. Matthias Platzeck, den Russen und ihrem Land von Kindheit an verbunden, engagiert sich für einen Dialog auf Augenhöhe: Deutschland sollte Russland endlich als Partner akzeptieren und dessen Interessen ernst nehmen. Für diesen Perspektivwechsel muss man nicht mit allem einverstanden sein, was in Moskau passiert. Aber es hilft das Eingeständnis, dass auch der Westen in den vergangenen Jahrzehnten entscheidende Fehler begangen hat.
Autorenporträt
Matthias Platzeck, geboren 1953 in Potsdam, engagierte sich in der DDR in der Umweltbewegung, war Minister der Regierung Hans Modrow, wechselte 1995 zur SPD, die ihn 2005 zu ihrem Vorsitzenden wählte. 1998 bis 2002 war er Oberbürgermeister von Potsdam. Von 2002 an war Platzeck elf Jahre lang Ministerpräsident von Brandenburg. Er ist Vorstandsvorsitzender des Deutsch-Russischen Forums und leitet die Kommission "30 Jahre Friedliche Revolution und Deutsche Einheit" der Bundesregierung.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.09.2020

Jenseits von
Putins Beliebtheit
Zwei sehr verschiedene Russland-Bücher
Schon länger ist Matthias Platzeck als ein Politiker bekannt, der für eine nachsichtigere Russlandpolitik eintritt. Seine Position hat er nun – allerdings lange vor dem Fall Nawalny – ausführlich in einem Buch dargelegt, in dem er eine „neue Ostpolitik“ mit „Russland als Partner“ schon im Titel fordert. Mit seiner neuen Ostpolitik meint der frühere Ministerpräsident von Brandenburg und kurzzeitige SPD-Vorsitzende aber nicht nur das Verhältnis Deutschlands und allgemein Europas zu Russland, sondern er wirbt auch für mehr Verständnis seitens der Westdeutschen für die oft schmerzhaften Erfahrungen der Ostdeutschen in den 1990er-Jahren.
Vielem von dem, was Platzeck über Russland schreibt, kann man nur zustimmen. Einen Krieg mit Russland darf es auf keinen Fall geben, und nur, weil die meisten Menschen in der Europäischen Union seit Jahrzehnten keinen Krieg erfahren haben, dürfen wir nicht denken, dass Kriege nicht erneut am Ende von Eskalationsspiralen stehen könnten. Bei den globalen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts wie etwa dem Klimawandel wird es internationale Verständigung auch mit Russland geben müssen. Genauso ist es richtig, dass in Russland – ganz im Gegensatz zum westdeutschen Wirtschaftswunder – die Zeit der politischen Demokratisierung und der wirtschaftlichen Liberalisierung in den 1990er-Jahren mit Chaos, Besitzverlust, Orientierungslosigkeit und Gewalt einherging. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass in Russland die Demokratie als politisches Modell einen schweren Stand hat.
Trotzdem bleibt Platzecks Buch letztlich eine unbefriedigende Lektüre. Während er immer wieder Empathie für Ostdeutsche und Russen fordert, hat er selbst offenbar wenig Empathie für die politischen Perspektiven von Ukrainern und den ostmitteleuropäischen EU-Staaten. Die Transformationserfahrungen der Ostmitteleuropäer seien gegen die der Russen zu vernachlässigen, und die inneren Entwicklungen in der Ukraine in den 1990er- und 2000er-Jahren werden gleich ganz ignoriert. Dafür geht es viel um Deutschland, die Nato und Russland. Immer wieder wirbt er für eine Erneuerung der Ostpolitik in der Tradition Willy Brandts und Egon Bahrs, ohne darüber zu reflektieren, dass im Unterschied zu den 1970er-Jahren der Kalte Krieg zu Ende und Europa und die Welt unübersichtlicher geworden sind. Die Antwort, wie eine kluge neue Ostpolitik genau aussehen könnte, die die Interessen Ostmitteleuropas mitberücksichtigt, bleibt Platzeck letztlich schuldig. Auch die Folgen der aggressiven Innen- und Außenpolitik Putins finden kaum Beachtung jenseits der Floskel, dass Platzeck sich auch gelegentlich darüber „ärgere“. Stattdessen wird variationsreich das Schlagwort von einem „Dialog auf Augenhöhe“ auf vielen Seiten ständig wiederholt. Auch die These, dass Putin ein Garant für Stabilität sei, ist fragwürdig. Es gibt genug Beispiele dafür, dass eine vermeintliche Stabilität, die an einer Person festgemacht wird, sich mittel- oder langfristig als Illusion erweist.
Wer also auf der Suche nach einem Buch ist, das im besten Sinne Russland verstehen möchte, dem sei nicht Platzeck, sondern das kleine, aber sehr feine Buch von Reinhard Krumm empfohlen. Auf nicht einmal 150 Seiten gelingt dem Autor ein eleganter Parcours durch die russische Geschichte, in der er aber nicht den Staat in den Mittelpunkt seiner Analyse stellt, sondern die Gesellschaft. Überzeugend gegen das Klischee einer stets passiven russischen Gesellschaft argumentierend, zeigt Krumm, wie diese sich zu unterschiedlichen Zeiten – etwa gegen Ende des 19. Jahrhunderts im Zarenreich oder während der „Tauwetter“-Periode unter Chruschtschow – immer wieder Freiräume erkämpfte. Auch heute habe, so Krumm, die Gesellschaft etwa in den Provinzen immer wieder ihre Fähigkeit zur politischen Partizipation unter Beweis gestellt, und in vielen Fällen gelinge es der Gesellschaft auch heute, dem Staat Zugeständnisse abzuringen.
Sicher gibt es auch Gegenargumente zu einigen Thesen Krumms. So behauptet er, dass es der heutige ungeschriebene Vertrag zwischen Gesellschaft und Staat vorsehe, dass der Staat die Politik monopolisiert, dafür aber die Grundsicherung des Gesundheitssystem und der Renten garantiert und sich außerdem aus dem Privatleben zurückzieht. Dies mag für die heteronormative Mehrheitsgesellschaft stimmen, für Homosexuelle gilt dieser Gesellschaftsvertrag indes nicht. Sie sehen sich in den letzten Jahren massiven, staatlich geschürten Aggressionen und Repressionen ausgesetzt, in Tschetschenien werden ihre Menschenrechte systematisch verletzt. Trotzdem aber ist Krumms Buch eine willkommene Abwechslung zu den vielen Stimmen, die – wie es im Übrigen auch bei Matthias Platzeck anklingt – die heutige russische Gesellschaft auf die vermeintlich hohen Beliebtheitswerte des Präsidenten Wladimir Putin reduzieren.
FRANZISKA DAVIES
Matthias Platzeck und
Reinhard Krumm wählen
unterschiedliche Perspektiven
Matthias Platzeck:
Wir brauchen eine neue Ostpolitik. Russland als Partner. Propyläen-Verlag, Berlin 2020.
256 Seiten, 22 Euro.
Reinhard Krumm:
Russlands Traum. Anleitung zum Verständnis einer anderen Gesellschaft. Verlag J.H.W Dietz Nachf., Bonn 2020.
133 Seiten, 16,90 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensentin Franziska Davis lässt sich nicht überzeugen von Matthias Pletzecks Appell für eine neue Ostpolitik. Wenn der SPD-Politiker und frühere Ministerpräsident Brandenburgs mehr Verständnis für Russland und auch Ostdeutschland einfordert, wäre Davies noch bereit, ihm einen Punkt zuzugestehen. Aber dass er die geforderte Empathie seinerseits nicht für Polen oder Ukrainer aufbringt, dass er für Wladimir Putins aggressive Politik nur verharmlosende Floskeln übrig hat, möchte sie ihm nicht durchgehen lassen.

© Perlentaucher Medien GmbH