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Mit Leidenschaft, Ironie und Scharfsinn erzählt Claudio Magris in seinem Essayband von einer Vielzahl von Themen: der Rolle des Intellektuellen in der Politik, der Erfahrung der Grenze, der Frage nach dem freien Willen, und von Autoren der Weltliteratur.
"Claudio Magris hat die Topographie unserer Kultur in vielen wundervollen, rätselhaften und komischen Einzelheiten gezeichnet." (Adolf Muschg)

Produktbeschreibung
Mit Leidenschaft, Ironie und Scharfsinn erzählt Claudio Magris in seinem Essayband von einer Vielzahl von Themen: der Rolle des Intellektuellen in der Politik, der Erfahrung der Grenze, der Frage nach dem freien Willen, und von Autoren der Weltliteratur.

"Claudio Magris hat die Topographie unserer Kultur in vielen wundervollen, rätselhaften und komischen Einzelheiten gezeichnet." (Adolf Muschg)

Autorenporträt
Claudio Magris, 1939 in Triest geboren, studierte Germanistik in Turin und Freiburg. Von 1978 bis zu seiner Emeritierung 2006 war er Professor für Deutsche Sprache und Literatur in Triest. Bei Hanser erschienen u.a. Donau (Biographie eines Flusses, 1988), Blindlings (Roman, 2007), Ein Nilpferd in Lund (Reisebilder, 2009), Verstehen Sie mich bitte recht (2009), Das Alphabet der Welt (Von Büchern und Menschen, 2011), Die Verschwörung gegen den Sommer (über Moral und Politik, 2013), Verfahren eingestellt (Roman, 2017), Schnappschüsse (2019) und Gekrümmte Zeit in Krems (Erzählungen, 2022). Magris erhielt zahlreiche wichtige Literaturpreise, u.a. 1999 den Premio Strega für Die Welt en gros und en détail, 2001 den Leipziger Buchpreis für Europäische Verständigung und 2006 den Prinz-von-Asturien-Preis. 2009 erhielt er den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und den Essaypreis Charles Veillon. 2012 wurde ihm das Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland v

erliehen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.05.2003

Demut und Ironie
Mit gesenkter Stimme, um die Damen nicht aufzuwecken: Claudio Magris’ gesammelte Überlebenstexte
Claudio Magris ist Germanistik-Professor in Triest und eine Ausnahmeerscheinung. Es gibt sehr wenige Wissenschaftler, die so lesbar schreiben können. Und noch etwas ist keineswegs selbstverständlich: Zwischen dem ersten jetzt in dem Band „Utopie und Entzauberung” abgedruckten Aufsatz aus dem Jahr 1974 bis zum letzten aus dem Jahr 1998 nimmt Magris’ Drang, sich an bewährte Schultern anzulehnen, ab und die eigene Urteilskraft zu. Dennoch ist der Band eine Art Aufräumbuch für fliegende Blätter, Artikel, die in Zeitungen gedruckt wurden, kleine Festschriften, dies und das eben, und der Verleger konnte wohl nicht anders als dem geschätzten Autor diesen Wunsch höflich zu erfüllen, nachdem nicht nur das Buch über die „Donau”, sondern auch der schöne Band „Die Welt en gros und en détail” viel Interesse gefunden hatte.
Der Titel „Utopie und Entzauberung” ist eine Klammer, die gut klingt, aber nur im ersten Text deutlich zur Sprache kommt. Die Jahrtausendwende war Anlass, über die „Entzauberung” nachzudenken, für die unser „schreckliches 20. Jahrhundert” gründlich gesorgt hat. Claudio Magris zitiert Max Webers Prognose einer Welt hinter Maschinen, spricht vom Schreckgespenst des „day after” und rettet sich in Cervantes’ Ironie, die von der plumpen Rohheit und zugleich von der Poesie des Rittertums erzählt. Diese elegante und entlastende Kombination ist durchaus typisch für den Autor, dessen Forderungen für die Zukunft: „Demut und Selbstironie”gut alteuropäisch, aber illusorisch sind.
Weil die Dichter, die er „Streuner” oder „Nomaden in der Wüste” nennt, fähig sind, die Tiefe an der Oberfläche zu verbergen, sollen sie, findet er, schaffen, was den anderen Menschen versagt ist. Die Dichter müssen stellvertretend die „Reise ins Leben” antreten. Claudio Magris unterteilt die „Reisenden” in zwei moderne Odysseus-Typen. Der eine reist, sieht, lernt, begreift und kehrt, in seiner Identität bestätigt, zurück. Der andere kommt nicht mehr zurück, steuert auf das Nichts zu, verändert seinen Charakter und zerstört die Grenzen der eigenen Identität. Claudio Magris gehört eindeutig zur ersten Kategorie.
Erst am Ende einer langen, langen und intensiven Bildungsstrecke, die Goethe, Luther, Tolstoi, Fontane, Nietzsche, Kafka, Hesse, Thomas Mann und Jorge Luis Borges streift und Überlegungen zu Leben und Taten der Lappen, Schamanen und Indianer nicht auslässt, fällt in Claudio Magris’ dickleibigem Sammelband Licht auf den Schüler eines Triester Humanistischen Gymnasiums. Papierkugeln fliegen durch das Klassenzimmer, aber schon ein paar Sätze weiter behauptet Magris, der gebildete Aufklärer, „frei von jedem naiven Triumphgefühl” zu sein. Das bestätigen die Aufsätze. Einige davon sind Miniaturen, manche, wie der interessante Artikel über Antigones gesellschaftliche Bedeutung, umfassende kluge Essays. Dieser vor dreiundsechzig Jahren geborene produktive Claudio Magris legt wert darauf, ein Reisender mit Standort Triest zu sein, einer aus der alten verlorenen Klasse von Caféhausschreibern, die nur im Geschiebe des öffentlichen Lebens den Mut zum Schreiben finden. Die aufschlussreichste Episode des Bandes über den Privatmann Magris trägt sich weder an der Donau noch an der Adria zu, mit denen er sich schon so oft beschäftigt hat. Magris hält vor alten, kultivierten Damen einen Vortrag. Die Damen schlafen ein, der Mann am Pult rettet sich in den Gedanken an den befriedigten Liebesschlaf und blendet, wie bei ihm üblich, ein hilfreiches Zitat ein, in diesem Fall Chestertons Pater Brown, beleidigt ist er keine Sekunde. Gern hätte man Claudio Magris’ nachsichtig „flötende Stimme” gehört, abgesenkt, um die Schlafenden nicht zu wecken.
„Utopie und Entzauberung” ist ein Aufsatz-Sammelband von einigem Erkenntnisgewinn. Man sucht nicht lange nach interessanten Gedanken, und kommt sich doch ein bisschen betrogen vor. Meist wird verschwiegen, aus welchem Anlass ein Text geschrieben wurde, und wo er schon einmal gedruckt worden ist. Auch kluge Menschen fallen auf ihre publizistische Eitelkeit herein. Das ist Claudio Magris passiert.
VERENA AUFFERMANN
CLAUDIO MAGRIS: Utopie und Entzauberung. Geschichten, Hoffnungen und Illusionen der Moderne. Übersetzungen aus dem Italienischen. Carl Hanser Verlag, München und Wien 2002. 365 Seiten, 24,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.02.2003

Hoffen auf die Apokalypse?
Schön nüchtern: Aufsätze und Essays von Claudio Magris

Der italienische Germanist und Schriftsteller Claudio Magris, auch politisch bemerkenswert engagiert, hat schöne - anmutig gelehrte - Bücher geschrieben: über Triest zum Beispiel, seine vielstimmige Stadt, einst Österreichs Zugang zum Meer, ein anderes über die Donau, kulturell gesehen, von Meßkirch bis Ovid am Schwarzen Meer, vor allem aber das vielschichtig suggestive Kompendium "Die Welt en gros und en détail". Nun also gesammelte Aufsätze oder Essays (mal eher das eine, mal eher das andere), 1999 italienisch erschienen und jetzt auf deutsch.

Der schöne Titel des Bands ist auch der des einleitenden Essays. "Entzauberung" also - das große Stichwort Max Webers wird aufgenommen; bemerkenswerter ist aber die Rettung der Utopie, denn sie wird ja vielfach beargwöhnt. Magris meint, wir brauchen sie doch, und zwar eine "durch Entzauberung berichtigte". Für ihn ist sie einfach Hoffnung, genauer: die Weigerung, "sich in die Dinge zu ergeben, wie sie sind". Utopie erst gebe dem Leben Sinn, "weil sie, ganz gegen jede Wahrscheinlichkeit, fordert, daß das Leben Sinn habe". Hierher gehört nun für ihn gerade auch die Literatur: sie ist ihm "in den beiden letzten Jahrhunderten die Geschichte von Utopie und Entzauberung und die von deren untrennbarer Zusammengehörigkeit". Entzauberung ist schließlich selbst eine Form von Hoffnung, einer "ironischen, melancholischen, wehrhaften". Übrigens hat die Kunst, gerade im Zeichen der "Entzauberung" der Welt (das übersieht Weber, obwohl es ihn bestätigt), gleichsam kontrapunktisch vielfach gerade den Charakter der Verzauberung, den sie zuvor weit weniger hatte, angenommen. Nicht nur bei Richard Wagner, der hier freilich, auch in seinem Einfluß und seiner anhaltenden Wirkung, paradigmatisch steht. Dann der Essay von den "Tröstungen der Apokalypse". Dieses "schreckliche Buch" der Bibel, ihr letztes, kündige nicht - da folgt er zögernd Eugenio Corsini - Künftiges, vielmehr zeige es bloß auf, was schon geschehen sei: Leiden und Sterben Christi und die "Herrlichkeit der Auferstehung". Seinen Teil habe Gott schon getan, und alles liege nun in der Hand des Menschen. Als ob darin Beruhigung wäre! Und da tritt nun der realistische Skeptiker Magris trocken auf den Plan: "Keine Apokalypse kann uns trösten, wenn wir allein sind mit unserem Tod und unserer Angst."

Siebenunddreißig Arbeiten sind in dem Buch versammelt, und es geht in ihnen um Philosophisches, Kulturkritisches (da gibt es Heiteres - der Mann hat wirklich Humor - und sehr Ernstes), dann um Literatur allgemein, schließlich um viele Autoren: sehr große, beträchtliche und kleine wie Charles Sealsfield oder die kluge und schöne Ninon de Lenclos aus dem siebzehnten Jahrhundert. Also etwa: Borges, Erasmus, Luther, Goethe, Hugo (dessen grandioses Machwerk "Dreiundneunzig"), Fontane (den er Strindberg gegenüberstellt), Robert Louis Stevenson, "epigonenhaft und zukunftweisend", ein meisterlicher Essay über das essayistische Werk Thomas Manns, "ein subtiler und gigantischer Kommentar zum eigenen Werk", hier auch eine Rettung der wirklich noch immer verkannten "Betrachtungen eines Unpolitischen", danach ein - entschieden positiver und langer - Essay zu dem so schwer zu beurteilenden Hesse, von dem er sagt, er habe, obwohl Mann "literarisch weit unterlegen", dennoch "in bezug auf die europäische Krise und den Schiffbruch der Vernunft von Anfang an viel tiefer gesehen"; dann, das kann nicht fehlen, aber auch da ist er fair, Hannah Arendt und Martin Heidegger, außerdem Hermann Broch, Primo Levi und - besonders schön schwebend - Eugenio Montale.

Die Beiträge zeichnen sich durch Redlichkeit aus, nirgends wird da geprunkt oder gar geflunkert, dann durch schöne Nüchternheit ("Der Betrachter", pflegte Hugo Friedrich zu sagen, "muß nüchtern bleiben - es reicht, wenn einer enthusiastisch ist") und durch belesene Vernünftigkeit: da herrscht "gesunder Leserverstand", wie Wolf Lepenies im Blick auf Sainte-Beuve sagte. Bemerkenswert ist auch das religiöse Interesse des Autors.

Diese Arbeiten eines in unserer Literatur und Gedankenwelt überaus kundigen Italieners geben auch einen Einblick in eine andere Welt, weil er nämlich immer wieder Autoren zitiert (er zitiert gerne und treffend), die hier kaum einer kennt. Deutsches (und anderes) wird bei ihm also auch von Italien her gesehen. Immer wieder sind da italienische Namen: Giulio Baioni, Giuseppe Bevilacqua, Rossana Rossanda, Pietro Citali, Cesare Cases, Marianello Marianelli, Patrizia Rateni und viele andere. Im kleinen zeigt auch dies: wir sind uns nah, aber doch auch einigermaßen fremd; das "commercium" ist im Kulturellen nach wie vor gering.

Schwer zu verstehen, warum man bei solchen Büchern mit dem Hinweis "Buchbindersynthese" - ein klassisches Kollegenargument - immer so schnell bei der Hand ist, abgesehen von dem vorindustriellen Bild des "Buchbinders", das hier waltet. Wenn das durch zwei Buchdeckel Synthetisierte jeweils gut ist (und es dann auch noch ein Register gibt), was, bitte, ist dann dagegen zu sagen?

HANS-MARTIN GAUGER

Claudio Magris: "Utopie und Entzauberung". Geschichten, Hoffnungen und Illusionen der Moderne. Aus dem Italienischen übersetzt von Ragni Maria Gschwend und Karin Krieger. Carl Hanser Verlag, München, Wien 2002. 95 S., geb., 13,90 [Euro].

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"Eine Diagnose der Moderne, wie sie aktueller und treffender kaum sein könnte."
(Steffen Richter, Neue Zürcher Zeitung, 07.11.02)

Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Michael Lützeler würdigt den Autor als den "bekanntesten italienischen Literatur- und Kulturwissenschaftler" und auch die vorliegenden Essays rechtfertigen seiner Ansicht nach den Ruf Magris'. Obwohl die meisten Aufsätze in den 90er Jahren entstanden sind, seien sie nach wie vor aktuell, lobt der Rezensent. Er rühmt Magris als gebildeten, dabei "kosmopolitischen Europäer", wobei ihm besonders gefällt, dass sich der Autor stets auf den "Dialog der Kulturen" einlasse. Die einzelnen Essays dieses Bandes haben Lützeler allesamt gefallen, wobei ihn besonders die Gedanken zu Utopie und Hoffnung angesprochen haben, in denen er Magris als "eigenständigen Schüler" von Ernst Bloch erkennt. Zudem ist er sehr beeindruckt, mit welcher Kenntnis der Autor als "Nichttheologe" die "Offenbarung des Johannes" oder das theologische Problem der "Willensfreiheit" analysiere. Weiter erwähnt er einen Aufsatz zu Goethes "Weltliteratur" als sehr "interessant", und einen Text über Hermann Hesse lobt er für seinen "luziden Exkurs" über die literarische Figur des Vagabunden.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Magris' Geschichten, Hoffnungen und Illusionen der Moderne sind schön zu lesen, weise ..." Franziska Meier, Frankfurter Rundschau, 17.04.03

"Ein Lese-Vergügen ersten Ranges." Ralph Gambihler, Dresdner Neueste Nachrichten, 8./9.3.2003

"Eine Diagnose der Moderne, wie sie aktueller und treffender kaum sein könnte." Steffen Richter, Neue Zürcher Zeitung, 07.11.02