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Dies ist die Geschichte eines Mannes, der einiges gewinnt und alles verliert. Eugen Esslinger, Sohn eines Miederwarenfabrikanten, lebt zunächst von seinem ererbten Vermögen, ist homosexuell und heiratet Mila Rauch, mit der er drei Kinder hat. Deren Vater aber ist er nicht. Seine Frau hat eine lebenslange Beziehung mit dem berühmten Indologen Heinrich Zimmer. Dieser ist mit Christiane von Hofmannsthal, der Tochter des großen Dichters, verheiratet. Auch wenn Eugen Esslinger hinter allen anderen verschwindet, steht er in diesem Roman im Mittelpunkt, als ein Mensch, der viel liebt, der früh…mehr

Produktbeschreibung
Dies ist die Geschichte eines Mannes, der einiges gewinnt und alles verliert. Eugen Esslinger, Sohn eines Miederwarenfabrikanten, lebt zunächst von seinem ererbten Vermögen, ist homosexuell und heiratet Mila Rauch, mit der er drei Kinder hat. Deren Vater aber ist er nicht. Seine Frau hat eine lebenslange Beziehung mit dem berühmten Indologen Heinrich Zimmer. Dieser ist mit Christiane von Hofmannsthal, der Tochter des großen Dichters, verheiratet. Auch wenn Eugen Esslinger hinter allen anderen verschwindet, steht er in diesem Roman im Mittelpunkt, als ein Mensch, der viel liebt, der früh verlernt, sich zu behaupten, und der in seinem Leben wie in den Leben derer, mit denen er es teilt, selten mehr ist als eine Nebenfigur. Und der in dem einen entscheidenden Moment nicht da ist, um jemanden zu retten ...Es sind vier Jahrzehnte deutscher Geschichte (1900-1944), die in diesem Roman lebendig werden, vor allem, und das ist die große Kunst seiner Autorin, in den Details, abseits der Hauptsachen und der Hauptfiguren. Katharina Geiser macht das Lebensgefühl jener Jahre spürbar, und sie erzählt diese Geschichte so heiter, dass es schmerzt.
Autorenporträt
Katharina Geiser, geboren 1956, studierte Germanistik, Englisch und Pädagogik. Sie lebt am Zürichsee und zwischen Eider und Treene in Schleswig-Holstein.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Erst einmal mutet die Form von Katharina Geisers Roman "Vierfleck oder Das Glück" ungewöhnlich und kompliziert an, findet Walter Hinck. Das Buch wird durch Jahreszahlen zwischen 1909 und 1944 gegliedert, die allerdings nicht chronologisch sortiert sind, sondern springen und sich wiederholen, erklärt der Rezensent. Was da vorwärts und rückwärts erzählt wird, ist ein komplexes Beziehungsgeflecht: eine unvollzogene Ehe, die trotzdem nicht kinderlos bleibt, weil sich ein anderer Freier findet, der wiederum später eine andere Frau heiratet, die nach der Auswanderung in die USA für den Unterhalt der ersten und ihrer Kinder sorgt, fasst Hinck zusammen. Das alles wird schön durch kulturelles, zeittypisches Kolorit angereichert, lobt der Rezensent.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.02.2015

Die Liebe reicht bis zum Matterhorn
Im Dreieck: Katharina Geiser erzählt in "Vierfleck oder Das Glück" merkwürdige Beziehungsgeschichten

An diesem Roman kann der Leser sein Kombinationsvermögen beleben; ein munteres Spiel der Zeitsprünge treibt die Autorin mit ihm. Jahreszahlen gliedern den Roman, aber indem sie sich vielfach wiederholen, legen sie das Gewicht auf wechselnde Perspektiven. Sie widersetzen sich der Erwartung von Chronologie. Eine Fülle von Ereignissen und Personen sorgt für historisches und kulturelles Kolorit: die Pariser Weltausstellung von 1900, die Fahrt mit der neuen Metro, Künstler wie Manet, Franz Marc und Emil Nolde, der Dichter Hugo von Hofmannsthal, die Musik von Richard Strauss, der Kreis um Stefan George, Thomas und Golo Mann. Aber seine ironische Leichtigkeit bezieht der Roman aus dem merkwürdigen Beziehungsgeflecht der Hauptpersonen und der Ungewöhnlichkeit der erotischen Konstellationen.

Eugen Esslinger, der Sohn eines Miederwarenfabrikanten, bezwingt mit fünfunddreißig Jahren über den Hörnligrat das Matterhorn, versucht aber eine künstlerische Existenz aufzubauen. Dem Bruder wurde als Juden das Richteramt verwehrt, Eugen nimmt in München Malkurse. Dort lernt er Mila kennen, ein knabenhaft aussehendes Mädchen, das ihn fasziniert und das er kurzweg heiratet, ohne freilich die Heirat im Hochzeitsbett zu vollziehen. Mila liebt ihn auf unfleischliche Weise, ist aber eine Frau von Fleisch und Blut und kommt so dem Indologen Heinrich Zimmer wie gerufen. Drei Kinder von ihm wird sie gebären, und für alle lässt sich Eugen Esslinger im Geburtsregister als Vater eintragen. Dies ist seine Art von Liebesbeweis, und noch der Sterbende erinnert sich 1944 daran, dass er die Ehe durch einen katholischen Priester segnen ließ, weil es Milas Wunsch war.

Kritisch werden die Liebesabenteuer erst, als der habilitierte Indologe dem großen Wiener Dichter Hugo von Hofmannsthal als Schwiegersohn willkommen ist. Die als Studentin nach Heidelberg gekommene Christiane von Hofmannsthal gilt als vernünftig und herzlich und als dauernde Lebensgefährtin ideal. Das weiß Zimmer zu nutzen, indem er auch weiterhin Mila beglückt. So wachsen Sprösslinge aus zwei Beziehungen heran. Entspannt wird das kritische Verhältnis erst, als Zimmer mit seiner Familie nach Amerika auswandert und als Universitätsangehöriger unter dem zünftigen Namen Henry R. Zimmer eingebürgert wird. Trotzdem bleibt Mila in Amerika unvergessen.

Christiane hat, wie der Kommentar Katharina Geisers bestätigt, nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs Mila mit Carepaketen und Geldüberweisungen unterstützt. Gewiss, gelegentlich scheint der Gliederung des Romans mit der häufigen Wiederkehr desselben Jahres etwas Mechanisches anzuhaften. Aber immer räumt sie mit der Vorstellung auf, dass die Darstellung einer Epoche je erschöpfend sein könne. Und wie viel Lebensfreude ruft die Aufzeichnung aus dem Jahr 1909 zurück. Eugen und Mila sind in Paris, Ostende und Berlin gewesen. "Sie reisen auch in den Süden. Ein ganzes halbes Jahr verbringen sie in einem abgeschiedenen Ort oberhalb des Luganer Sees. Dank Mila haben sie schnell Kontakt mit jedermann. Öfters lesen sie mit den Leuten Kastanien auf oder suchen Pilze, die sie dem Koch des Hotels bringen. Sie lesen viel. Mila malt. Landschaft im Wind. Schnee auf Palmen. Sie verstehen einander. Sie freuen sich. Auch über die Blütenpracht der Kamelien."

Uns begegnet in diesem Roman eine Schriftstellerin wieder, die ihre Wohnsitze am Zürichsee und in Schleswig-Holstein wechselt und die schon in ihrem Roman "Diese Gezeiten" (2011) zeigte, wie sich geistvolle und poetische Schreibweise verknüpfen lassen. Alle näheren Verwandten Eugen Esslingers wurden Opfer des Holocaust: Dennoch meidet die Autorin den rigiden Stil der Anklageprosa. Aus "dem bunten, geradezu tumultuösen Kosmos kam mir Eugen Esslinger näher und näher", berichtet sie. "Schließlich war die Idee zum Roman da, also: Selbstbetrachtung der Dinge, Verdichten, Erfinden." Und gerade das Erfinden, die Freiheit der Phantasie, gibt dem Roman seine poetische Farbigkeit. Wie ein Leitthema durchzieht den Roman das Motiv der Libelle. Ein Biologe führt Eugen in die Libellen-Kunde ein: "Schillebolde, französisch demoiselles, finden sich versteinert schon im Jura, im Miozän und im Bernstein." Im Fortgang des Romans finden wir viele Details zu den Flug- und den Fortpflanzungsweisen, aber auch zu der Unberechenbarkeit dieser zauber- und rätselhaften Tiere, die mühelos auch rückwärts fliegen. "Vierfleck" heißt eine der Arten, die man auf einem der Massenzüge im Jahre 1897 auf der Insel Föhr beobachten konnte. Den Namen "Vierfleck" hat die Autorin auch für den Titel des Romans gewählt: "Vierfleck oder Das Glück".

Stehen die davonziehenden Libellenschwärme als Bild und Zeichen für ein Glück jenseits des Unheils, das 1933 über Deutschland hereinbrach? - Die Frage bleibe offen. Der Roman zeigt eine sich verdunkelnde Welt des zwanzigsten Jahrhunderts in literarisch funkelnden Skizzen. Was abhandenkommt, ist die in den Beziehungen der Personen aufscheinende Ironie. In seinem Todesjahr, 1944, lebt Eugen Esslinger, den einmal die "Schönheit der Welt getroffen" hat, verarmt und vereinsamt und schreibt in sein Lektüreheft: "Ein Same müsste man sein. Ein Same von einer Birke zum Beispiel. Zu Boden segeln und sich irgendwann wieder erheben. Um noch mal da zu sein. Auf eine andere Weise."

WALTER HINCK

Katharina Geiser: "Vierfleck oder Das Glück". Roman.

Jung und Jung, Salzburg und Wien 2015, 263 S., geb., 18,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.04.2015

Heimlichkinder und Vorzeigekinder
Katharina Geiser verwandelt die Lebensgeschichte des Indologen Heinrich Zimmer in einen Roman
Die Moral ist ein nervöses Tier, das einem aus der Hand frisst und einen wundbeißt, weiß Eugen Esslinger. Auf dem Stadtplan, mit dem er im Jahr 1902 durch Berlin streift, sind all die heimlichen Orte verzeichnet, an denen Männer sich mit Männern treffen. Er war auch schon in anderen Städten und im Süden, wo man von einem gewissen Paragrafen nichts weiß. Dank einer Erbschaft fehlt es ihm nicht an Geld und Möglichkeiten, aber Eugen sucht eine Frau, die ein normales Leben mit ihm führen und ihn nicht erziehen will. In München lernt er die junge, knabenhafte Mila kennen, die ihn nimmt wie er ist und auch gegen eine Hochzeit nichts einzuwenden hat. Und da der Ehemann sich an den gelegentlichen Abenteuern seiner Gattin nicht stört, scheinen hier zwei ihr Glück gefunden zu haben.
  Aber dann kommt der Krieg, und vom einstmals stattlichen Vermögen ist bald nichts mehr da. In einer Heidelberger Pension lernt Mila in den Zwanzigerjahren Heinrich Zimmer kennen, einen Indologie-Dozenten, von dem sie nach und nach drei Kinder bekommt. Als offizieller Vater springt Eugen ein, der sich die Ehe selbst als Schutzraum und Tarnung gesucht hat und nun andere schützt und tarnt.
  Die Protagonisten in Katharina Geisers drittem Roman „Vierfleck oder Das Glück“ sind nicht erfunden. Ihr Leben ist umfassend dokumentiert, vor allem durch die 1700 Briefe Heinrich Zimmers an Mila Esslinger-Rauch, die Katharina Geiser ursprünglich mit ihrer früheren Deutschlehrerin, Maya Rauch, der Tochter Zimmers und Milas, in Auswahl herausgeben wollte.  Als Maya Rauch 2008 starb, konnte Geiser den gesamten Nachlass einsehen und die Aufzeichnungen und Dokumente zu einem dichten literarischen Stoff zusammenfügen. Die Notwendigkeit, erst die Verbindung zwischen zahllosen Papieren herstellen zu müssen, macht die Autorin zum erzählerischen Prinzip: Statt dem bloßen Gang der Dinge und den Wegen einzelner Figuren zu folgen, arrangiert sie das Material zu mal fünf Zeilen, mal fünf Seiten langen, mit Jahreszahlen überschriebenen Tableaus, die keiner chronologischen Ordnung gehorchen und Verknüpfungen ganz unterschiedlicher Zeiten, Orte und Personen erlauben. So entsteht ein kunstvolles Mosaik, ein Puzzle, in dem gerade jene Teile aneinandergelegt werden, deren Motive nicht zusammenzupassen scheinen.
  Dass dem Leser dabei Gottfried Benn und Martin Buber, Thomas Mann und Hermann Hesse, C.G. Jung und Emil Nolde begegnen, liegt vor allem an Heinrich Zimmer, der als Mythen- und Traumforscher berühmt wird und 1928 Hugo von Hofmannsthals Tochter Christiane heiratet. Zu den drei „Heimlichkindern“ mit Mila kommen drei „Vorzeigekinder“ mit Christiane hinzu, die in das Geheimnis ihres Mannes eingeweiht ist und die Geliebte auch nach Zimmers Tod unterstützt. Dieser brauche, sagt sie im Roman, zu seinem Wohlbefinden nun einmal zwei Frauen, zweimal drei Kinder, zwei Häuser und zwei Gärten, mache dafür aber auch doppelt so viele Menschen glücklich.
  Hauptfigur des Buches aber bleibt der lebensfremde, lebenskluge Außenseiter Eugen, ein stiller Bewunderer der titelgebenden Vierfleck-Libellen, der die Familie über Wasser zu halten sucht und sich in alles fügt, was von ihm erwartet wird. Am Ende muss er erkennen, dass die Bretter seines mühsam errichteten Lebensfloßes in alle Richtungen davonschwimmen und ihm kaum noch eine Planke bleibt, an die er sich klammern kann. Das „wehrlose Volk der ungerecht Behandelten“, sagt er rückblickend, „ist nicht gerade klein. Und besonders dann, wenn man glaubt, alles richtig gemacht zu haben, gehört man dazu.“ Als Jude in Deutschland verfolgt, lebt er am Ende allein und unter ärmlichen Bedingungen in der Schweiz und akzeptiert sogar die Scheidung, damit Mila einen Ariernachweis für die Kinder beantragen kann. Er stirbt 1944 in Fribourg.
  Aus der besonderen Nähe der Autorin zu dieser Figur ergibt sich allerdings auch ein erzählerisches Problem – der melancholische, zuweilen naiv-lakonische Ton, mit dem Katharina Geiser aus Eugens Perspektive berichtet, wird zur Erzählstimme aller Protagonisten und wirkt etwa bei Heinrich Zimmer weniger überzeugend. Auch dessen Frau Christiane bleibt in ihrem Denken und Handeln eher blass. Dennoch ist der Autorin ein berührendes, kraftvolles Porträt ungewöhnlicher Menschen gelungen, an deren verschlungenen Schicksalen man Anteil nimmt und deren untergegangene Welt hier wieder lebendig wird.
  Dass Heinrich Zimmer schon einmal Gegenstand eines Romans war, erfährt man hier freilich nicht. 1940, als er sich wegen der jüdischen Abstammung seiner Frau im amerikanischen Exil befand, veröffentlichte sein Freund, der Literaturwissenschaftler Max Kommerell, im S. Fischer Verlag das Buch „Der Lampenschirm aus den drei Taschentüchern“. In dieser „Erzählung von gestern“, so der Untertitel, spricht man im Hause des in Psychologie wie Indologie bewanderten Professors Neander in kleiner Runde über Träume, die als Ergänzungen des verarmten modernen Lebens und erotische Heilmittel gegen Vernunftgläubigkeit und Tod gedeutet werden.
  Denn die bürgerliche Vorstellung von Askese und Moral, so Neander, halte vor der Wahrheit des Seelenlebens und dem Glück des Einzelnen nicht stand. In einem Brief an Kommerell staunt Zimmer, wie viel dieser von ihren geselligen Zusammenkünften behalten hat, und fügt hinzu: „Ich bin aber ganz froh, dass in New York niemand weiß, dass ich Rumpelstilzchen heiß.“ Der heutige Leser darf sich zum Glück daran erinnern.
MATTHIAS WEICHELT
„Das wehrlose Volk der
ungerecht Behandelten
ist nicht eben klein“
        
  
  
  
Katharina Geiser: Vierfleck oder Das Glück. Roman. Verlag Jung und Jung,
Salzburg und Wien 2015.
264 Seiten, 22 Euro.
E-Book 14,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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