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Raoule de Vénérande ist eine wohlhabende junge Frau aus altem Pariser Adel. Sie verliebt sich in den Künstler Jacques Silvert, einen jungen Mann aus einfachen Verhältnissen, und macht ihn - nicht etwa zu ihrem Liebhaber, sondern zu ihrer Geliebten und schließlich zu ihrer Frau.Die französische Literatin mit dem - eher männlich gelesenen - Pseudonym Rachilde schrieb »Monsieur Vénus« im Paris der 1880er Jahre mit Anfang 20. Sie verstieß mit ihrem Roman so vehement gegen die gesellschaftlichen und sexuellen Konventionen ihrer Zeit, dass das Werk ihr eine Geld- und Haftstrafe einbrachte und nur in…mehr

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Produktbeschreibung
Raoule de Vénérande ist eine wohlhabende junge Frau aus altem Pariser Adel. Sie verliebt sich in den Künstler Jacques Silvert, einen jungen Mann aus einfachen Verhältnissen, und macht ihn - nicht etwa zu ihrem Liebhaber, sondern zu ihrer Geliebten und schließlich zu ihrer Frau.Die französische Literatin mit dem - eher männlich gelesenen - Pseudonym Rachilde schrieb »Monsieur Vénus« im Paris der 1880er Jahre mit Anfang 20. Sie verstieß mit ihrem Roman so vehement gegen die gesellschaftlichen und sexuellen Konventionen ihrer Zeit, dass das Werk ihr eine Geld- und Haftstrafe einbrachte und nur in einer entschärften Fassung erscheinen konnte. Zum ersten Mal auf Deutsch in der vollständigen Originalfassung - mit einem Nachwort der Literaturwissenschaftlerin und Expertin für weibliches Schreiben Martine Reid.
Autorenporträt
»Rachilde, homme de lettres«, stand auf der Visitenkarte von Marie-Marguerite Valette, die 1860 in Paris geboren wurde. Sie kleidete sich als Mann und verfasste etwa 60 Romane, in denen sie sich explizit mit Geschlechterkonventionen und Themen wie Homo- und Transsexualität auseinandersetzte. Sie war Teil des Pariser Fin de Siècle und zählt neben Colette zu den wenigen einflussreichen Frauen dieses Kreises. Rachilde starb 1953 in Paris.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension

Als dieser Roman der Französin Marguerite Eymery, die zeitlebens unter dem Pseudonym "Rachilde" schrieb, 1884 in Belgien erschien, landete er auf dem Index, weiß Rezensentin Sigrid Brinkmann und erklärt: Ein Roman über Transsexualität und sadistisch-masochistische Helden war dann doch etwas zu viel für das frivole Fin de Siècle. Umso begeisterter liest die Kritikerin den Roman, nun in der "inkriminierten" Ausgabe von 1884, die jetzt erstmals auf Deutsch erscheint. Brinkmann taucht hier ab in eine adlige Elite, die entsetzt reagiert, wenn Rachildes Heldin Raoule de Vénérande Geschlechter- und Klassengrenzen auf den Kopf stellt. Die Rezensentin ergötzt sich an dem Fest "körperlicher Schönheit" in diesem Roman und staunt nicht schlecht, wie Rachilde mit Männern umspringt.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.11.2020

Tiertränen treffen stets ins Herz

Zurichtung des Mannes: Der Roman "Monsieur Vénus" von Marguerite Eymery alias "Rachilde" mischte vor mehr als einem Jahrhundert das Geschlechterverhältnis gründlich auf.

Was soll das sein, "Monsieur Vénus"? Der herausfordernde Widerspruch nährt Erwartungen bis hin zu Transgender und Queerness, in einem Roman, der zuerst 1884 in Brüssel erschien; sie werden nicht enttäuscht. Die Historie der Publikation ist von Zensur geprägt, für die Erstausgabe wird die Verfasserin - Rachilde - zu zwei Jahren Gefängnis und einer Geldstrafe von zweitausend Franc verurteilt, der sie sich entzieht. Nun erscheint das Buch erstmals auf Deutsch, in der unbereinigten Originalfassung.

Wer aber ist "Rachilde"? Der Name hält das Geschlecht in der Schwebe, auf der Visitenkarte der Autorin stand "Rachilde - Homme de Lettre". Geboren wurde sie 1860 als Marguerite Eymery auf einem Anwesen im Périgord, als Tochter eines Offiziers, der Frankreichs Niederlage 1871 als Demütigung empfand, und einer von Depressionen gequälten Mutter. Standesgemäß soll sie zur jungen Dame erzogen werden, zugleich lässt sie ihr Vater, der sich einen Sohn gewünscht hatte, im Reiten und Fechten ausbilden. Sie wird zu einem "doppelten Wesen", das sich ins Lesen und Schreiben flüchtet. So schildert sie es 1947 im Artikel "Quand j'etais jeune" für die Zeitschrift "Mercure de France".

Zu Zeiten von "Monsieur Vénus" lebt Rachilde, sie ist Mitte zwanzig, in Paris und kleidet sich nach Männerart. Mit dem cross-dressing und ihrem Pseudonym verweist sie auf ihre Homosexualität oder jedenfalls bisexuelle Kondition. Damit bleibt sie nicht allein - wie auch das Selbstporträt der amerikanischen, in Frankreich lebenden Malerin Romaine Brooks in Männerkleidung zeigt, das der Verlag als Titelbild gewählt hat. Paris wird dann zum Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts zur Zentrale des Aufbegehrens von Künstlerinnen und Intellektuellen gegen tradierte Geschlechternormen. Dafür stehen etwa die Dichterin Gertrude Stein und ihre Frau Alice B. Toklas, die offen ihre lesbische Beziehung leben, oder die gefeierte Schriftstellerin Colette.

Gibt es eine Handlung im Roman? Mademoiselle de Vénérande, die also namentlich Ehrenwerte, die in einem Stadtpalais lebt, von altem Adel, reich, gebildet, von herber Attraktivität und umworben von Männern, begegnet auf der Suche nach einer Seidenblumenmacherin in einer ärmlichen Behausung Jacques Silvert, der diese Arbeit für seine kranke, intrigante Schwester macht. Raoule, so Mademoiselles schillernder Vorname, ist sofort hingerissen von Jacques. Sie wird ihn zu "Monsieur Vénus" machen, indem sie ihn für sich regelrecht zurichtet - in Umkehrung des gängigen Modells der ergebenen Geliebten eines Mannes von Stand. In der Mansarde nimmt sie seine Dienste als "Künstler" an, "entnahm einem wappengeschmückten Portemonnaie drei Banknoten", womit zugleich das soziale Gefälle in diesem - pervertierten - gender gap markiert ist. Sie hält ihn unter luxuriösen Bedingungen, heiratet ihn schließlich. In ihm verschmelzen animalische Attraktion und die Anmutung eines Hermaphroditen, der er gar nicht ist.

Die Leserin darf sich beim Erstkontakt Jacques, in den Augen von Raoule, so vorstellen: "Dieser Mann hatte den flehenden, leicht feuchten Blick eines geprügelten Hundes. Solche Tiertränen treffen immer schrecklich ins Herz. Sein Mund besaß die festen Konturen gesunder Münder, die der Rauch, der sie mit seinem männlichen Duft sättigt, noch nicht hat welken lassen. Bisweilen blitzten hinter den überroten Lippen ungemein weiße Zähne auf, und man fragte sich, warum diese Milchtropfen nicht zwischen den beiden Glutscheiten verdampften. Das Kinn mit seinem Grübchen und dem ebenmäßigen, kindhaften Fleisch war hinreißend. Der Nacken hatte ein Fältchen wie bei einem Neugeborenen, das Speck ansetzt. Einzig die recht große Hand, die dunkle Stimme und das widerspenstige Haar ließen bei ihm auf sein Geschlecht schließen." In solchem Tonfall, der die zeittypisch gängigen literarischen Schwülstigkeiten locker überbietet, geht es durch das schmale Buch. Erlösung gibt es nicht, wer Rachildes Furor erfahren will, muss da durch.

Und dieser Roman ist eine Katastrophe, in jedem Wortsinn. In ihm kollabieren halbwegs guter Geschmack mit Erziehung und Geschlecht (als biologisches und soziales Muster) zu einer Melange, deren Hitzigkeit sich in geschraubten Andeutungen der erotischen Interaktionen mehr verbirgt als enthüllt. Die Eckpfeiler des bösen Spiels heißen Symbolismus und Décadence, "Nervenkunst" inklusive aller Ingredienzien bis zum Tod. Im selben Jahr 1884 wie "Monsieur Vénus" erscheint Joris-Karl Huysmans' "À rebours", dessen Held Jean Floressas Des Esseintes in seinem neurotischen Ästhetizismus zum Akteur eines Kultbuchs der Dekadenz wird. Vier Jahre später wird Maurice Barrès in "Le Culte du moi" einen überspitzen Narzissmus vorführen. Kein Wunder, dass Barrès zur dritten Auflage von Rachildes Roman 1889 ein ambivalentes Vorwort schreibt, in dem er bittet, "das Werk als eine anatomische Studie zu betrachten".

Es passt ins Bild, dass in "Monsieur Vénus" zudem die Pariser psychiatrische Anstalt Hôpital de la Salpêtrière vorkommt, wo der Neurologe Jean-Marie Charcot seine Patientinnen, die als Hysterikerinnen berühmt wurden, im Hörsaal vorführte. Von Phantasien kalt kalkulierender Macht ist auch Rachildes Heroine im Prozess der Effeminierung ihres "ordinären Adonis" (so Barrès) besessen. Sie will - als sein Herr - Jacques als unterworfene "Geliebte" besitzen. Der Preis, den sie dafür bezahlt, ist - in dieser verqueren Logik - der Verzicht auf die Befriedigung ihres eigenen Begehrens. Ihrem glühenden Verehrer, dem virilen, kampferprobten Baron de Raittolbe, erklärt Mademoiselle de Vénérande das so: "Als Verliebter begehre ich einen Mann, nicht eine Frau. Man hat mich nicht genug geliebt, als dass ich den Wunsch hätte empfinden können, ein Wesen nach dem Bildnis des Gatten in die Welt zu setzen . . . und man hat mir nicht genug Lust verschafft, als dass mein Kopf nicht Muße gehabt hätte, nach etwas Besserem zu suchen . . . Ich wollte das Unmögliche . . . und besitze es jetzt . . . Doch nein, nie werde ich es besitzen!" Dass Raoule einmal aufjault "Hat man jemals um die Gnade gefleht, sein Geschlecht zu ändern?", ist da fast ein freundlicher Vorschlag, zwischen dieser Verwirrung der Geschlechterordnung und einer nicht nur latenten Misandrie.

Maguerite Eymery hat den Kampf gegen eine heteronormative Sexualität nicht erfunden, aber sie hat ihn als extreme Provokation aufgenommen, mutwillig auf Skandal getrimmt, bis hin zum (nun unzensierten) Schlusskapitel, dessen Radikalität jedem Schauerroman Ehre einlegt. So lässt sich wohl auch der kryptische Untertitel "Materialistischer Roman" erklären: In der Travestie als Rachilde wollte sie dem herrschenden Widerstreit zwischen Naturalismus und Symbolismus eine Idee entgegensetzen, die Wirklichkeit für sich beansprucht. Literarisch ist sie dabei gescheitert, und persönlich mag sie sich damit eine Zwangsjacke angezogen haben. Im Jahr 1889 heiratete sie den Schriftsteller Alfred Vallette; mit ihm leitete sie von 1890 bis 1935 den "Mercure de France". Heute ist "Monsieur Vénus" ein zwiespältiges Lesevergnügen, aber ein historisches Dokument, dem man die Behandlung in einem klugen philologischen Seminar wünscht.

ROSE-MARIA GROPP

Rachilde:

"Monsieur Vénus". Roman.

Aus dem Französischen von Alexandra Beilharz und Anne Maya Schneider. Nachwort von Martine Reid. Reclam Verlag, Ditzingen 2020. 218 S., geb., 18,- [Euro].

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»Ein überraschend moderner Roman - er lohnt sich, wiederentdeckt zu werden. Trotz aller Skandalisierung und Schmähung als 'hysterische Jungfrauenfantasie' machte er Rachilde bekannt, inspirierte Oscar Wilde und ist heute eine aufregende Entdeckung. [...] Elegant übersetzt von Alexandra Beilharz und Anne Maya Schneider.« Deutschlandfunk, 06.11.2020 »Marguerite Eymery hat den Kampf gegen eine heteronormative Sexualität nicht erfunden, aber sie hat ihn als extreme Provokation aufgenommen, mutwillig auf Skandal getrimmt, bis hin zum (nun unzensierten) Schlusskapitel, dessen Radikalität jedem Schauerroman Ehre einlegt.« Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.11.2020 »Herrlich erzählt« Berliner Zeitung, 16.11.2020 »'Monsieur Vénus' ist mehr als nur ein kurioses Beispiel symbolistischer Décadence, ganz im Stil eines Joris-Karl Huysmans und mit Ausflügen in die düster-schwüle Halbwelt eines Charles Baudelaire, die sich eine kaum der Pubertät entwachsene junge Dame in ihren sinnlichen Träumen leistet: Es ist ein frühes Dokument des Kampfes der Frauen um Gleichberechtigung und sexuelle Befreiung.« BR »Diwan - Das Büchermagazin«, 03.01.2021 »'Monsieur Vénus' ist der Versuch, eine ins Korsett geschnürte Sexualmoral aufzubrechen - und das mit dem Sprengstoff erotisch aufgeladener Literatur. Äußerst lesenswert.« Ö1 »Ex libris«, 10.01.2021 »Ein kleines französisches Juwel« SWR2 Lesenswert Magazin, 10.01.2021 »Eine Wegbereiterin queerer Literatur, sorgsam ediert« Deutschlandfunk Kultur LESART, 13.01.2021…mehr