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Wie korrupt ist Deutschland?
Geldwäsche, Bestechung, Hinterzimmergespräche - Korruption verbinden wir hauptsächlich mit den ärmsten Ländern der Welt, deren Demokratie und Rechtssystem weit hinter unseren Standards zurückliegen. Aber auch Deutschland landet nur auf Platz 11 im Ranking des Korruptionsindex 2018 von Transparency International. Ist unsere eigene Weste gar nicht so weiß, wie wir meinen?
Jens Ivo Engels hat die wichtigsten Korruptionsfälle der Bundesrepublik seit 1949 analysiert. Ohne populistische Vereinfachung und Polemik ordnet er Skandale, Affären und Debatten in ihr
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Produktbeschreibung
Wie korrupt ist Deutschland?

Geldwäsche, Bestechung, Hinterzimmergespräche - Korruption verbinden wir hauptsächlich mit den ärmsten Ländern der Welt, deren Demokratie und Rechtssystem weit hinter unseren Standards zurückliegen. Aber auch Deutschland landet nur auf Platz 11 im Ranking des Korruptionsindex 2018 von Transparency International. Ist unsere eigene Weste gar nicht so weiß, wie wir meinen?

Jens Ivo Engels hat die wichtigsten Korruptionsfälle der Bundesrepublik seit 1949 analysiert. Ohne populistische Vereinfachung und Polemik ordnet er Skandale, Affären und Debatten in ihr gesellschaftliches Umfeld ein und beleuchtet ihren Zusammenhang mit der internationalen Diskussion um Transparenz und gute Regierungsführung.
Historische Analyse und fundierte Darstellung der Korruptionsthematik in der BRDKorruptionsfälle in Deutschland seit 1949: von der gekauften Hauptstadt Bonn bis zur Korruptionsdebatte um Ex-Bundespräsident Christian WulffAufarbeitung, Konsequenzen, Korruptionsprävention: Warum Deutschland keine Bananenrepublik istDer globale Kampf gegen die Korruption: mit Transparenz und Korruptionsgesetzen gegen Wirtschaftskriminalität und korrupte Politiker?

Korruptionskritik im Wandel der Zeit

Die Flick-Affäre oder Kohls CDU-Spendenskandal zeigen: Korruption in der Politik existiert auch in Deutschland. Was in der Bonner Republik noch eher verhalten diskutiert wurde, wird heute offen in den Medien thematisiert und lautstark angeprangert. Doch wie wirkt sich diese Kritik auf die politische Kultur unseres Landes aus - besteht gar ein Zusammenhang zur heutigen Politikverdrossenheit?

Jens Ivo Engels, einer der ersten deutschen Historiker, die sich wissenschaftlich mit Korruption auseinandersetzten, leitete mehrere Forschungsprojekte zum Thema. Er zeigt, warum die öffentliche Diskussion über Korruption ein wichtiger Indikator für die politische Verfasstheit eines Staates ist - und weshalb wir sie kritischer und mit mehr Sensibilität führen sollten!
Autorenporträt
Jens-Ivo Engels, geb. 1971, ist Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der TU Darmstadt. Er gehörte zu den ersten deutschen Historikern, die sich mit Korruption beschäftigen, und hat unter anderem drei DFG-Forschungsprojekte zu diesem Thema geleitet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.01.2020

Autoimmunerkrankung der Demokratie
Korruption seit 1949 - wie Politiker unter Generalverdacht gerieten

Am Ende, als die Justiz die Vorwürfe gegen Christian Wulff geprüft hatte, blieb nicht viel übrig vom Sturm der Entrüstung, der ihn aus dem Amt des Bundespräsidenten gefegt hatte. Trotzdem stand er vor den Trümmern seiner politischen Karriere. Das Staatsoberhaupt war über einen vielschichtigen Korruptionsskandal gestolpert, der mit einem zweifelhaften Hauskredit und einer vermeintlichen Lüge vor dem Landtag in Hannover begann, zu Berichten über Einladungen zum Essen und in den Urlaub führte und in einem geschenkten Bobby-Car seinen Höhepunkt fand. Der Freispruch Wulffs 2014 bildet den Schlusspunkt von Jens Ivo Engels' Buch "Alles nur gekauft? Korruption in der Bundesrepublik seit 1949". Der Bundespräsident a. D. entsprach dem "populären Politikerbild vom Schnäppchenjäger", schreibt Engels. Die Affäre stehe für eine "Art Quintessenz der elitenkritischen Korruptionsdebatte seit dem Beginn der 1990er-Jahre". Der Fall Wulff ist auch das Ende einer Skandalisierungsspirale, in der "Antikorruption" zur "politischen Obsession" geworden sei.

Seine Erzählung von der Korruption der Bundesrepublik beginnt der Autor mit einem Rückblick. Ende der vierziger Jahre habe es eine "populäre Gleichsetzung" von Nationalsozialismus und Korruption in der Öffentlichkeit gegeben. "Die Untaten der Nazis, das waren zunächst weniger Judenmord, Holocaust, Euthanasie, Verfolgung und Kriegsverbrechen, sondern vielmehr Korruption, Käuflichkeit und Bereicherung von Nazibonzen", schreibt Engels. Als besonders absurdes Beispiel führt der Autor den SS-Richter Konrad Morgen an, der sich während seines Entnazifizierungsverfahrens als Kämpfer gegen die Korruption in Auschwitz inszenierte. "Was man heute als Beitrag zur Optimierung der Schoah bewerten würde, galt [. . .] als moralische Heldentat." Der SS-Mann wurde entlastet.

Obwohl die junge Demokratie eine korruptionsfreie Alternative sein sollte, ereignet sich in den ersten Jahren der Bundesrepublik ein besonders schwerer Fall der Bestechung bei der Entscheidung, ob Bonn oder Frankfurt Hauptstadt werden soll. 1950 kam heraus, dass einzelne Mitglieder der Bayernpartei offenbar Geld dafür erhalten hatten, dass sie für die Stadt am Rhein stimmten. Engels erkennt im Hinblick auf die Medienberichterstattung dieser Zeit eine Strategie der "behutsamen Aufklärung", die zum Erfolg geführt habe.

Neben der Nacherzählung der großen Korruptionsaffären - von den Dienstwagen-Affären der Ära Adenauer über Fibag, Starfighter und das gescheiterte Misstrauensvotum gegen Kanzler Willy Brandt - geht es um die Debatten und Bewertungen, die diese zur Folge haben. Im Zusammenhang mit den Parteiübertritten von SPD und FDP hin zu CDU und CSU im Jahr 1972 hatte Brandt in einem Interview behauptet, dass dabei Korruption eine Rolle gespielt habe. Das löste eine Welle der Empörung aus. Das "Reizwort Korruption", schreibt Engels, war noch immer tabu. Ironie der Geschichte: Erst viel später sollte sich herausstellen, dass das Misstrauensvotum gegen Brandt nur gescheitert war, weil offenbar der DDR-Geheimdienst Abgeordnete gekauft hatte - und damit den Fortbestand der sozialliberalen Koalition gesichert hatte.

Das Klima in Sachen Korruption sollte sich in den achtziger Jahren grundlegend ändern. Die Flick-Affäre und das Bekanntwerden eines illegalen Spendensystems, von dem alle Parteien mehr oder weniger profitierten, sollte zu einer massiven Parteienkritik führen und dem "Korruptionsfieber" der neunziger Jahre den Boden bereiten. In dieser Zeit wurden besonders die negativen Konsequenzen von Bestechung in der Wirtschaft beleuchtet, der Kampf für Transparenz wurde zum Wert an sich. Vor diesem Hintergrund durfte Helmut Kohl 1999 beim CDU-Spendenskandal nicht mit Gnade rechnen.

Darüber änderte sich auch der Umgang mit Korruptionsvorwürfen durch die Politik. Der junge Bundestagsabgeordnete Cem Özdemir (Grüne) trat 2002 nur einen Tag nach dem Bekanntwerden der Bonusmeilen-Affäre zurück; er hatte Flugmeilen, die er durch Dienstreisen bekommen hatte, privat eingesetzt. Auch in Özdemirs raschem Handeln erkennt Engels einen Grund dafür, dass er später relativ unbeschadet zunächst ins Europaparlament und später in den Bundestag zurückkehren konnte. In der Reflexion des Falles sprach etwa "Die Zeit" vom "Generalverdacht gegen eine als gierig angesehene Politikerklasse", der "Spiegel" beklagte eine "Wallungsdemokratie". Das Lamento der Medien vergleicht Engels mit dem berühmten Zauberlehrling, der die Geister nicht loswird, die er gerufen hat. Ein erheblicher Teil der Korruptionsdebatte hat aus Engels' Sicht das Zeug zu einer "Selbstkannibalisierung der Demokratie". Die Kritik an der vermeintlichen Korruption sei wie eine "Autoimmunkrankheit": Sie lasse das Vertrauen in die Integrität des politischen System erodieren, dessen Ausdruck sie selbst ursprünglich war. Der Autor erkennt sogar eine gewisse Tragik der Korruptionskritiker, die mit ihrer Aufklärung die Demokratie besser machen wollten, damit aber Populisten in ihrem Kampf gegen das Establishment den Weg bereiteten.

Der abwägende Blick des Autors macht den fast 400 Seiten starken Band besonders lesenswert. Engels entlastet die Politik keineswegs, ihm geht es vielmehr um die Gefahren obsessiver Korruptionsbekämpfung. Wenn er schreibt, dass nur "wenige staatspolitische Entscheidungen von großer Reichweite" durch Korruption zustande gekommen sind - die Hauptstadtentscheidung und das gescheiterte Misstrauensvotum gegen Brandt -, mag das stimmen, greift aber trotzdem zu kurz. Nur weil Bestechung ohne direkte Konsequenz bleibt, heißt das nicht, dass sie nicht weniger zu verurteilen ist - und dem Bild der Politik nachhaltig schadet.

Doch nicht die Korruption in der Politik ist entscheidend, sondern ihr Umgang mit Fehlern. Im Fall Wulff sind Medien über das Ziel hinausgeschossen, daran besteht kein Zweifel. Trotzdem war er nicht bloß wegen angeblicher Vorteilsnahme aus dem Amt geschieden. Er hatte im Zusammenhang mit einer Veröffentlichung dem Chefredakteur der "Bild"-Zeitung mit Krieg gedroht, hatte Fehler erst eingestanden, als sie längst bekannt waren - er hat alles falsch gemacht, um den Skandal rasch und mit Würde zu beenden.

TIMO STEPPAT

Jens Ivo Engels: Alles nur gekauft? Korruption in der Bundesrepublik seit 1949. WBG Theiss, Darmstadt 2019. 399 S., 35,- [Euro].

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»Neben der Nacherzählung der großen Korruptionsaffären - von den Dienstwagen-Affären der Ära Adenauer über Fibag, Starfighter und das gescheiterte Misstrauensvotum gegen Kanzler Willy Brandt - geht es um die Debatten und Bewertungen, die diese zur Folge haben. (...) Der abwägende Blick des Autors macht den fast 400 Seiten starken Band besonders lesenswert. Engels entlastet die Politik keineswegs, ihm geht es vielmehr um die Gefahren obsessiver Korruptionsbekämpfung.« FAZ, Timo Steppat