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Mit »Wo ich jetzt bin« bin erscheint eine repräsentative Auswahl aus den Gedichten von Helga M. Novak, die der Ingeborg Bachmann-Preisträger Michael Lentz, seit langem ein Bewunderer des Novakschen Werkes, getroffen hat. In Vorbereitung des 70. Geburtstages im September 2005 bietet »Wo ich jetzt bin« eine vorläufige Bestandsaufnahme der Lyrik von Helga M. Novak, ausgewählt von einem der wichtigsten Vertreter der jungen Generation deutscher Dichter.

Produktbeschreibung
Mit »Wo ich jetzt bin« bin erscheint eine repräsentative Auswahl aus den Gedichten von Helga M. Novak, die der Ingeborg Bachmann-Preisträger Michael Lentz, seit langem ein Bewunderer des Novakschen Werkes, getroffen hat. In Vorbereitung des 70. Geburtstages im September 2005 bietet »Wo ich jetzt bin« eine vorläufige Bestandsaufnahme der Lyrik von Helga M. Novak, ausgewählt von einem der wichtigsten Vertreter der jungen Generation deutscher Dichter.
Autorenporträt
Helga M. Novak wurde 1935 in Berlin-Köpenik geboren. Für ihr Werk, das komplett bei Schöffling & Co. erscheint, erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.02.2007

Geschichtsgedichte
Ein Abend für Helga M. Novak im Literaturhaus Frankfurt

Lyrik ist immer präzise. Gerade deshalb kann sie in knapper Form von geschichtlichen Ereignissen und politischem Handeln berichten und zur gleichen Zeit auch Unausgesprochenes miterzählen. Die deutsche Dichterin, die das besonders gut kann, lebt heute schwerkrank in einem polnischen Dorf südlich von Danzig. Helga M. Novak, die 1935 in Berlin geborene Dichterin, die 1979 Stadtschreiberin von Bergen-Enkheim war, hat dem deutschen Literaturbetrieb nie richtig angehört. Umso willkommener, dass die Schauspielerin Doris Wolters im Literaturhaus Frankfurt nun die Gedichte las, die SWR-Redakteur Gerwig Epkes für sein kürzlich erschienenes Novak-Hörbuch ausgewählt hat. "Solange noch Liebesbriefe eintreffen" ist für den deutschen Hörbuchpreis 2007 nominiert, die beim Frankfurter Schöffling Verlag unter dem gleichen Titel erschienene Gesamtausgabe von Novaks Gedichten allerdings ist seit kurzer Zeit vergriffen. Immerhin ist "Wo ich jetzt bin", ein von Michael Lentz bei Schöffling herausgegebener Auswahlband, weiterhin erhältlich.

Bei ihrem Frankfurter Novak-Abend las Doris Wolters Liebeslyrik und Geschichtsgedichte, Texte, denen der scharfe Blick und das genaue Wort gemein sind. Denn Novak hat die dichterische Parsifalfähigkeit, Gewesenes oder Sinnloses in ein erhellendes neues Licht zu rücken. In "Margarete mit dem Schrank" lässt sie eine schwachsinnige fahrende Händlerin mit einem Schränkchen auf dem Kopf von Dorf zu Dorf ziehen. Erst im letzten Satz des Gedichts stellt eine beiläufige Bemerkung der Verrückten das Verhältnis von Wahnsinn und Vernunft auf den Kopf. Denn die Nichtwahnsinnigen unterlassen das Wesentliche: "Aber niemand fragt: Margarete, was ist in dem Schrank?"

Novak sieht es als Aufgabe der Dichter, diese Frage zu stellen. Es ist die Haltung, mit der sie sich in der "Ballade von der reisenden Anna" schon 1965 des Schicksals der Deutschen annimmt, die vor den "braunen Possen" der Nazis zu den "roten Fahnen" der Sowjetunion flohen, nur um vom Terrorapparat der UdSSR bis zu Stalins Tod in die sibirische Verbannung geschleudert zu werden. Kaum ein Künstler hat sich dieser vielsagenden Nebenhandlung deutscher, sowjetischer und linker Geschichte so früh und auf solchem Niveau gewidmet. Überhaupt Deutschland. Das Land, das Novaks Freiheitsdrang in Gestalt gleich dreier Staaten behinderte. Zunächst das Nazireich, das sie als unglückliches Adoptivkind überstand. Dann die DDR, die sie mitaufbauen wollte und sehr früh sehr scharf kritisierte, das Land, das sie ausbürgerte. Schließlich die Bundesrepublik, die der in Polen lebenden deutschen Dichterin mit der durch eine frühe Ehe erworbenen isländischen Staatsbürgerschaft heute zwar eine Aufenthaltserlaubnis erteilt, den deutschen Pass aber verweigert. Was Staaten mit Dichtern machen, ist meist dümmer als das, was die Dichter mit ihren Ländern tun.

FLORIAN BALKE

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.09.2005

Freie Fahrt den laufenden Signalen
Helga M. Novak, die bescheidenste der großen deutschen Dichterinnen, wird siebzig
Plötzlich ist es da, dieses Wort, nach dem man die ganze Zeit gesucht hat: schmucklos. Es hält sich hartnäckig, obwohl es so gar nicht zu einer Lyrikerin passen will. Zu einer wie Helga M. Novak aber vielleicht doch? Und womöglich nur zu ihr. Natürlich könnte man attraktivere Vokabeln finden, das Wilde und Unbeugsame betonen, das Vagantenhafte, die kraftvolle Erotik, das Naturnahe mit seiner nur auf den ersten Blick bestehenden Verwandtschaft zu Sarah Kirsch oder gar die Schönheit ihres Dichterinnenkopfs mit den blauen Augen und den wirren Locken.
Heute feiert Helga M. Novak, die bescheidenste der großen deutschen Dichterinnen, ihren siebzigsten Geburtstag. Ihr sei herzlich gratuliert. Wer sie nicht kennt, der sollte die Gunst der Stunde nutzen. Einen hervorragenden Einstieg bietet der von Michael Lentz komponierte und kommentierte Auswahlband ihrer Lyrik (Helga M. Novak: „wo ich jetzt bin”. Gedichte. Frankfurt 2005, 240 S., 19,90 Euro). Er ist soeben beim Schöffling Verlag erschienen, der in den letzten Jahren das gesamte Werk neu ediert hat. Die Gesammelten Gedichte („solange noch Liebesbriefe eintreffen”, 1999) sind leider schon wieder vergriffen. Nehmen wir das als gutes Zeichen: Sie haben ihre Leser gefunden.
„Die Eisheiligen” und „Vogel federlos”, die beiden autobiographischen Prosawerke, in denen Helga Novak, die am 8. September 1935 in Berlin-Köpenick geboren wurde, von ihrer Kindheit, Jugend und den frühen Jahren in der DDR erzählte, gehörten in der Bundesrepublik zu den bewunderten Texten der 80er Jahre. Sie hatte 1961 einen Isländer geheiratet, war zu ihm gezogen, hatte mit ihm zwei Kinder bekommen, arbeitete in Fabriken und dichtete davon, unprätentiös und direkt. Bald fand sie zu jenen freien Rhythmen, die sich den Dingen anschmiegen, ohne sich anzubiedern: weder der Natur noch der Politik. 1965 war sie in die DDR zurückgekehrt, nach Leipzig, wo sie schon von 1954 bis 1957 Journalistik und Philosophie studiert hatte und nun an das Literaturinstitut „Johannes R. Becher” ging. Aber schon 1966 wurde sie aus der DDR ausgewiesen. Sie zog wieder nach Island.
Eine Eisenbahn aus Wörtern
Als sie sich im Herbst 2004 wieder in Leipzig niederlassen wollte, waren es
die Behörden des wiedervereinigten Deutschlands, die der deutschen Schriftstellerin mit dem isländischen Pass, der „erwerbslosen Ausländerin”, den Aufenthalt verwehrten. Ähnliches hat man Else Lasker-Schüler im Schweizer Exil bescheinigt.
Die beiden Dichterinnen ähneln sich in ihrer Unbedingtheit und in der Lust, poetisch zu verwirklichen, was sich real nicht vollziehen lässt. Stilistisch sind sie himmelweit voneinander entfernt. Doch so wie Else Lasker-Schüler von einem imaginären Orient träumte, so ersann sich Helga M. Novak ihr Sibirien. Der Gedichtzyklus „Legende Transsib” aus dem Jahr 1985 ist, zusammen mit dem späten Gedichtband „Silvatica” (1997), ihr Opus Magnum. Weil sie kein Visum bekam, nahm sie kurzerhand Platz in einer Legende, der Transsibirischen Eisenbahn - eine Reise nur aus Wörtern.
Aber was für welchen: wild, ungezähmt, ein Kultur- und Sprachengemisch voller heranpirschender Mongolen, mit Wölfen, Staub, Wind und Schnee, aber ebenso - mit Zaren, Spitzengardinen und Eisblumen am Fenster - ein munteres Doktor-Schiwago-Imitat. Auch eines ihrer schönsten Liebesgedichte findet man dort: „du malst mir ein Zeichen auf den Rücken / wo ich verwundbar bin und nicht hinreiche / ich schreibe dir kleine Kreuze auf die Wangen / und forme dir aus Schnee ein reines Herz / freie Fahrt den laufenden Signalen”.
Schmucklos schreibt sie und doch zart. Und immer menschenfreundlich. Seit Jahren lebt sie in Masuren. Ihr „Porträt einer polnischen Greisin”, abgedruckt in der Gesammelten Prosa, „Aufenthalt in einem irren Haus”, ist poetische Prosa im denkbar besten Sinn: durch Schlichtheit ergreifend: „Gelber Sand, Windrosen, Strudel, Sandsäulen. Der Sand verfliegt, hält die Zähne besetzt und juckt auf der Haut. Er besprenkelt die Birne, die eine Greisin, auf der Erde sitzend, sauber schält.”
MEIKE FESSMANN
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Michael Braun feiert die Lyrikerin Helga M. Novak als "bedeutendste deutschsprachige Dichterin" und sieht in diesem von Michael Lentz herausgegebenen Auswahlband ihren "singulären Rang" "fabelhaft" vor Augen geführt. Nachdrücklich preist er den Herausgeber, nicht nur für die gelungene, chronologisch geordnete Auswahl der Gedichte sondern auch für das "äußerst instruktive Nachwort", in dem Lentz den verschiedenen Motiven Novaks nachgeht. Der begeisterte Rezensent bewundert an den Gedichten die "Souveränität", mit der die Lyrikerin verschiedenste Formen zu nutzen versteht, und lobt die große Suggestivkraft ihrer Motive und Bilder. Beeindruckt zeigt er sich zudem von der "Eindringlichkeit" der frühen Gedichte, die sich mit der Nachkriegszeit und dem geteilten Deutschland beschäftigen. Aber auch spätere Texte, die vor allem ein "naturgeschichtliches Interesse" Novaks demonstrierten, haben es ihm angetan. Ein "begeisternder" Gedichtband, findet der Rezensent, der der Lyrikerin attestiert, sich von keiner Mode einnehmen zu lassen.

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»Schmucklos schreibt sie und doch zart. Und immer menschenfreundlich.« Meike Fessmann, Süddeutsche Zeitung »Es gelingt dem Herausgeber vorzüglich, die zeitdiagnostischen, politischen, erotischen und geschichtsarchäologischen Motive in Novaks Dichtung in farbenreicher Kontrastierung zu bündeln.« Michael Braun, Neue Zürcher Zeitung Empfehlung der ZEIT-Redaktion »Das Schöne an Novak hat Beschönigung nicht nötig. Um es zu entdecken, genügt es, das Buch wach zu lesen.« Thomas Poiss, Frankfurter Allgemeine Zeitung »Lakonische Wahrhaftigkeit und die gelebte weibliche Autonomie machen diese Poesie aus vier Jahrzehnten so lebendig und lesenswert.« Katrin Hillgruber, Der Tagesspiegel »Die Strophen sind Luftgebilde, schweben mit einer Leichtigkeit, die außer Sarah Kirsch keiner anderen deutschen Dichterin zu Gebote steht.« Ulf Heise, Leipziger Volkszeitung »Rauher als die Ikone Ingeborg Bachmann, zäher im Überlebenskampf als Inge Müller, rigoroser im Aussteigen aus bürgerlichen Lebensformen als Sarah Kirsch.« Dorothea von Törne, Freitag »Zwischen ungewolltem Aufbruch und gewollter Heimkehr sind Novaks Gedichte entwaffnend in ihrer Verlorenheit.« Uta Beiküfner, Berliner Zeitung »Was sie schreibt, folgt einer Notwendigkeit, die bezwingend ist. Mag sein, dass andere ihre Verse kitten, bei Novak sind sie durchlitten.« Christoph Schreiner, Saarbrücker Zeitung »Eine beeindruckende Auswahl mit einem leidenschaftlichen Nachwort.« Der kleine Bund »In diesen Gedichten ist vieles, was im Leben als verloren gilt, in aller Unschuld zurückgeholt. Eine poetische Behauptung, die bleiben wird.« Jürgen Verdofsky, Badische Zeitung…mehr