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Was wurde eigentlich aus Bibi Blocksbergs Bruder Boris? Wieso steckten sich im vorletzten Jahrhundert junge Frauen in der Dunkelheit gerne spitze Nadeln in den Mund? Was hindert so manchen daran, ein großer Liebhaber zu sein? Und von welchem Lebewesen ist im Folgenden die Rede?Seit Tagen schon warte ichdass sie zurückkehrtaus der Flamme, geheiltvon ihrer gefährlichen Neigung.Antwort auf diese und viele weitere Fragen gibt Clemens J. Setz in seinem Gedichtbuch 'Die Vogelstraußtrompete'. Genauso wie für seine Romane und Erzählungen gilt auch für seine mal unheimlichen, mal abgründig-zärtlichen…mehr

Produktbeschreibung
Was wurde eigentlich aus Bibi Blocksbergs Bruder Boris? Wieso steckten sich im vorletzten Jahrhundert junge Frauen in der Dunkelheit gerne spitze Nadeln in den Mund? Was hindert so manchen daran, ein großer Liebhaber zu sein? Und von welchem Lebewesen ist im Folgenden die Rede?Seit Tagen schon warte ichdass sie zurückkehrtaus der Flamme, geheiltvon ihrer gefährlichen Neigung.Antwort auf diese und viele weitere Fragen gibt Clemens J. Setz in seinem Gedichtbuch 'Die Vogelstraußtrompete'. Genauso wie für seine Romane und Erzählungen gilt auch für seine mal unheimlichen, mal abgründig-zärtlichen Verse: »Man kommt nicht heil davon weg. Es herrscht Suchtgefahr.« Andreas Platthaus, FAZ
Autorenporträt
Clemens J. Setz wurde 1982 in Graz geboren, wo er Mathematik und Germanistik studierte. Heute lebt er als Übersetzer und freier Schriftsteller in Wien. 2011 wurde er für seinen Erzählband Die Liebe zur Zeit des Mahlstädter Kindes mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet. Sein Roman Indigo stand auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises 2012 und wurde mit dem Literaturpreis des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft 2013 prämiert. 2014 erschien sein erster Gedichtband Die Vogelstraußtrompete. Für seinen Roman Die Stunde zwischen Frau und Gitarre erhielt Setz den Wilhelm Raabe-Literaturpreis 2015. Mit Vereinte Nationen war Setz 2017 und mit Die Abweichungen 2019 zu den Mülheimer Theatertagen eingeladen. 2021 wurde er mit dem Georg-Büchner-Preis geehrt.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Von Clemens Setz' Roman "Indigo" war Michael Buselmeier begeistert, die Gedichte in "Die Vogelstraußtrompete" scheinen ihm zu gefallen, auch wenn nicht ganz klar ist, ob er die "esoterische Aura des Übergescheiten" mitsamt den typischen Einsamkeitserfahrungen, die "Ästhetisierung des unheilen Lebens" und die "jugendliche Arroganz" nur positiv bewertet. Jedenfalls erzählen Setz' Gedichte Geschichten, verrät der Rezensent, sie sind keine reinen Wort- oder Formspielereien. Weder folgen sie rigoros klassischen Formvorgaben, noch brechen sie offen mit ihnen, erklärt Buselmeier. Besonders schön findet der Rezensent Setz' kleine Variante des Ikarus-Mythos: "Sie bringen mir Wachs und Plastilin / und lassen mich kleine Dinge draus machen / in der Ergotherapie (...) / und ich bastle ihnen ein neues / kleines Männchen in einem Verlies, / mit einer winzigen Fliegerbrille / anstelle der alten Augen."

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.03.2014

Siebenmal vom Blitz getroffen

Wahre Geschichten, poetisch gefasst: Sein erster Gedichtband zeigt den Grazer Erzähler Clemens J. Setz von vertrauter Seite und doch ganz neu.

In Vasaris letzter Fassung von "Leben des Michelangelo" wird die berühmte (vor einigen Jahren von Martin Warnke in seinem Aufsatz "Schneedenkmäler" kommentierte) Anekdote berichtet, wonach der junge Piero de' Medici (der Sohn des Lorenzo il Magnifico), als es in einem Winter in Florenz schneite, Michelangelo aufforderte, eine Schneeskulptur zu bauen. Da der Schnee sich nicht lange hielt, gibt es offenbar nicht einmal eine Zeichnung dieser "wunderschönen" Flüchtigkeit, wie es in der rühmenswerten Wagenbach-Ausgabe sämtlicher Viten Vasaris heißt. Ein unbekanntes Meisterwerk. Gab es die Schneeplastik überhaupt, oder handelt es sich um eine erfundene Allegorie der Vergänglichkeit, die wiederum entweder auf das mangelnde Mäzenatentum des unzuverlässigen Piero bezogen werden kann oder auf dessen instabilen Ruhm?

Ein Gedicht im ersten Gedichtband des Grazer Erzählers Clemens J. Setz heißt "Überaus schön" und beschreibt genau diese Szene: wie Michelangelo im Innenhof des Medici-Palasts seinen Schneemann baut, von dem nichts übrig blieb als ebendiese von Ascanio Condivi dem Vasari erzählte Anekdote.

Man darf vermuten, dass Clemens J. Setz, ein kluger und gelehrter Sammler von vielversprechenden Anekdoten, die Geschichte vom Schneemann deshalb aufgefallen ist, weil er sich keine Illusionen über die Haltbarkeit poetischer Texte in dieser Welt macht. Einen "Moses" der Poesie wird es sobald nicht wieder geben. Aber dieser Illusionsverlust gibt ihm andererseits die Freiheit, vieles auszuprobieren: Lieder, Sonette, Sestinen, aber auch Gedichte im Stil "Vermischter Nachrichten", die historisch verbürgte Begebenheiten durch eine kleine Drehung in ein besonderes Licht rücken. Sie handeln zum Beispiel von dem unglücklichen Franz Reichelt, der 1912 mit einem Fallschirm vom Eiffelturm sprang und entsetzlich zerschellte. Oder von Henry Bergh, der zu Recht dafür berühmt wurde, dass die turnspit dogs abgeschafft wurden, Hunde, die in Restaurants den ganzen Tag in einer Art Tretmühle rennen mussten, um den Bratenspieß rotieren zu lassen - sie wurden zu Berghs Schrecken durch schwarze Kinder ersetzt. Oder Setz berichtet vom Schicksal des Roy C. Sullivan, einem park ranger aus Virginia, der siebenmal vom Blitz getroffen wurde und überlebte, sich dann aber das Leben nahm, weil seine Frau ihn verlassen hatte. Oder schließlich vom bitteren Schicksal des Bobby Leach aus Cornwall, der sich 1911 in einem Stahlfass die Niagarafälle hinuntertreiben ließ, ohne weiteren Schaden zu nehmen, später dagegen auf einer Orangenschale ausrutschte und an den Folgen dieses Sturzes verstarb.

Unnötig zu sagen, dass (fast) alle diese wahren Geschichten tödlich enden. Ihren Witz beziehen sie natürlich aus dem protokollarischen Ton und dem Buster-Keaton-haften Ernst, mit dem sie vorgetragen werden.

Aber am Ende sind die Gedichte am schönsten, die nicht etwas Gefundenes durch ein geschicktes Arrangement ausstellen, sondern den eigenen Erfindungen trauen. Mein Lieblingsgedicht in diesem Buch ist eine poetische Reflexion über ein Gemälde von Willem de Kooning (Untitled XIII, 1985):

Manchmal, wenn ein Mann älter wird,

wird er leicht wie ein Lichtfleck

auf einem geräuschlosen Sofa,

leicht wie der gelbe Schopf

eines weißen Aras,

leicht wie

der schrumpfende Atemfleck

auf einem angehauchten Spiegel, leicht

wie die Reste von Girlanden

eines großen Fests,

leicht wie die Reflexion

eines Fensterquadrats aus Sonnenlicht

auf der Glashaut einer Seifenblase.

Seine Pfleger heben ihn hoch

und ziehen ihn hinter sich her

wie einen kleinen Ballon,

trösten ihn,füttern ihn,

lassen ihn einen

Rundflug machen auf dem Balkon,

einen Pinselstrich auf dem verschneiten

Hintergrund des Gartens.

MICHAEL KRÜGER

Clemens J. Setz:

"Die Vogelstraußtrompete". Gedichte.

Suhrkamp Verlag, Berlin 2013. 88 S., geb., 16,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 26.03.2014

Spitze Nadeln
im Mund
Clemens J. Setz stattet der Lyrik einen Besuch ab:
Blechblaskunst aus der „Vogelstraußtrompete“
VON INSA WILKE
Von der deutschsprachigen Lyrik hieß es vor einigen Jahren, in dieser Gattung fänden die eigentlich aufregenden ästhetischen Ereignisse statt. Clemens J. Setz, dessen Roman „Indigo“ 2012 für den Deutschen Buchpreis nominiert war, hat jetzt auch einen Gedichtband veröffentlich, wird in Zukunft aber kaum in einem Atemzug mit Monika Rinck, Steffen Popp und Uljana Wolf oder Marion Poschmann, Nico Bleutge und Esther Kinsky genannt werden. Große Dichtkunst, in sprachlicher Hinsicht, offenbart uns „Die Vogelstraußtrompete“ nicht. Eher ist es eine vom Gewicht der Formen und Traditionen befreite Lyrik. Erleichterte Gedichte könnte man das nennen, oder, wie Setz es tut: „Prosa in Zeitlupe“.
  In einem Interview bekannte Setz, er habe der Lyrik nur einen Besuch abstatten wollen, um das Feld dann wieder echten Dichterinnen und Dichtern zu überlassen. „Fußnotensternchen“ zur großen Dichtkunst sozusagen. Das ist auf sympathische Weise realistisch, geht Setz doch mit Sonett und Sestine um wie ein verspielter Mathematiker und nicht wie ein Dichter.
  Ein Liebhaberstück ist seine „Vogelstraußtrompete“ trotzdem. Ihr prosaischer Klang öffnet das Tor zu einer Wunderkammer voller kurioser Fundstücke aus alten Zeitungen, noch älteren Büchern, dem Internet oder den Träumen des Autors. Setz ist ein begabter Sammler und seine Form das Objet trouvé. Was er findet und aufhebt, lässt er in Versform hinter sich. Als wären diese Gedichte Gewichte, von denen er sich befreit hat.
  „Die Nordsee“ heißt die erste Zeitlupen-Prosa. Freimütig gibt Setz in Gesprächen zu, dass nur der Titel von ihm ist. Die Geschichte von Bibi Blocksbergs Bruder Boris, der an die Nordsee verschickt wird und nie wieder auftaucht, habe er aus einem Wikipedia-Eintrag abgeschrieben. Skandal? Nein, sondern die Aufmerksamkeit einer schönen Seele für das Traurige im popkulturellen Alltag: Die Nordsee wird durch Setz’ Vers-Arrangement zu einem Meer der Vergessenen, die Fans und Erfinder von Bibi Blocksberg zu grausamen Duldern des Unmenschlichen.
  Ähnlich verfährt er mit einem anderen Fundstück: „Ein Reisehandbuch des 19. Jahrhunderts / empfiehlt jungen Frauen spitze Nadeln / in den Mund zu nehmen wenn der Zug / in einen langen Tunnel taucht / um unbelästigt zu bleiben / von fremden Männern in der Dunkelheit / und ungeküsst / bis zum Licht am anderen Ende des Tunnels.“ Setz lässt die Empfehlung von einer erotischen Metapher in die nächste fallen. Lakonisch kommentiert er so die Doppelmoral des Handbuchs, das insbesondere den Frauen eine Lebensverneinung bis in den Tod auferlegt, ihnen aber Licht am Ende des Tunnels verspricht. Solche Verse sind nicht im Geiste einer Unterhaltungskultur geschrieben, die auf Inhumanität mit Indifferenz reagiert.
  Setz stellt diese Indifferenz in einem „Manifest für eine Literatur der Zukunft“ in der Neuen Rundschau (siehe nebenstehenden Artikel) zwar auch als Utopie in Aussicht, als wäre sie eine Rettung, aber sein eigentlicher Leitsatz ist: „Es gibt Leid und Tod, also tun wir was.“ Auf diese Haltung verweist auch das Titelgedicht, das Traumbild eines Straußenvogels: „Sein Kopf war ein Trompetentrichter: / Als ich näher kam, steckte er ihn / pfeilschnell in den Sand.“ Und als dann das Ich sein Ohr auf den Boden legt, sind nur „ängstliche Atemzüge im Dunkeln“ zu hören, keine Musik. Kunst gedeiht also nicht auf der Flucht? Sie braucht das Leiden nicht? – Ganz so simpel ist es nicht, aber nach diesem Gedichtband dürften Setz’ Selbstdarstellungen als Anti-Innerlicher kaum mehr überzeugen. Aus seiner „Vogelstraußtrompete“ tönt es nämlich anders.
  Das Listen-Gedicht „Warum ich kein großer Liebhaber bin“ ergibt in der Summe eine Verherrlichung der Liebe. Eine Liebeserklärung an den Jetlag zeigt das Ich ebenfalls in einer dialektischen Volte als eine Person, die vor ihrer Empathiefähigkeit flieht. Und geradezu anrührend sind Setz’ Tier-Gedichte: „Kinderlose Papageien / die frei in der Wohnung fliegen / beginnen manchmal Schuhe zu füttern // (. . .) Kein noch so hochhackiges / fremdes Paar Stiefel / das nur eine Nacht hier stehen blieb / muss leer nach Hause gehen“.
  „To disturb the comfortable and to comfort the disturbed“, das sei nach David Foster Wallace die Funktion von Literatur, schreibt Setz in seinem Manifest. Die Aufmerksamkeit für die Verstörten, Einsamen und Weltoffenen bilden den basso continuo der Gedichte eines Autors, der sich als unbeschwerter Spieler gibt, während er große Gefühle findet und nach dem Himmelreich sucht, von dem er weiß: Es existiert nicht. „Motte // Seit Tagen schon warte ich / dass sie zurückkehrt / aus der Flamme, geheilt / von ihrer gefährlichen Neigung.“ – Ob das gute Gedichte sind? Vielleicht verhält es sich mit dieser Lyrik eher wie mit „Schrödingers Katze“, der Setz auch einen Text gewidmet hat: keine guten Gedichte und richtig gute Literatur.
    
    
    
    
  
Clemens J. Setz: Die Vogelstraußtrompete. Gedichte. Suhrkamp Verlag, Berlin 2014. 88 Seiten, 16 Euro, E-Book 13,99 Euro.
Nähert sich der Lyrik als verspielter Mathematiker und nicht als ambitionierter Dichter: Clemens J. Setz.
Foto:  Paul Schirnhofer / Agentur Focus
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»Lakonisch, mit einem ironischen, humorvollen Unterton bringt Setz prosaische Stoffe und lyrische Formen, das Gewöhnliche und das Außerordentliche, das Vorder- und das hintergründig zueinander in Beziehung.« sms Neue Zürcher Zeitung 20140916