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Der Typus des modernen Populisten hat seine Vorbilder in der Geschichte: Als Scharlatan oder Quacksalber ist er uns aus früherer Zeit bekannt. Heute feiert er unter anderem Gewand neue Erfolge - auf der Bühne der Weltpolitik.
Wir lesen die kulturhistorische Analyse einer Gestalt, die in wechselnden Rollen die europäische Geschichte seit dem Altertum heimsucht - geschrieben 1937 von der jüdisch-österreichischen Gelehrten Grete de Francesco. In den verschiedenen Charakterzügen des Scharlatans sind schon seine modernen Nachfolger zu erkennen: Hier die Gier der Homöopathie - "Charlatan ist…mehr

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Produktbeschreibung
Der Typus des modernen Populisten hat seine Vorbilder in der Geschichte: Als Scharlatan oder Quacksalber ist er uns aus früherer Zeit bekannt. Heute feiert er unter anderem Gewand neue Erfolge - auf der Bühne der Weltpolitik.

Wir lesen die kulturhistorische Analyse einer Gestalt, die in wechselnden Rollen die europäische Geschichte seit dem Altertum heimsucht - geschrieben 1937 von der jüdisch-österreichischen Gelehrten Grete de Francesco. In den verschiedenen Charakterzügen des Scharlatans sind schon seine modernen Nachfolger zu erkennen: Hier die Gier der Homöopathie - "Charlatan ist derjenige, der sich rühmt, zu wissen, was er nicht weiß, und Fähigkeiten zu haben, die er nicht hat" - , dort der Populist, der mit den Tugenden der Erfolgreichen bricht: "Die Macht des Charlatans bestand darin, daß er alle Unsicherheiten einer religiösen, geistigen, historischen oder ökonomischen Situation durch mannigfaltige Fälschungen so auszunützen und zu lenken wußte, daß eine Wertwelt enstand, in der seine eigenen Unwerte zu Werten wurden."

De Francesco reist durch Wort und Bild durch die Jahrhunderte und entdeckt uns einen markanten Akteur unserer Kultur: In den Taschenspielertricks der Wunderheiler und den Maskenspielen der Verwandlungskünstler auf den Jahrmärkten des 18. Jahrhunderts lassen sich schon die Mechanismen entdecken, die zu späterer Zeit in verheerender Weise die Massen zu beeinflussen und zu beherrschen vermögen. Die Beispiele, die sie in Literatur und Bildkunst für die habsüchtigen und opportunistischen Wahrheitsbeuger findet, fügen sich in eine Erzählung von der Verführbarkeit des Menschen.

Von den Alchimisten und Goldmachern zu den Salbenkrämern und Schwarzkünstlern geht de Francesco durch die Bilderwelten von Renaissance und Barock und präsentiert uns die Meister der Fälschung und auch - ihr Publikum. Denn ihr Buch ist ebenso kultur- und kunstgeschichtliche Studie wie soziologische Untersuchung: Der Tinkturenmischer brauchtsein Publikum, es braucht ihn. Die Scharlatanerie ist ein Spiel mit den Hoffnungen des Publikums und der Massen. "Die Hauptkonsumentin der gefälschten Stoffe, die Masse, will sich billig jene Güter zu eigen machen, deren Besitz wegen Teuerkeit die Wenigen, eben die Besitzenden charakterisiert; sie will vermittels der Fälschung etwas scheinen, was sie nicht ist und taucht diesen Wunsch vor sich selber und vor anderen in Geheimnis."

Von den Geheimtränken ist es nur ein Schritt zum Betrug mit wissenschaftlichen Methoden, wie de Francesco mit Verweis auf die Erkenntnisse der Humanisten zeigt. Im 18. Jahrhundert wusste man schon vom Blendwerk auch im Politischen: "Dort Elixiere, hier Meinungen - am Ende läuft es auf eins heraus."

"Die Geschichte des Scharlatans schreiben heißt, die Vorgeschichte der Reklame darstellen." - Walter Benjamin 1937 in einer Rezension zu Die Macht des Charlatans
Autorenporträt
Grete de Francesco, geboren als Margarethe Weissenstein 5. November 1893 in Wien, Österreich-Ungarn; gestorben Februar/März 1945 vermutlich im Konzentrationslager Ravensbrück, war eine deutschsprachige Schriftstellerin. Ihr Buch Die Macht des Charlatans aus dem Jahr 1937 gilt international als wissenschaftliches Standard- und Referenzwerk zum Thema ¿Scharlatanerie¿. Eine englische Übersetzung erfolgte 1939. Sie lebte abwechselnd in Wien, Berlin und Salzburg, während des Exils in Paris und zuletzt in Mailand, das seit September 1943 unter deutscher Besatzung stand. Sie wurde bespitzelt und suchte 1943 Zuflucht in oberitalienischen Bergdörfern, auch verbarg sie sich mehrere Monate in einem Irrenhaus für Frauen. Sie kehrte dann aber doch wieder in ihre Mailänder Wohnung zurück, wo sie am 24. Oktober 1944 von der SS verhaftet wurde. Über das Durchgangslager in Gries bei Bozen wurde sie schließlich am 14. Dezember 1944 in das KZ Ravensbrück deportiert, wo Margarethe (Margherita) de Francesco vermutlich im Februar 1945 umgebracht wurde. Volker Breidecker, geb. 1952 in Mainz, ist als Literaturwissenschaftler und Publizist einer der besten Kenner Joseph Roths und seiner Zeitgenossen. Für die Andere Bibliothek erschloss er Leben, Werk und Schicksal von Grete De Francesco in ihrer wiederentdeckten Studie Die Macht des Charlatans (Band 434, Februar 2021).
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Dieses Buch ist nicht nur Studie nach Art einer phänomenologisch arbeitenden Soziologie, es ist vor allem eine Wiederentdeckung, und es ist - so weit das möglich ist - eine posthume Wiedergutmachung für eine heute vergessene Autorin, schreibt der rezensierende Jurist Peter Rawert. Sie war einst eine prominente Journalistin, geboren als Margarethe Emilie Weissenstein in Wien. Ihren italienischen Namen bekam sie durch Heirat in Italien. Dor fiel sie auch in die Hände der Nazis, die sie in Ravensbrück ermordeten, erzählt Rawert. Das Buch ist inspiriert von Thomas Manns "Mario und der Zauberer". Aber es diszipliniert sich, schreibt der bewundernde Rezensent, sucht nicht vorschnell nach aktuellen Parallelen, sondern erarbeitet an historischen Figuren eine Typologie der Scharlatanerie. Gerade durch seine historische Akkuratesse liest es sich für den Rezensenten so instruktiv. Bestimmte Züge der Scharlatane erkennt man auch ohne Benennung als aktuelle, etwa dass der Scharlatan von der Hoffnung seiner Opfer lebe oder dass er Kritik hasse. Eine nachdrückliche Leseempfehlung!


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