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Das Kuratorische bezeichnet ein Handlungsfeld, das auf das Öffentlich-Werden von Kunst und Kultur bezogen ist. Trotz der wachsenden Bedeutung, die es in den letzten Jahrzehnten erlebt hat, steht eine Definition der strukturellen Bedingungen, die seinen besonderen gesellschaftlichen Stellenwert begründen, bislang aus. Ausgehend von den Begriffen "Konstellation", "Transposition" und "Gastfreundschaft" beschreibt Beatrice von Bismarck das Kuratorische als einen Praxis- und Sinnzusammenhang mit eigenen Strukturen, Bedingungen, Regeln und Verfahren. Der Fokus ihres Textes liegt dabei auf den…mehr

Produktbeschreibung
Das Kuratorische bezeichnet ein Handlungsfeld, das auf das Öffentlich-Werden von Kunst und Kultur bezogen ist. Trotz der wachsenden Bedeutung, die es in den letzten Jahrzehnten erlebt hat, steht eine Definition der strukturellen Bedingungen, die seinen besonderen gesellschaftlichen Stellenwert begründen, bislang aus. Ausgehend von den Begriffen "Konstellation", "Transposition" und "Gastfreundschaft" beschreibt Beatrice von Bismarck das Kuratorische als einen Praxis- und Sinnzusammenhang mit eigenen Strukturen, Bedingungen, Regeln und Verfahren. Der Fokus ihres Textes liegt dabei auf den Verhältnissen, die das Kuratorische herstellt und die es zugleich konstituieren. Mit Blick auf das dynamische Beziehungsgeflecht menschlicher und nicht-menschlicher Mitwirkender nimmt der Band einen Perspektivwechsel innerhalb des aktuellen Diskurses vor: Anstatt das Präsentations- format der Ausstellung, die Subjektivierungsform der Kuratorin / des Kurators oder die Tätigkeit des Kuratierens in den Vordergrund zu stellen, steht in Abgrenzung zu solchen partikularen Definitionen deren Zusammenspiel im Kuratorischen im Mittelpunkt.Beatrice von Bismarck lehrt Kunstgeschichte, Bildwissenschaften und Kulturen des Kuratorischen an der Hochschule für Grafik und Buchkunst.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensentin Beate Söntgen erfährt aus der Studie von Beatrice von Bismarck, wie sich der Ausstellungsbetrieb und die Vorstellung von den Aufgaben des Kurators gewandelt haben. Dass die Autorin den Begriff des Kuratorischen durch den Begriff des "Kuratorialen" ersetzt, leuchtet Söntgen ein, wenn Bismarck das Beziehungsgefüge zwischen Künstler, Kurator, Werk etc. analysiert. Kulturtheoretisch aufschlussreich erkundet die Autorin laut Söntgen ferner Begriffe aus dem Ausstellungskontext, wie Konstellation, Transposition und Gastfreundschaft. Leider fehlt im Buch die Rückbindung des Konzepts des Kuratorialen an die konkrete Ausstellungspraxis, bedauert Söntgen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.03.2021

Der Kurator ist nicht allein
Beatrice von Bismarck erkundet das Ausstellen

Was ist eine Ausstellung? Was macht sie aus, was zeigt sich in ihr und durch sie? Die Antwort lautet meist, dass die Arbeit der Kuratoren der entscheidende Faktor sei. Deren Tätigkeit, das Auswählen und Zusammenstellen künstlerischer Arbeiten zu einem Ensemble, das diese in neuem Licht zeigt, hat oft die Wirkung der ausgestellten Werke verdeckt. Gegen diese Vormachtstellung der Kuratoren tritt Beatrice von Bismarcks Studie an.

Ihre Untersuchung setzt bei der Etymologie der dem Lateinischen entlehnten Berufsbezeichnung an: Curare heißt Sorge tragen, sich kümmern. Im Fall der Ausstellung sind es im Kern zwei Aufgaben mit gegenläufiger Ausrichtung, die es zu besorgen gilt: Es geht um Versammlung, von durchaus auch heterogenen Werken, als eine nach innen, auf Abschließung und Eingrenzung gerichtete Tätigkeit. Im selben Zug zielt die Ausstellung aber auf die Herstellung von Öffentlichkeit für eben diese Versammlung und orientiert sich damit auf ein Außen. Diese Aufgabe liege gerade nicht, so Bismarck, allein bei der Person des Kurators. Vielmehr handele es sich um einen Prozess, in den unterschiedlichste Akteure, menschliche und nichtmenschliche, involviert seien. Aus diesem Grund verwendet von Bismarck, die seit dreißig Jahren das Ausstellen erforscht, auch nicht länger den Begriff des Kuratorischen, sondern den Neologismus des "Kuratorialen".

Mit Blick auf den rasanten Wandel im Ausstellungsbetrieb seit den sechziger Jahren analysiert Bismarck das weit über Werk, Künstler und Kurator herausgehende Beziehungsgeflecht, das eine Ausstellung erst ausmacht. Neue künstlerische Formate, kollektives Arbeiten und installative Werkformen, prozessuale und ephemere künstlerische Praktiken, aber auch die zunehmende Markt- und Warenförmigkeit auch solcher Kunst, die sich entschieden nicht zu Markte tragen lassen möchte, stellen hohe Anforderungen auch an Kuratoren. Doch statt die eigene Kreativität in den Vordergrund zu rücken, sollten die neuen Formen und Bedingungen der künstlerischen Produktion wie Rezeption in einer Ausstellung sichtbar gemacht werden. Es ist der Blick weg von der kuratorischen Persönlichkeit auf Verhältnisse und Aushandlungsformen, der den Kern des Kuratorialen ausmacht.

Beatrice von Bismarck führt drei weitere Begriffe ein, um das Feld aufzufächern: den der Konstellation, der Transposition und der Gastfreundschaft. Diese drei Begriffe - durch deren Geschichte der kulturtheoretischen Bestimmungen die Autorin souverän navigiert - erhellen, darin liegt der Clou der Studie, das Kuratoriale als Modell posthumanistischer Gemeinschaftsbildung. Das anschaulichste Bild dessen, was unter Konstellation zu verstehen ist, bietet die Astrologie, aus der dieser Begriff auch stammt: Dort beschreibt er das Gefüge von Sternen sowie deren Beobachter mitsamt ihren Apparaten. Der Begriff erfasst also Bewegungen und Wahrnehmungsverhältnisse und zugleich die wechselseitige Erhellung einzelner Elemente im Gefüge. Dass diese Elemente den Ort wechseln, also buchstäbliche Übersetzungen - mit metaphorischen Folgen - erleben, wird mit dem Begriff Transposition deutlich. Er erfasst das Materielle der Bewegungen ebenso wie das Herstellen, aber auch das unvermeidliche Kappen von Verbindungen. So bleiben die Auslöschungen und Überlagerungen gegenwärtig, die durch das Bilden temporärer Gemeinschaften entstehen. Der dritte, mit Jacques Derrida und Anne Dufourmantelle entfaltete Begriff, die Gastfreundschaft, bringt das Konzept des Kuratorialen auf den Punkt. Nun geht es vor allem um das Sorgen, das Geben, aber auch das Nehmen und die Machtverhältnisse, die nicht einmal im fürsorglichen Gastgebersein zu vermeiden sind. Niemand und nichts ist in der Ausstellung am angestammten Platz. Rollen und Aufgaben, Normen und Werte, Zuteilungen und Inanspruchnahmen werden sichtbar ausgehandelt, für den begrenzten Zeitraum einer Ausstellungsdauer.

Wie sich dieses anspruchsvolle Konzept in konkrete Ausstellungen übersetzt, verrät die dichte Studie leider nicht. In der englischen Fassung, die demnächst im Verlag Sternfeld erscheinen wird, werden Fallstudien dazu Aufschluss geben. Die fehlende Anschaulichkeit schwächt indes nicht die Stärke der Darstellung: Bismarck reklamiert, in aktualisierter Gestalt, die Funktion, die Ausstellungen mit der Aufklärung zugewiesen wurde: Öffentlichkeit herstellen durch Versammlung, Diskussion und Selbstreflexion.

BEATE SÖNTGEN

Beatrice von Bismarck: "Das Kuratorische".

Spector Books,

Leipzig 2020.

120 S., br., 16,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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