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Der Band geht auf zwei Vorlesungen zurück, die Albrecht Wellmer an der FU Berlin gehalten hat. Ausgangspunkt ist eine kritische Betrachtung der Theorien Wittgensteins und Davidsons aus sprachpragmatischer Perspektive, der ein Exkurs zum Verhältnis von Wahrheit und Rechtfertigung folgt. Schließlich erweitert er die sprachanalytischen Fragestellungen um eine hermeneutische Sicht auf unsere Sprachpraxis. Mit Heidegger, Gadamer und Derrida geht er dabei einerseits über die Grenzen hinaus, die durch die sprachanalytische Vorgehensweise gezogen sind, konfrontiert andererseits die Texte der…mehr

Produktbeschreibung
Der Band geht auf zwei Vorlesungen zurück, die Albrecht Wellmer an der FU Berlin gehalten hat. Ausgangspunkt ist eine kritische Betrachtung der Theorien Wittgensteins und Davidsons aus sprachpragmatischer Perspektive, der ein Exkurs zum Verhältnis von Wahrheit und Rechtfertigung folgt. Schließlich erweitert er die sprachanalytischen Fragestellungen um eine hermeneutische Sicht auf unsere Sprachpraxis. Mit Heidegger, Gadamer und Derrida geht er dabei einerseits über die Grenzen hinaus, die durch die sprachanalytische Vorgehensweise gezogen sind, konfrontiert andererseits die Texte der »kontinentalen« Philosophie mit den zuvor aus den sprachanalytischen Ansätzen gewonnenen überlegungen. Beide Traditionslinien werden somit im Sinne einer kritisch-hermeneutischen Sprachphilosophie zusammengeführt.
Autorenporträt
Wellmer, AlbrechtAlbrecht Wellmer wurde 1933 in Bergkirchen in Nordrheinwestfalen geboren. Er studierte zunächst Mathematik und Physik in Berlin und Kiel und anschließend Philosophie und Soziologie in Heidelberg und Frankfurt am Main, wo er in Philosophie promovierte und habilitierte. Später lehrte er unter anderem in Toronto, New York City, Konstanz, Paris, Amsterdam und Berlin. Albrecht Wellmer verstarb am 13. September 2018 in Berlin.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.12.2004

Der Hammer ist zu schwer
Fern der Rennbahn: Albrecht Wellmers handwerkliche Sprachphilosophie
Als Tante Gertrud 80 Jahre alt wurde, hielt ihr Neffe Martin Heidegger am 16. März 1936 eine kleine Rede. Er erinnerte an die einfache Lebensweise der Lehrersfrau im Heimatdorf Göggingen, wo der Lehrer noch mit der Gänsefeder geschrieben hatte. „Wir Heutigen haben meist nur noch das Geklapper der Schreibmaschine im Ohr, denn es muss alles möglichst rasch gehen und alles muss gleichmäßig sein.” So könne man dem Getippten auch nicht mehr ansehen, „ob einKerl dahinter steht oder ein Taugenichts sich dahinter versteckt”.
Heidegger selbst schrieb sein Leben lang mit der Hand. Bruder Fritz will das schwer Lesbare gern abgetippt haben. Die Menschen drohten das „wahre Verhältnis zur Sprache” zu verlieren und zu „Sklaven des Computers” zu werden, beklagte Heidegger bereits in den Fünfzigerjahren. Vielleicht war es ja überhaupt mit der Philosophie zu Ende, wenn alles zum Anwendungsfall der Kybernetik und damit berechenbar wurde. Heidegger diagnostizierte die durchgängige Technifizierung aller Sprachen zu bloßen Informationsinstrumenten. Er selbst wollte sich keinesfalls auf diese „Rennbahn der Information” begeben.
Als Albrecht Wellmer 70 Jahre alt wurde, überraschten ihn drei seiner Studierenden mit einem Geschenk. Sie wollten die Veröffentlichung seiner letzten Vorlesung organisieren, in der sie ihr Professor im Jahr 2000/01 in die Sprachphilosophie eingeführt hatte, orientiert vor allem an den Arbeiten Martin Heideggers und Ludwig Wittgensteins, flankiert durch kritische Kommentare zu Hans-Georg Gadamers philosophischer Hermeneutik und Donald Davidsons Theorie der radikalen Interpretation. Das war nicht ganz einfach. Denn auch Wellmer hatte sein Vorlesungsmanuskript mit der Hand geschrieben. Seine Schrift soll schwer zu lesen gewesen sein. Doch zum Glück gab es ja, wofür er sich nachdrücklich bedankte, seine ehemalige Sekretärin Ina Gumbel, die bereits das Manuskript zum größten Teil „mit Hilfe des Computers in eine auch von anderen entzifferbare Fassung transkribiert hatte”.
Nun hat die Art, wie Wellmer seine Vorlesung schrieb und vortrug, nicht unbedingt etwas mit dem Geltungssinn seiner Gedanken zu tun. Doch es scheint, als habe die handschriftliche Anfertigung des Textes und der dialogorientierte Stil seiner Vorlesung wesentlich mit seiner philosophischen Grundhaltung zu tun. Gadamers hermeneutische Maxime, „dass die Sprache erst im Gespräch, also in der Ausübung der Verständigung ihr eigentliches Sein hat”, diente auch Wellmer zur Orientierung. Das macht den Charme dieser Vorlesung aus. Aber es verengt auch die Perspektive. Die „Rennbahn der Information” ist nicht Wellmers Weg.
Plattenbau im Gespräch
Von Computern, Internet, Informationstechnologien, Berechenbarkeit, maschinellen Sprachoperationen, Cyberspace oder Virtualität liest man nichts in dieser Vorlesung. Seltsam antiquiert, auch mit gehöriger Langsamkeit, geht es zu in seiner „Sprachphilosophie”, und auch die beiden Philosophen, denen er vor allem folgt, erscheinen wie Denker aus einer anderen Zeit. Denn Wellmer hat zwar gute Gründe, Wittgenstein und Heidegger ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken. Beide hatten ein neues Vokabular ins philosophische Sprachspiel eingeführt und unser Sprachverständnis maßgeblich revolutioniert. Sie hatten die grundlegende Rolle der „diskursiven Praxis” für unser Welt- und Selbstverständnis deutlich gemacht. Doch in Wellmers Lesart tauchen sie wie Handwerker auf, die in einer vergangenen Lebenswelt arbeiteten und sprachen.
Das beginnt bereits mit jenem einfachen „Sprachspiel” aus den „Philosophischen Untersuchungen” Wittgensteins von 1949, in dem ein Bauender und sein Gehilfe ihren Plattenbau errichten und sich dazu mit den Wörtern „Würfel”, „Säule” oder „Platte” verständigen. Nur im gemeinsamen Gebrauch lebten die sprachlichen Zeichen; und nur innerhalb einer gemeinsamen „Lebensform” lasse sich Sprache verstehen. Dabei sei die Funktionsweise der Wörter so verschieden wie die der Werkzeuge im Werkzeugkasten: Hammer, Zange, Leimtopf oder Schraube. Man weiß, dass Wittgenstein schon als Junge gern in der Werkstatt gebastelt hat. Auch Heideggers Liebe zur praktischen Arbeit hat in seiner „Daseinsanalyse” Spuren hinterlassen, denen Wellmer langsamen Schrittes folgt.
Im Unterschied zu den bloßen Dingen, die als solche „vorhanden” sind, habe es der Mensch, so Heidegger, immer schon praktisch mit bedeutsamem „Zeug” zu tun, das für ihn „zuhanden” ist. Nicht zufällig dienten Heidegger Schreibzeug und Handarbeit als Anschauungsmaterial. Aber auch er liebte das Hämmern mit dem Hammer, das er in „Sein und Zeit” (1927) fundamentalontologisch analysierte: „Das Hämmern selbst entdeckt die spezifische Handlichkeit” des Hammers.
Besonders im Zwiegespräch mit Wittgenstein und Heidegger hat Wellmer seine Sprachphilosophie klug und differenziert entwickelt. Doch je subtiler die Argumente, desto trivialer die Beispiele zur Verdeutlichung: „Es regnet”; „jemand hat geklingelt und einen Brief abgegeben”; „das Wetter ist schön”. Am schönsten aber ist es auch bei ihm, wenn gehämmert wird. „Der Hammer ist schwer.” Das sagt, Wellmer zufolge, etwas über den Hammer als ein „massig Seiendes” aus, das vorhanden ist und dessen Gewicht physikalisch gemessen werden kann. Dagegen steht der viel sagende Beispielsatz: „Der Hammer ist zu schwer.” Denn da ist der handliche Hammer ein zuhandenes Zeug, das eine lebenspraktische Rolle im gemeinsamen Sprachspiel spiele.
Und was kann der Sprachphilosoph daraus lernen? „Ich sage: ,Der Hammer ist zu schwer.‘ Der andere sagt: ,Du hältst ihn falsch‘ und zeigt mir, wie ich ihn halten muss; und ich sage: ,Ja, so geht’s.‘” Auch Sprachphilosophen leben eben nicht nur im „Kontext einer an Wahrheit orientierten Redepraxis”. Sie können sich sogar bemühen, gemeinsam ihre handwerklichen Fähigkeiten zu verbessern.
MANFRED GEIER
ALBRECHT WELLMER: Sprachphilosophie. Eine Vorlesung. Hrsg. von Thomas Hoffmann, Juliane Rebentisch und Ruth Sonderegger. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2004. 473 S., 16 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

"Seltsam antiquiert" geht es in Albrecht Wellmers Vorlesung über "Sprachphilosophie" zu, meint Manfred Geier, wozu seines Erachtens auch eine gewisse Langsamkeit in der Entfaltung von Wellmers sprachphilosophischen Betrachtungen gehört. Computer, neue Informationstechnologien, das alles spiele in Wellmers Erörterungen keine Rolle, stellt Geier fest. Wellmer selbst habe seinen Vorlesungstext handschriftlich verfasst, und der dialogorientierte Stil scheint ihm mit Wellmers philosophischer Grundhaltung zusammenzupassen, dass "die Sprache erst im Gespräch, also in der Ausübung der Verständigung ihr eigentliches Sein hat", zitiert der Rezensent aus Wellmers Vorlesungsrede. Das hat seinen Charme, bemerkt Geier, bedinge aber auch eine verengte Perspektive. Am interessantesten erscheint ihm Wellmers Auseinandersetzung mit Martin Heideggers Sprachphilosophie und Ludwig Wittgensteins Sprachspieltheorie, gerade weil diese Herren - Wellmer inklusive - den Praxisbezug und die praktische Arbeit lieb(t)en. Am schönsten ist es auch bei Wellmer, gesteht Geier, "wenn gehämmert wird". Je subtiler die Argumente, desto trivialer und praxisnäher seien die Beispiele.

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