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Die Lust am Text - die Veröffentlichung von Roland Barthes war in den 1970er Jahren ein erfolgreicher Weckruf an die Theorie und Praxis der Leser. Die Lust am Buch von Michael Hagner ist ein Weckruf zur Demonstration der unhintergehbaren Rolle des Buches im digitalen Zeitalter. Hier vermischen sich Liebeserklärungen an das Ding Buch mit Einsprüchen gegen Fehlentwicklungen. Auf engstem Raum, in der kurzen Form prallen aufeinander Mikroessays, Lesebilder, Lustschilder und Warnschilder, Buchgeschichten und Anekdoten, die die Lust am Buch auf den eigenen Lebenswegen in Erinnerung rufen. Ein Buch…mehr

Produktbeschreibung
Die Lust am Text - die Veröffentlichung von Roland Barthes war in den 1970er Jahren ein erfolgreicher Weckruf an die Theorie und Praxis der Leser. Die Lust am Buch von Michael Hagner ist ein Weckruf zur Demonstration der unhintergehbaren Rolle des Buches im digitalen Zeitalter. Hier vermischen sich Liebeserklärungen an das Ding Buch mit Einsprüchen gegen Fehlentwicklungen. Auf engstem Raum, in der kurzen Form prallen aufeinander Mikroessays, Lesebilder, Lustschilder und Warnschilder, Buchgeschichten und Anekdoten, die die Lust am Buch auf den eigenen Lebenswegen in Erinnerung rufen. Ein Buch der Lust also, bestehend aus Miniaturen in alphabetischer Unordnung - wie Bücher einer imaginären Bibliothek.
Autorenporträt
Michael Hagner ist Professor für Wissenschaftsforschung an der ETH Zürich. Er wurde u. a. mit dem Akademiepreis der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften ausgezeichnet. 2008 erhielt er den Sigmund-Freud-Preis für wissenschaftliche Prosa der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.06.2019

Warum nur nennt man Bibliotheken Wissensspeicher?
Michael Hagner unternimmt zehn Durchgänge durch das Alphabet, um die Lust am Buch aufzublättern

In seinem Büchlein "Le plaisir du texte" stellte sich Roland Barthes eine Steigerung dieser Lust am Text bis zur "jouissance", zur Wollust, vor - obwohl sie, schon wegen des spröden Textbegriffs, eigentlich recht calvinistisch daherkam. Die "Lust am Text" nimmt der Wissenschaftshistoriker Michael Hagner in seinem Buch auf, wenn er drei Linien im Reich der Druckerschwärze kreuzt: die bibliophile Tradition, den Taschenbuch- und Antiquariatskult der sechziger und siebziger Jahre und die Wiederentdeckung des Buchs als Objekt im Moment seines vermeintlichen digitalen Verschwindens.

Alle drei Linien sind, so könnte man meinen, sattsam ausgezogen: Aber Hagner denkt weiter. Zehn Alphabete blättert er dafür auf - von "Anfassen" und "Aufklärung" bis "Zensur" und "Zuschlagen". Darin mischt er persönliche Beobachtungen und Erinnerungen mit philosophischen und literarischen Betrachtungen, wagt sich auch im Gegensatz zu Barthes, der sich in die Zeichenräume seiner Kopfbibliotheken zurückzog, an die Bücherkörper heran. Ermittlungen zur Provenienz eines Buchs aus einem Tel Aviver Kellerantiquariat stehen neben locker gefügten Notizen über Jagdfieber und Strandgut. Hagners Analysen glänzen, wenn sie Scheinalternativen auflösen: Analog oder digital? Authentische Rekonstruktion vergangener Bücherlust oder "Humanismus-Disneyland"?

Kulturpessimismus vermeidet Hagner ebenso wie Digitaleuphorie. Mit melancholischer Neugier fragt er sich stattdessen, warum Bibliotheken irreführend als "Wissensspeicher" bezeichnet werden, wenn sie bloß bedrucktes Papier speichern, und ob wir uns an den Satz "Ich schenke dir ein E-Book" je gewöhnen werden.

Zur Lust am Buch gehört der Mut zur freien Interpretation - mit allen Risiken. Als Barthes schrieb, "Offenheit" sei im Allgemeinen das "Tor zur Dummheit", da hatte er "Open Access" nicht vor Augen. Er sprach nicht vom "accès libre", sondern von der "franchise", nicht vom Zugang zur Schrift, sondern von der Schonungslosigkeit der Rede. Die Öffnung digitaler Eingänge bringt hingegen, wie Hagner zu Recht bemerkt, nicht automatisch die erhoffte Erleuchtung, aber auch nicht zwingend die Verdummung.

Die marxistische Literaturkritik konnte Roland Barthes vorwerfen, seine "Lust am Text" zu wenig sozialhistorisch anzulegen. Wenn Michael Hagner feststellt, im Zeitalter digitaler Zugänglichkeit sei "das Seltene selten geworden", dann versteckt er darin keine elitäre Nostalgie. Sein Programm gewinnt er vielmehr aus den Fotografien, die André Kertész 1971 in dem Buch "On Reading" versammelte. Die Aufnahmen aus fünfzig Jahren zeigen Menschen unterschiedlicher Herkunft, vertieft in Zeitungen, in Bücherkisten stöbernd, auf Dächern und auf Parkbänken lesend. Keinen Moment lang lassen die Bilder daran denken, dass zwischen Lust und Buch ein "oder" gehört.

MARCEL LEPPER

Michael Hagner: "Die Lust am Buch".

Insel Verlag, Berlin 2019. 168 S., geb., 14,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 26.10.2019

Unmerkliches
Umblättern
Michael Hagner frönt der
„Lust am Buch“
Die Lust am Buch und das Vergnügen beim Lesen sind universal und keineswegs im Schwinden begriffen. Zur gedruckten Bücherwelt gesellen sich digitale Formate, die auch Michael Hagner nicht fremd sind. Im Gegenteil: Der Wissenschaftshistoriker und Philosoph arbeitet selbstverständlich mit allen Hilfsmitteln der digitalen Technologie. Sein Leben aber findet anderswo statt, denn er liest ohne Ende und will „irgendwann gar nicht mehr merken, dass du etwas in der Hand hältst und die Seiten umblätterst“.
Die Liebe zum Buch in herkömmlicher Gestalt verbindet sich bei Hagner mit persönlichen Erinnerungen, die vielleicht so etwas sind wie Appelle an Gleichgesinnte: Die Beziehung zum Brockhaus in der Jugend, das Erkunden der Welt durch Antiquariate, bemerkenswerte Erwerbungen, nie gelesene Werke und starke Erinnerungen an bestimmte Orte der Lektüre – Kulturprotokolle individueller Bildung. Hier fehlt der Unterton einer gewissen Wehmut. Hagner glaubt an die Aura von Büchern, beschreibt aber deren Erscheinungs- und Benutzungsformen mit phänomenologischer Genauigkeit. Unter dem Titel „Provenienz“ bringt er eine kleine Krimigeschichte rund um ein seltsames Buch. Wie nicht anders zu erwarten, hat der Büchersammler Hagner auch sonst jede Menge Anekdoten auf Lager, etwa die zur ersten Buchfotografie durch Henry Fox Talbot.
Das Besondere dieses Büchleins ist, dass es den Rahmen der Reflexionen sehr groß zieht. Hagner erwähnt, behandelt und zitiert Philosophen wie Barthes, Benjamin, Descartes, Spinoza oder Wittgenstein. Er spielt auf Schriftsteller wie Hesse, Melville oder Swift an und unterhält sich mit Akteuren der Buch- und Wissensgeschichte wie Chartier, Feyerabend, Blumenbach oder Manutius. Man bewundert die historische Belesenheit des Autors, der umfangreich „Zur Sache des Buches“ (2015) geschrieben hat. Man lernt darüber hinaus etwas über Rockmusik und über Kybernetik, erfährt einiges über Fotografen und Filmemacher.
Kleine Invektiven sind hie und da versteckt, gegen die „aufmerksamkeitsökonomische Hektik“ oder die „anhaltende Faszination für Zettelkästen in der Dingwissenschaft“, aber auch gegen den digitalen Analphabetismus derer, die es von früher her besser wissen wollen. Der Autor nimmt sich von der Kritik nicht aus, beklagt seine frühe Scheu vor dem Computer, rügt die eigene Begier, ein Buch besitzen zu müssen, und attestiert sich selber ein Schwanken zwischen Ehrgeiz und Melancholie.
Das Büchlein hat kein Inhaltsverzeichnis. Es will keinen falschen Überblick bieten, ist vielmehr durch Stichwörter gegliedert, die in zehn Alphabete verteilt sind. So nimmt Hagner das Ziel Diderots auf, wie er in der „Enzyklopädie“ schreibt, die „Diversität der Darstellung“ zu fördern. Und er beherzigt, was unter dem Stichwort „Inhaltsverzeichnis“ steht, dass die Überschriften kunstvoll ausgeprägt sein müssen. So spielt der Autor mit der Selbstreferenz. Ein Buch über das Buch hatte Lichtenberg schon vor 200 Jahren für fatal erklärt; vielleicht hätte er dieses aber durchgehen lassen. Es liest sich gut.
ULRICH JOHANNES SCHNEIDER
Michael Hagner: Die Lust am Buch. Insel-Verlag, Berlin 2019. 112 Seiten, 14 Euro.
Der Autor attestiert sich
selbst eine Haltung zwischen
Ehrgeiz und Melancholie
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»Ein Buch über das Buch hatte Lichtehberg schon vor 200 Jahren für fatal erklärt; vielleicht hätte er dieses aber durchgehen lassen. Es liest sich gut.« Ulrich Johannes Schneider Süddeutsche Zeitung 20191026